ÖSTERREICHISCHES EDELZINN II
ERICH EGG
Die Sammlung Karl Ruhmann
l)ie am wenigsten mit dem Begriff „Österreichische
Kunst" faßbare Ländcrgruppe umfaßt Salzburg und Ti-
rol. Das bajuwarischc Element in der Bevölkerung und
die große Entfernung von der geschlossenen österreichi-
schen Ländergruppe ließen hier eine stärkere eigene
Note entstehen. Tirol wurde durch lange Zeit von einer
habsburgischen Nebenlinie regiert und hat am politi-
schen Geschehen Osterreichs wenig Anteil gehabt, Salz-
burg war überhaupt bis zur napoleonischen Zeit ein selb-
ständiges geistliches Fürstentum außerhalb des habsbur-
gischen Machtbereiches. So entwickelte auch das Edel-
zinn hier andere Formen. Der süddeutsche Einfluß ist
dabei unverkennbar. Für die Tiroler Stücke zur Ausstel-
lung „Edelzinn" im Tiroler Landesmuseum Ferdinan-
deum wurden außer der Sammlung Dr. Ruhmann auch
Objekte der Sammlung Hofrat Dr. Karl Moeser, Inns-
bruck, herangezogen.
Die regen. vom Bergbau bedingten Handelsbeziehungen
mit Nürnberg und Augsburg wirkten sich auch in der
Kunst Tirols aus. Besondere Qualität zeigt ein Teller
des Innsbruckcr Hofzinngießers Nikolaus Yenpacher, um
l570[8O (Abb. i), der in der Dekoration mit Ranken und
Flechtwerk die Blütezeit der Hochrenaissance am Inns-
brucker Hof verrät. Eine Kanne des Klarissenklosters
Meran von Ludwig Paul 1582 (Abb. 2) vertritt den Haupt-
typ des tirolischen und salzburgischen Trinkgefäßes ge-
genüber dem österreichischen „Krügel": die hohe koni-
sche Form. Die Dekoration ist figural mit Wappen und
Figuren ausgestaltet. Ohne Zweifel steckt in diesem Ge-
fäß noch die gotische Form. Meran war neben Innsbruck,
Hall, Brixen, Bozen und Rattenberg ein Zentrum des Ti-
roler Zinngießerhandwerks.
Ein besonders interessantes Stück ist der Reliefteller des
Innsbrucker Hofzinngießers Jakob [lasse 1630 (Abb. 3).
Hasse war wegen seines katholischen Glaubens aus
seiner ostpreusischcn Heimat Braunsberg vertrieben (es
gab also nicht nur Protestantenausweisungenl) und in
Innsbruck ansässig geworden. Sein Weg führte ihn über
Nürnberg, dem Zentrum der Erzeugung von Reliefzinn.
Nach dem Muster der Nürnberger Meister (Veit Zipfler,
Jakob Koch etc.) schuf er den Araheskendekor dieses
Tellers. Er dürfte das einzige bekannte Stück dieser
Dckorationsart außerhalb Nürnbergs sein.
Auch S a l z b u rg war ein ausgesprochenes „Zinnland"
und seine Zinngießer erhielten schon 1487 ihre erste
Handwerksordnung. Die Blütezeit setzte, wie allgemein
beim Edelzinn, um 1550 ein. Zu den älteren Stücken ge-
hört ein Deckelkrug des Salzburger Meisters Balthasar
Veiehtner von 1560 (Abb. 4). Er zeigt die den tirolischcn
Kannen ähnliche hohe, konische Form, einen aus Strei-
fen aufgebauten Rankendekor und im Mittelmedaillon
einen Hirsch. Auf dem Deckel sitzt ein gegossener Löwe.
Ein ähnliches, in der äußeren Form besonders elegantes
Stück ist die Deekelkanne des Meisters ll. G. aus Hallein,
um 1600 (Abb. S). Die geflechelte Dekoration besteht
hier aus um den Körper gewundenen Rankenstreifen, die
von waagrechten, schaehbrettartigen Zonen eingefaßt
werden. An den Boden- und Deckelrändern ist eine wei-
tere Technik des Zinngusses, die Punzierung mit Pal-
metten, angebracht. Die Dekoration der Zinngießer
kennt im Wesentlichen nur drei Techniken: Das flache
Relief aus der Gußform, das Einschlagen von gleicharti-
gen Dekorationsleisten durch Punzen und das Gravieren
mit dem Stichel.
Künstlerische Feinheit zeigt die viereckige Schraubfla-
sche von llans Sieghardt von Salzburg 1620 (Abb. 6).
Schraubflasehen oder Pitsehen, die zum Aufbewahren von
Wein dienten, sind im österreichischen Raum besonders
häufig anzutreffen, ohne daß sie als typisch für Oster-
reich allein angesehen werden können. Die großen und
ebenen Flächen der Schraubflasche boten dem Graveur
günstige Möglichkeiten für die Anbringung des Dekors.
Dabei wurde selten Rankenwerk verwendet, meist ent-
standen richtige Bilder. Die Salzburger Schraubflasche
zeigt daher zwei Wappen, einen Mann, der einen großen
Fisch gefangen hat, einen jäger mit einem Hasen, eine
Frau, die am Spieß ein Ferkel und eine Ente brät und
einen Mann bei der Falkenbeize.
Die Freuden der Jagd und Fischerei gaben das Motiv für
den Künstler, der wohl nicht unter den Zinngießern,
sondern unter den Malern zu suchen sein wird. Die Dar-
stellung weist eine die übliche Dekorationsart überra-
gende Qualität auf und dürfte daher einem Maler zuzu-
weisen sein. Die Maler haben damals auch Harnische
geätzt und Kupferstiehe angefertigt und waren daher mit
der Stichelarbeit vertraut. Allerdings sind solche feine
Gravierarbeiten an Zinngefäßen ziemlich selten, so daß
die übliche Verzierung, besonders in der Flechelmanier,
sicher von den Zinngießern selbst ausgeführt wurde. lm
städtearmen Salzburger Land waren Salzburg und llal-
lein die dominierenden Mittelpunkte des Zinngießer-
handwerks, aber auch hier hat man den Eindruck, daß
eine eigene salzhurgische Note herrscht, die in der koni-
schen Kanne eher mit Tirol als mit dem übrigen Öster-
reich verbunden ist.
Die Ausstellung in Innsbruck hat mit der „Edelzinn"-
Schau ihre Absicht voll erreicht: heute, wo die Wert-
schätzung des sogenannten Kunstgewerbes immer mehr
in den Vordergrund tritt, auf die hohe Qualität und den
Formenreichtum des Edelzinns aufmerksam zu machen
und damit das Interesse auf diesen typisch deutschen
Zweig der angewandten Kunst zu lenken, dessen Objekte
in Privatsammlungen und Museumsdepots ein verborge-
nes Dasein führen.
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