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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 44)

 
für den Betrachter die segensreichen Einflüsse des Herr- 
scherpaares auf die Wissenschaften klar zu erkennen sind. 
Mit der Durchführung der Freskcnmalcrei wurde ein 
Landsmann Metastasios, Gregorio Guglielmi, betraut. 
Dieser war 1714 in Rom geboren, Mitglied mehrerer 
Akademien und als Malervirtuose von einem europäi- 
schen Fürstenhof zum anderen unterwegs. 1755 kam er 
aus Dresden nach Wien und erhielt, nicht ohne, daß Me- 
tastasio seine Hand dabei im Spiel gehabt hätte, diesen 
großen und ehrenvollen Auftrag. 
Gregorio Guglielmi hielt sich im wesentlichen genau an 
das Programm Metastasios. Er konzentrierte seine ganze 
Aufmerksamkeit auf die reiche szenische Ausgestaltung 
der Fakultäten. Er ordnete sie jeweils vor einem archi- 
tektonischen Hintergrund an und ließ sie, zu einzelnen 
Gruppen aufgelöst, auf Podesten und Treppen agieren. 
Dem Eingang gegenüber, an der vornehmsten Stelle, 
setzte er die Theologie. Vor einer Rotunde im korinthi- 
sehen Stile waren die Vertreter heidnischer und antiker 
Religionen zu diskutierenden Gruppen in rhythmischer 
Abfolge angeordnet. An erhöhter Stelle aber saß johan- 
nes, als Vertreter des Christentums, und deutete mit 
sprechender Gebärde auf eine Schriftrolle mit den An- 
fangsworten seines Evangeliums „In principio erat Verbum". 
Der Theologie gegenüber befand sich die jurisprudenz, 
die Wissenschaft von Recht und Unrecht, wie die latei- 
nische Devise „justi atque injusti scientia" verkündete. 
Vor einer dorischen Apside, die an den Areopag, den 
atheniensischen Gerichtsort, erinnerte, waren zahlreiche 
Rechtsgelehrte damit beschäftigt, Schriftrollen, Bücher 
und Geselzestafeln zu betrachten oder mit sprechenden 
Gebärden zu interpretieren. Daß darunter das Natur- 
recht und das Bürgerliche Recht zu verstehen ist, geht 
aus dem Programm Metastasios hervor. 
An den Schmalseiten des Saales befanden sich die Phi- 
losophie und die Medizin. Bei der Medizin stellte Gugli- 
elmi die Anatomie in den Mittelpunkt. Links und rechts 
davon waren Gruppen gestellt, die die medizinischen 
llilfswissensehaften Botanik und Chemie verdeutlichen 
sollten. Eine jonisehe Säulenhalle bildete den architek- 
tonischen Abschluß. 
Die Philosophie endlich war vor dem Hintergrund einer 
ägyptischen Pyramide und eines antiken Säulenpaares 
angeordnet. Entgegen der traditionellen Darstellungs- 
weise verlegte Guglielmi hier den Akzent auf die Wie- 
dergabe naturwissenschaftlicher Betätigungen. 
Neben der vielfigurigen Inszenierung der Fakultäten mit 
ihren raumsteigernden architektonischen Hintergründen, 
kam die allegorisierende Mittelgruppe, trotz Strahlen- 
kranz und Lichtfülle, nicht recht zur Geltung. Das ver- 
herrlichende Motiv mit seinen idealischen Figuren des 
Doppelporträtmedziillons. des Saturn, der Putten und den 
Symbolen der Wohltätigkeit, des Ruhmes und der Ewig- 
keit, waren Guglielmis realistischer Auffassung nicht ge- 
legen. Aber gerade diese realistische Auffassung hat ihm 
in Wien den Erfolg eingebracht, der ihm in Dresden 
versagt geblieben war. Denn auf Grund seiner Malkünste 
in der Aula wurde er bald danach mit dem größten Fres- 
kenauftrag betraut, den Wien zu vergeben hatte: die drei 
Deckenfresken in den Rcpräsentationsräumen von Schön- 
brunn, die er 1759 bis 1761 durchführte. 
Der Brand vom 6. Februar hat ein Hauptwerk Gregorio 
Guglielmis für immer vernichtet. Nirgendwo konnte man 
so gut wie in Wien das Werk dieses Künstlers studieren, 
der mit seinem Fakultätsfresko eine künstlerische Ge- 
staltungsweise inaugurierte, die für die zweite Hälfte 
des 18. Jahrhunderts zum Vorbild für viele Decken- 
fresken wurde.
	        
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