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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 45)

hundert langsam aus dem Atelier in 
das Chaos des Natureindrucks im 
Freien hinaus. Schließlich wächst 
das Bedürfnis, in der Natur zu wan- 
dern. Es gäbe, erklärt der Maler 
W. Tischbein, nun keinen Unter- 
schied in der Betrachtung einer Ge- 
mäldegalerie mit holländischen 
Landschaftsbildern und einer Rund- 
reise in demselben Land, wo man 
die abgebildeten Landschaften in 
natura sehen könne. 
Der Zeitbegriff ändert sich erneut, 
und der Künstler ist maßgebend 
daran beteiligt, wenn er statt des 
einen Bildes ganze Bilderreihen 
malt und sich dem Naturbild, dem 
Natureindruck mehr oder weniger 
passiv ausliefert, keinen Bildge- 
danken in der Enge der Abge- 
schlossenheit seines Ateliers mehr 
fußt, sondernvsich der realen Außen- 
welt sozusagen hingibt. Mit der 
Veränderung des Zeitbegriffs än- 
dert sich auch die Kompositiomdas 
Bild ist nun weniger gebaut, koni- 
struicrt, Haltepunkte an den Bild- 
rändern verschwinden. Bei Caspar 
David Friedrich erreicht die Ent- 
wicklung ihren Höhepunkt. Ein völ- 
liges Zcrtrümmern des hergebrach- 
ten Bildgefüges beginnt, die be- 
dingungslosen impressionistischen 
Landschaften bilden den Übergang 
einer Entwicklung, die etwa im Ku- 
bismus endet, wo man der zerschla- 
genen Form wieder neue Bild- und 
Kompositiunselemente oder Werte 
abzuringen sucht .So sehr ist es der 
Malerei gelungen, sich mit ihren 
stets wechselnden und suchenden 
Aspekten der Seh- und Ausdrucks- 
weise vor der Landschaft im geisti- 
gen Auge des Kunstbetrachters fest- 
zusetzen, daß es uns heute durchaus 
möglich ist, kubistische, ja sogar 
„gegenstandslos? Landschaften zu 
sehen, was wir ohne die Malerei und 
ihren Einfluß auf unsere Beobach- 
tungs- und Illusionskraft nicht 
könnten. Parallel den naturwissen- 
schaftlich-physikalischen Erkennt- 
nissen, denen die Malerei seit Be- 
ginn des Jahrhunderts entspricht, 
und die sie zum Teil sogar vorweg- 
nahm, entwickelt sich heute eine 
kosmische Landschaft, der Mensch 
geht im All auf. Er wird auf völlig 
neue Dinge gelenkt, wir lernen in 
der Natur auf Teile zu achten, die 
wir in abstrakten, gegenstandslosen 
und an sich anaturalistisehen Bil- 
dern zuerst sahen. In der schöpferi- 
schen zeitgenössischen Malerei 
wird wieder zur Idee, dem Welt- 
geist zurückgefunden, der Natur- 
eindruck zwar nie völlig ausge- 
schaltet, aber ins Atelier mitge- 
nommen, verwandelt, in eine 
eigene, kleine, welthaltige Schöp- 
fung umgesetzt. Damit wurde im 
gewissen Maß ein End- und Ilöhe- 
punkt unseres von den Malern be- 
einflußten Sehens vor der Land- 
schaft fixiert, wie ihn schon Carl 
Gustav Carus in seinen „Neun 
Briefen über Landschaftsmalerei" 
(1815-1824) vorausgesehen hatte: 
„Es werden einst Landschaften hö- 
herer, bedeutungsvollerer Schön- 
heit entstehen, als sie Claude und 
Ruysdael gemalt haben, und doch 
werden es reine Naturbilder sein; 
aber es wird in ihnen die Natur 
mit geistigem Auge erschaut, in 
höherer Wahrheit erscheinen, und 
die steigende Vollendung des Tech- 
nischen wird ihnen einen Glanz 
verleihen, den frühere Werke nicht 
haben konnten." 
Für die Abbl und Z und 4 bis 6 stellte 
der Kum-tverlug Anton Scbrall ä C0. 
dankenswerter Weixe die Klischee: zur 
Verfügung. Sie xtnmmen au: den Bü- 
chern von josepb Ganlner über Kun- 
razl lWitz, Ilan: 'I'ietze über Albrecht 
Dürer n'en Zeichner, Heinrich Schwarz 
über Salzburg und das Salzkammergut 
sowie Franzxepp [Würtenberger über 
Weltbild und Bilderwelt. 
 
B Kosmische Kreise. Gouache von Fritz 
Winter aus dem Jahr 1950. Werner 
Haftmann sagt über den Maler: „Er ge- 
hört der gleichen geistigen Linie zu, die 
von Altdorfer über C. D. Friedrich und 
den deutschen Nalurlyrismus führt 
und im Werk von Franz Marc und Paul 
Klee in unserem Jahrhundert kulmi- 
niert. - Seine Bilder sind ,Erdleben- 
bilder', um mit Carus zu sprechen. 
Winter ist der zeitgenössische Land- 
schaftsmaler . 
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