er sagt: „Ströme von Farbennuancen entspringen sei-
nem Gehirn"), Tizian, Tintoretto. Für (Iezanne muß ein
Bild einen Zustand „farbiger Entrücleung" bieten, wie
er es bei Tintoretto sieht, der ohne Zeichnung, nur in
„Farben sprach".
Cezannes lnteresse im Louvre gilt ausschließlich dem
Studium der menschlichen Gestalt, daher gibt es von ihm
viel mehr Zeichnungen nach Skulpturen als nach Bil-
dern. Für ihn ist der Louvre Modellersatz. Für Cezanne
bleibt das Malen nach der Natur, nach dem „Motiv", im-
mer der oberste Leitsatz seines Schaffens und das Stu-
dium der Alten Meister ist für ihn nur dazu da, das zu
überwinden, was vor uns war.
„E: ist grotesk sich vorzuxtellen, daß man wie ein Cham-
pignon emporschießt, wenn man alle Generationen hin-
ter sich hat. Warum nicht Nutzen ziehen au: all dieser
Arbeit, warum diexen großartigen Fundus vernucblär-
sigen?"
Trotzdem hat er eine so große Anzahl von Studien nach
alten Werken hinterlassen, daß Rcnoir sein Gesamte
schaffen in zwei Kategorien eintcilt: „litudes d' apres
nature et Souvenirs de Musees." Obwohl die Natur allein,
das Malen bloßer Landschaft vor allem, für ihn das
höchste Ziel bleibt, so träumt er doch immer davon, he-
sonders gegen Ende seines Lebens, die Verschmelzung
der menschlichen Gestalt mit der Landschaft zu errei-
chen, gleichsam den paradiesischen Urzustand der Welt
mit unbekleideten menschlichen Gestalten in eine Har-
monie zu bringen. Diesem Ziel dienen seine zahllosen
Studien zu den „Baigncuscxf, an deren großer Fassung
als Gemälde er zehn Jahre seines Lebens gemalt hat.
Um die menschliche, sicher sehr schwierige persönliche
Erscheinung des großen Malers haben sich viele Legen-
den gesponnen, die seine Ängstlichkeit den realen Dingen
des Lebens gegenüber, seine Menschcnscheu, sein Miß-
trauen und seine Heftigkeit bloßstellen. Heute hat sich
das Bild längst geklärt und man weiß, daß er ein über-
empfindsamer, einsamer, mit seinen Problemen in über-
menschlicher Anstrengung kämpfender Künstler war.
Als Cezanne zu malen begann, tat er es fast ohne jede
technische Voraussetzung, er hatte nie wirklichen Mal-
unlerricht erhalten und ging den dornigen Weg des Ler-
nens aus sich selbst heraus. Er gehörte auch keiner
Gruppe, keiner Stilrichtung der damals nach allen Seiten
aufrührerisch brodelnden Kunstwelt an und streifte auch
nur kurze Zeit und mit großem Vorbehalt an den Im-
pressionismus an, den umzuformen er sich vorgenommen
hatte.
„Aux dem Impressionismus wollte ich etwa: machen,
das so mlid und dauerhaft wäre wie die Kunst der
Museen. . ."
Am Anfang seines Schaffens spürt man deutlich die Ein-
flüsse von Delacroix und Daumier; sein Pinselstrich ist
dick und heftig, der Ausdruck seiner Bilder voll persön-
licher Leidenschaft.
Man wirft ihm vor, daß er die Farben wie mit einer Pi-
stole auf die Leinwand schieße. Seine technische Unbe-
holfenhcit reißt ihn zu dramatischen Übertreibungen hin.
Es ist dies die einzige Zeit seines Schaffens, wo er lite-
rarische und mythologische Themen darzustellen unter-
nimmt. Er steht damals unter dem Einfluß Zolas, für den
das „Thema" eines Bildes die Hauptsache ist, wenn er
auch gleichzeitig nicht leugnet, daß die „Form" not-
wendig sei, um sich verständlich zu machen. Cezannes
Freundschaft mit Zola lockert sich immer mehr und
mehr, denn die Lebenshaltung beider ist zu konträr. Ce-
zanne, der ewige Bohemien, der sich, mit Farben be-
schmutzt, im Park des Luxembourg auf einer Bank lie-
gend ausruht - Zola dagegen, der elegante Weltmann,
der die Künstler zum Tee einlädt. Cezanne beginnt den
Freund zu meiden, da er sich bei ihm „wie bei einem
Minister" vorkommt. Dafür erwächst ihm in Pissarro ein