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IN UNSERER FORTLAUFENDEN ARTIKELSERIE ZUR "OST
HUNDERTS" VEROFFENTLICHEN WIR DEN 59. AUFSATZ
ERREICHISCHEN KUNST DES 20.
JAHR.
CARL OTTO CZESCHKA
HANS ANKWiCZ VON KLEHHOVIZN
Hinter der schlichten Signatur
„C. O. C." verbarg sich einer der
feinsten Künstler, die Österreich in
neuerer Zeit hervorgebracht hatte:
derunvergleichliche Maler und Gra-
phiker Carl Otto Czesehkn.
Hatte ihn uns auch das Schick-
sal bereits in jungen jahren nach
Hamburg entführt, so bewahrte
er sich doch genug Kontakt mit
der Heimat, um sich auch hier
nach mancherlei Richtungen hin
Ansehen und Erfolg zu sichern.
Als Sohn eines Wiener Tisch-
lers am 22. Oktober 1878 geboren
und durch vier jahre Schüler der
Malklasse Griepenkerl an der Wic-
ner Akademie, zog es ihn dennoch
nicht wie so viele seiner Kollegen
zum Porträt und Frcsko, sondern
zur dekorativen Malerei und zum
Buchschmuck, wozu ihn seine Freu-
de an exakter Zeichnung besonders
befähigte. 1907 wurde er Mitarbei-
ter der „Wiener Werkstätte" und
hatte da genügend Gelegenheit, sei-
ne eminente dekorative Begabung
auf dem Gebiete der Gold- und Sil-
berschmiedekunst, aber auch der
Buchillustration zu betätigen. Von
ihm stammt der Entwurf zur sil-
bernen Kassette, die im jahre 1906
als Geschenk der Pilsener Skodiv
werke dem Kaiser von Osterreieh
überreicht wurde, ferner die manns-
hohe Vitrine aus Silber, Email, Perl-
mutter, Elfenbein und Halbedelstei-
nen fiir L. Wittgenstein in Wien.
Vollendete Präzision der Ausfüh-
rung zeichnete auch Czcschkas
buehkünstlerische Entwürfe aus wie
die von ihm mit prachtvollen Holz-
schnitten ausgestattete Festschrift
„Zur Feier des einhundertjährigen
Bestandes der k. k. Hof- und Staats-
druckcrei, Wien, November 1904"
oder die reizvoll illustrierten Bände
der Gerlachschen jugendbücherei.
Aus dem Oktavbändchen mit den
Kcim'schen „Nibelungcn" sei hier
als Probe auf das stilvolle Doppel-
blatt mit dem über die weißen Wo-
genkämme gleitenden Segler hinge-
wiesen; in der dem Künstler wohl-
vertrauten germanischen Ornamen-
tik schwelgen drei in meinem Be-
sitz befindliche wunderschöne Pin-
selzeiehnungen zum Tristan-The-
ma: Tristan und Isolde am Schiffe,
Tristan und Isolde im nächtlichen
Walde zwischen goldenen Rehe-n
und Hirschen, sowie Isoldcns Lie-
bestod. Alle drei Blätter sind sig-
niert und von 1917 datiert. Eine
reizende Zeichnung aus meiner
Sammlung mit einem weiblichen
Akt von besonderm Liebreiz trägt
die Jahreszahl 1909. Auf kräftiger
Kontrastwirkung ist ein Holzschnitt
von 1902 mit der Gestalt eines am
Fenster sitzenden alten Bauern auf-
gebaut, den Ludwig Abels in der
Zeitschrift „Die Kunstwelt" publi-
zierte. Wahre Meisterwerke graphi-
scher Feinkunst repräsentieren die
vier Exlibris, die wir von Czeschka
besitzen: das mit dem Monogramm
COC und der Jahreszahl 1909 ver-
sehene prachtvolle Bücherzeichen
für Emma Bacher, die spätere Gat-
tin Richard Tesehners, das in zwei-
facher Ausfertigung (5,5 27,5 cm und
11:15cm) existiert; das mit dem
Motto „Carpe diem" versehene Bü-
cherzeichen Adolf Gluenstein (8,9:
15,1), das Exlibris für die Lessing-
Gescllschaft E. V. Hamburg (7,3 :
12,5) sowie das Exlibris Walter Ha-
ne (8183).
Daß ein Künstler von solch ausge-
sprochen dekorativer Begabung sich
auch auf dem Gebiete des Gobelins
bewähren mußte, bedarf keiner Fra-
ge und so steht der von der Gattin
des Künstlers Frau Martha Czesch-
ka 1925 für den Hamburger Samm-
ler Siegmund Gildemeister gewebte
Gobelin (SO Kettfäden auf 10 cm,
schlitzlos gewebt) ob der Erlesen-
heit der Ausführung und der Schön-
heit der Komposition in der vorder-
sten Reihe moderner Wirkteppichc.
Aus einer an mich gerichteten
handschriftlichen Mitteilung C. O.
Czesehkas vom 17. Februar 1944
ergibt sich über die Schicksale des
Gobelins bzw. der danach angefer-
tigten, hier reproduzierten Photos
nachfolgender Tatbestand: „Fotos
aus meinem ehemaligen Atelier a.
d. Hansischen Hochschule für bild.
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