hundert langsam aus dem Atelier in
das Chaos des Natureindrucks im
Freien hinaus. Schließlich wächst
das Bedürfnis, in der Natur zu wan-
dern. Es gäbe, erklärt der Maler
W. Tischbein, nun keinen Unter-
schied in der Betrachtung einer Ge-
mäldegalerie mit holländischen
Landschaftsbildern und einer Rund-
reise in demselben Land, wo man
die abgebildeten Landschaften in
natura sehen könne.
Der Zeitbegriff ändert sich erneut,
und der Künstler ist maßgebend
daran beteiligt, wenn er statt des
einen Bildes ganze Bilderreihen
malt und sich dem Naturbild, dem
Natureindruck mehr oder weniger
passiv ausliefert, keinen Bildge-
danken in der Enge der Abge-
schlossenheit seines Ateliers mehr
fußt, sondernvsich der realen Außen-
welt sozusagen hingibt. Mit der
Veränderung des Zeitbegriffs än-
dert sich auch die Kompositiomdas
Bild ist nun weniger gebaut, koni-
struicrt, Haltepunkte an den Bild-
rändern verschwinden. Bei Caspar
David Friedrich erreicht die Ent-
wicklung ihren Höhepunkt. Ein völ-
liges Zcrtrümmern des hergebrach-
ten Bildgefüges beginnt, die be-
dingungslosen impressionistischen
Landschaften bilden den Übergang
einer Entwicklung, die etwa im Ku-
bismus endet, wo man der zerschla-
genen Form wieder neue Bild- und
Kompositiunselemente oder Werte
abzuringen sucht .So sehr ist es der
Malerei gelungen, sich mit ihren
stets wechselnden und suchenden
Aspekten der Seh- und Ausdrucks-
weise vor der Landschaft im geisti-
gen Auge des Kunstbetrachters fest-
zusetzen, daß es uns heute durchaus
möglich ist, kubistische, ja sogar
„gegenstandslos? Landschaften zu
sehen, was wir ohne die Malerei und
ihren Einfluß auf unsere Beobach-
tungs- und Illusionskraft nicht
könnten. Parallel den naturwissen-
schaftlich-physikalischen Erkennt-
nissen, denen die Malerei seit Be-
ginn des Jahrhunderts entspricht,
und die sie zum Teil sogar vorweg-
nahm, entwickelt sich heute eine
kosmische Landschaft, der Mensch
geht im All auf. Er wird auf völlig
neue Dinge gelenkt, wir lernen in
der Natur auf Teile zu achten, die
wir in abstrakten, gegenstandslosen
und an sich anaturalistisehen Bil-
dern zuerst sahen. In der schöpferi-
schen zeitgenössischen Malerei
wird wieder zur Idee, dem Welt-
geist zurückgefunden, der Natur-
eindruck zwar nie völlig ausge-
schaltet, aber ins Atelier mitge-
nommen, verwandelt, in eine
eigene, kleine, welthaltige Schöp-
fung umgesetzt. Damit wurde im
gewissen Maß ein End- und Ilöhe-
punkt unseres von den Malern be-
einflußten Sehens vor der Land-
schaft fixiert, wie ihn schon Carl
Gustav Carus in seinen „Neun
Briefen über Landschaftsmalerei"
(1815-1824) vorausgesehen hatte:
„Es werden einst Landschaften hö-
herer, bedeutungsvollerer Schön-
heit entstehen, als sie Claude und
Ruysdael gemalt haben, und doch
werden es reine Naturbilder sein;
aber es wird in ihnen die Natur
mit geistigem Auge erschaut, in
höherer Wahrheit erscheinen, und
die steigende Vollendung des Tech-
nischen wird ihnen einen Glanz
verleihen, den frühere Werke nicht
haben konnten."
Für die Abbl und Z und 4 bis 6 stellte
der Kum-tverlug Anton Scbrall ä C0.
dankenswerter Weixe die Klischee: zur
Verfügung. Sie xtnmmen au: den Bü-
chern von josepb Ganlner über Kun-
razl lWitz, Ilan: 'I'ietze über Albrecht
Dürer n'en Zeichner, Heinrich Schwarz
über Salzburg und das Salzkammergut
sowie Franzxepp [Würtenberger über
Weltbild und Bilderwelt.
B Kosmische Kreise. Gouache von Fritz
Winter aus dem Jahr 1950. Werner
Haftmann sagt über den Maler: „Er ge-
hört der gleichen geistigen Linie zu, die
von Altdorfer über C. D. Friedrich und
den deutschen Nalurlyrismus führt
und im Werk von Franz Marc und Paul
Klee in unserem Jahrhundert kulmi-
niert. - Seine Bilder sind ,Erdleben-
bilder', um mit Carus zu sprechen.
Winter ist der zeitgenössische Land-
schaftsmaler .
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