Umgesialiung eines hisiorischen Bauwerkes
zu einer modernen Kuliursiäüe für
Sludenlen aus aller JwSIeF KRAWINA
Das Haus in Wien I, Annagasse 20,
Seilerstätte 30, Krugerstraße 19, ist
seit seiner Erbauung im 16. jahr-
hundert eng mit der Geschichte
Wiens und Österreichs verknüpft
und daher - nicht nur vom Künst-
lerischen wegen seiner schönen Ba-
rockfassade und der Baukörper -
auch eine historisch und kulturell
wertvolle Stätte. Aus diesem Grund
wurde der Denkmalschutz auch
nicht als Last empfunden, sondern
als Verpflichtung aufgefaßt. Die
Umgestaltung dieses von Tradition
erfüllten Gebäudes in ein alle For-
derungen erfüllendes, optimal ver-
wendetes Haus, ein Studentenhaus,
versprach eine schwierige, aber
reizvolle Aufgabe zu werden.
Diese wurde unter das Motto ge-
stellt: Bewahrung des schönen, histo-
risch bedeutenden Gebäudes durch
vorsichtige Restaurierung, um so
der darin wohnenden Jugend die
Atmosphäre einer großen Vergan-
genheit nahe zu bringen, gleichzei-
tig aber alle neuen Zu- und Ein-
bauten und Adaptionen so zu ge-
stalten, wie es uns hie et nunc ent-
spricht und unsere Gegenwart re-
präsentiert, in der Meinung, daß das
gute Alte und das gute Neue sich
auf Grund eben ihrer Werte ver-
tragen müssen.
Im Zuge der Restaurierung wurde
der im Lauf der Jahrhunderte gänz-
lich verbaute und verunzierte
Innenhof von seinen Auswüchsen
befreit. Auf diese Weise gewannen
wir nicht nur wieder die schönen,
ruhig-würdigen Hoffassaden, son-
dern auch einen besser besonnten,
verblüffend großräumig anmuten-
den Hof, der im Verein mit einer
lebendig wirkenden Kleinkopf-Pfla-
sterung und einer kleinen Grün-
anlage zu einem lärmabgcwandten,
friedlichen Bereich mit einer Akzen-
tuierung durch die Sandstein-Pla-
stik von Erwin Thorn wurde. Da
das Parterre des Hauses früher für
Pferdestallungen, Lagerräume und
Gesindewohnungen verwendet wor-
den und daher architektonisch nicht
gestaltet war, konnten wir hier un-
schwer die Stiegen-Eingangshalle
Seilerstätte, die Mensa im Kruger-
straßenteil und die klassizistische
Einfahrt von der Annagasse durch
große Glasflächen oder zarte Git-
tertore zum Hof hin öffnen und so-
mit den Strailenpassanten einen Blick
ins Grüne schenken und dem Haus
Großzügigkeit verleihen.
I)as Grundrißkonzept wurde von
dem Gedanken ausgehend erstellt,
daß ein Studentenhaus mit zirka
170 Betten die Gefahren von Mas-
senquartieren und -ansammlungen
birgt. Um dem entgegen zu wirken,
wurden in die Drittelpunkte jeden
Stockwerkes, d. h. für 16 bis 18 Stu-
denten, eine Gruppe mit WCs,
Brause- und Wannenbädern, je einer
Tceküche mit Eisschränken, Elek-
trokochplatten und Abwäsche, so-
wie pro Stockwerk eine Schuhputz-
kamrner und ein Bügelzimmer ge-
legt. Die Zimmer der Studenten
enthalten jeweils nur ein oder zwei
Betten. jedem Studenten stehen
nebst Bett, Nachtkästchen, Bücher-
bord und Kasten auch ein Arbeits-
tisch zur Verfügung. Den verschie-
denen Studienrichtungen angepaßt
wurden z. B. für Techniker und Ma-
ler größere Räume vorgesehen und
die Zimmer der Musikstudenten aus
Lärmgründen noch durch separate
Zwischenflure von den Gängen ge-
trennt. Von der Heimleitung geht
zur leichteren Verständigung eine
elektrische Rufanlage in jedes Zim-
mer. Zum Studentenheim gehören
noch eine Kapelle, Klub- und Spiel-
zirnmer, eine Küchenanlage mit
Kühlräumen und eine Studenten-
mensa mit Bar, eine Waschküche
und diverse Personalzimmer. - Das
im ersten Stock befindliche „Inter-
nationale Kulturzentrum" hat einen
großen Festsaal mit Klimaanlage
und Bühnen- und Filmeinrichtungen,
ein Foyer samt Büfett und Kleider-
ablage und mehrere Mehrzweck-
säle. Studentenheim und Kultur-
zentrum sind voneinander gänzlich
durch eigene Zugänge und Stiegen
getrennt, nur der Festsaal und die
Kapelle sind von beiden Bereichen
zugänglich gemacht.
Diesem unkonventionellen Raum-
programm und einer sehr indivi-
duellen Anordnung der Räume ent-
sprechen auch die verwendeten Ma-
terialien, die in besonderem Maß
geeignet sind, eine persönliche At-
mosphäre zu erzeugen und keinen
kasernenartigen Eindruck aufkom-
men zu lassen. In den Gängen
wurde schallschluckender, schwar-
zer Asphalt als Bodenbelag verwen-
det, dazu kontrastiert die ricmen-
artig verlegte, abgesenkte Decken-
untersicht aus Tannenholz als orga-
nisches Material. Aus dem gleichem
Grund wurden auch fast alle Türen
mit Lärchenholz furniert, das durch
seine Maserung und Farbe keine
Gleichförmigkeit zuläßt. Die Wand-
malerei aller Räume ist in intensi-
ven, schönen Farben zusammen mit
Weiß- und Grautönen gehalten, die
jedem Zimmer trotz der aus Billig-
keitsgründen gleichen Möblierung
einen eigenen Charakter verleihen.
Auch die maßvolle Verwendung von
Nirostaflächen, Möbellinol, Natur-
steinplatten, ungebleichten Leinen-
Vorhängen usw. dienen einer zweck-
mäßigen, klaren Architektur.
Wie die Auswahl der Materialien
und ihre Zusammenstellung unse-
rer Zeit entsprechen, so wurden
auch die Konstruktionen aller neuen
Teile mit den heutigen Mitteln und
Möglichkeiten durchgeführt. Als
Beispiele seien einige besonders
augenfällige Details erwähnt.
Aus organisatorischen Gründen
mußte ein neues Stiegenhaus ein-
gebaut Werden. Es war die Absicht,
nicht nur funktionell die richtige
Stelle dafür zu finden, sondern auch
die barocke Hoicinfahrt dafür her-
anzuziehen. - Die vorhandenen,
etwa 1m dicken Mauern forderten
geradezu zum Kontrast durch gra-
zile, das Material bis zur äußersten
Belastbarkeit beherrschende Kon-
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