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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 46)

ERICH EGG 
Die Ausstellung „EDELZlNN AUS DER SAMMLUNG 
DR. KARL RUHMANN" im Tiroler Landesmuseum 
lierdinandeum 1960 hat die Gelegenheit geboten, ein 
Gebiet des Kunsthandwerks in den Vordergrund zu stel- 
len, das in einer großen Ausstellung noch kaum zu 
sehen war, obwohl das lnteresse des Publikums am alten 
Zinn heute noch sehr groß ist. Dieser Mangel, daß Zinn 
fast nie zu eigenen Ausstellungen vereinigt wurde, hat 
einen zweiten Nachteil mit sich gebracht: es gibt kaum 
eine zusammenfassende, regional gegliederte Literatur 
über dieses Kunsthandwerk. Zinn ist überhaupt erst seit 
1884 in die wissenschaftliche Literatur „eingedrungen". 
Eingehend behandelt wurde nur das sächsische, schle- 
sische, nürnbergische, böhmische, französische und salz- 
burgische Edelzinn. Das österreichische Zinn, im Sinne 
der heutigen Grenzen, wurde nie gewürdigt. 
Die Zinnsammlung Dr. Karl Ruhmann ist nach dem 
Verkauf und der Zerstörung der berühmten Zinnsamm- 
lungen in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts die be- 
deutendste private Zinnsammlung überhaupt. Sie be- 
schränkt sich keineswegs auf Österreich, sondern umfaßt 
Werke aus allen Epochen und allen „Zinnländern" Eu- 
ropas. Sie ist streng auf das Edelzinn, das heißt auf 
Werke ausgerichtet, die eine in diesem Material höchst- 
mögliche künstlerische Gestaltung aufweisen. Auf alle 
nur volkskundlich oder kulturgeschichtlich interessanten 
Stücke wurde verzichtet. Unter diesen künstlerisch ge- 
stalteten Objekten sind wahre Zimelien europäischer 
Zinnkunst. Der Katalog dieser Ausstellung führt in 109 
Abbildungen einen Großteil der 187 Ausstellungsobjekte 
vor. 
Hier soll in zwei kurzen Beiträgen nur das aus Oster- 
reich stammende Edelzinn i.n dieser Sammlung be- 
sprochen werden. Der derzeitige Stand der wissenschaft- 
lichen Forschung bietet noch keine Möglichkeit, eine 
Geschichte des österreichischen Zinns zu schreiben, weil 
die Bestände der österreichischen Museen und im Privat- 
besitz nicht erfaßt sind. Außerdem hat die föderalisti- 
sehe Verfassung der einstigen Erb- und heutigen Bundes- 
länder, die mehr oder weniger nur in der Person der 
habsburgischen Herrscher das Gemeinsame betonten, 
keine rein „österreichische Kunst" aufkommen, sondern 
in den einzelnen Ländern eigene Stilformen entstehen 
lassen. Allerdings macht gerade diese Vielfalt den Reiz 
der Kunst in Österreich aus. 
Wenn man die alten Länderkomplexe - Niederöster- 
reich (Ober- und Niederösterreich), lnnerösterreich 
(Kärnten, Steiermark) und Tirol mit dem allerdings erst 
1815 dem österreichischen Gebiet eingegliederten Salz- 
burg - betrachtet, so ergibt sich bei aller Vielfalt 
doch auch wieder manches Gemeinsame. Die Sammlung 
Ruhmann ist wahrscheinlich die erste, die Österreich ihr 
besonderes Augenmerk zuwendet, aber trotzdem ist es 
nicht leicht, aus dem vorhandenen Material Gültiges über 
das österreichische Zinn auszusagen. 
O b e rö s t e r r e i e h hatte bedeutende Zinngießerstiidte, 
denn an die Stadt war das Handwerk der Zinngießcr un- 
bedingt gebunden, war doch das Zinn das „Silber des 
Bürgers". Wels, LinZ, Steyr und Ried waren die Vororte 
für das Edelzinn. Ein typisches Werk des 16. Jahrhun- 
derts ist der Zunithumpen der Schneider von Abraham 
Bück in Steyr von 1575 (Abb. 1), eben eines jener großen 
Umtrunkgefäße, mit denen sich die Handwerksgenossen 
Bescheid taten. Bezeichnend für den llumpen sind die 
drei Füße (hier als Löwen gebildet) und die hohe koni- 
sche Form, deren Wandung reich mit gravierten Blatt- 
ranken besetzt ist und in der Mitte ein Festmahl mit 
Tafelmusik und Narrenspiissen zeigt. Die Frage nach 
dem Graveur ist hier wie überall schwer zu beantworten, 
im allgemeinen wird man aber wohl doch dem Zinn- 
gießer auch die Dekoration zuerkennen müssen. 
Das 17. Jahrhundert vertritt Hieronymus Ledermayr in 
Wels (um 1630), einer der bedeutendsten österreichischen 
Zinngießer überhaupt. Von ihm stammt das „Krügel" 
(Deckelkrug), eine für Ober- und Niederösterreich typi- 
sche Form des Trinkgefäßes, wie ja der Begriff „Krügel" 
eine echt österreichische Sache ist (Abb. 2). Ledermayr 
versteht es, die Dekoration mit Blüten und Ranken 
großflächig und damit beinahe klassisch zu gestalten. 
Der Teller mit seiner Marke ist ein Unikum (Abb. 3). Er 
zeigt am Rand auf gerauhtem Grund herausgeschnittene 
antikische Ornamente (Maskenköpfe und Akanthus). So- 
wohl die im Zinn ganz seltene Technik des Flachschnit- 
tes als auch die Ornamentik lassen einen Italienaulent- 
halt Lcdermayrs als ziemlich sicher gelten. 
Kennzeichnend für das 18. Jahrhundert steht die Kaffee- 
kanne des Linzcr Meisters Andreas Bück (um 1730; 
Abb. 4). Die birnförmige Gestalt, der Bandelwerkdekor 
und die kulturgeschichtliche Neuheit des Kalfeegetränks 
bezeugen den Wandel von Geschmack und Stilgelühl. 
Für Niederösterreich war im Edelzinn natürlich 
Wien bestimmend, obwohl diese Stadt keineswegs etwa 
die Stellung Augsburgs oder Nürnbergs erreichen konnte. 
Ein niederes Deckelkrügel von Hans Hainzmann aus der 
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Abb. 5) gliedert sich 
in die österreichische Gesamtentwicklung gut ein, ein 
Waschbecken aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 
(Abb. 6) ist stark von der Plastik der damaligen Zeit 
beeinflußt. Auf dem Muschelrand sitzt ein von zwei 
Delphinen gestützter, geflügelter Putto, für den bestimmt 
nicht der Zinngießer, sondern ein Bildhauer das Modell 
geformt hat. Die Blütezeit der österreichischen Barock- 
kunst findet auch im Edelzinn einen Widerhall, wenn 
damit auch der eigentliche Charakter dieses Kunsthand- 
werks nicht zum Ausdruck kommt. Der höfische Ein- 
fluß erfaßte alle Zweige künstlerischer Betätigung. 
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