mit ihm sprach. Es war ein heftiger
Auftritt und böser Abgang. Ich em-
pfahl ihrn, sich mit seinem Sohn
darüber auseinander zu_ setzen -
Koko kam aber doch, worauf ich
gar nicht mehr rechnete.
Im Oktober wies ich Koko einen
großen Tisch an - am licnster.
Sein Nachbar war Kalvach, der
Kroate, der Sohn eines sympathi-
schen, braven Lokomotivführers.
Kalvach hatte starke künstlerische
Eigenart, recht begabt, auch arm.
Bald machte Koko solche Sachen
wie Kalvach. Gott! ich mußte die-
ser Mimose von Koko langsam bei-
bringen, daß er auf ganz falschen
Wegen sei, daß man so etwas nicht
tun soll, sondern sein inneres Ich
finden solle. Da er sehr wenig von
Kunst gesehen hatte, müsse er sich
viel ansehen und die Probleme zu
ergründen suchen. Graphische Din-
ge-Übersetzungen, Vereinfachungen
bis zu einer Niederschrift des Dar-
zustellendcn, waren ihm ein böh-
miscbes Dorf. Ganz langsam fand
er sich, ohne daß er es merkte,
konnte ich ihn zu Arbeiten bringen,
die er heute noch in seinen Aus-
stellungen zeigt.
Interessant ist für mich folgendes:
er hatte mich voriges Jahr aufge-
sucht, wir sprachen über Wien und
Klimfs Werke. ich sprach von dem
wundervollen Bild Klimts - ganz
kleines Format mit den vielen Por-
träts im TheaterfOper? Es war (um
1902?) in den unteren Räumen des
Künstlerhauses ausgestellt, als ich
im 1. Stock meine Ausstellung
hatte. Wie viel feine Empfindungen
er damals hatte, daß dies ebenso
wie mir unauslöschlich im Gedächt-
nis hängen blieb - Koko hat den
Bürgermeister vier oder fünfmal ge-
malt, bis ihm ein B ild gelang. Sei-
ner Frau hat er erzählt, daß ich
für ihn ein Vorbild gewesen wäre
in Kleidung etc., er hätte sich das
gewünscht so sein zu können ein-
mal! - Seine Aufgeschlossenheit
von heute gegenüber der Verschlos-
senheit von damals war für mich
überraschend. Allerdings war er da-
mals dürftig und ewig arm - auch
als ich schon in Hamburg war, bot
er mir farbige Blätter an, die ich
an den Mann bringen sollte oder
vielleicht einen Verleger fände, der
Lust hätte, sie herauszubringen mit
weiterer Folge von Märchenbildern.
Also ein Bilderbuch! Hamburg ist
der letzte Ort für solche Sachen. Es
muß ihm so um 1910-1912 recht
schlecht gegangen sein, denn er bat
mich, vorstellig zu werden wegen
einer Hilfslehrerstelle an der hamb.
Kunstgewerbcschule, was ganz un-
möglich gewesen wäre damals, nicht
nur wegen des Direktors, sondern
wegen des Zwiespalts, in dem er
sieh dauernd befunden hätte, unter
dem Druck des betreffenden Ab-
teilungsleiters den Putzlaputz abge-
ben zu müssen. ich habe ihm das in
einem Schreiben klarzumacben ver-
sucht. Und es war gut so, daß sich
das alles schicksalmäßig entwik-
kelte, wie es sein mußte.
Es hat mich gefreut, als llermann
Bahr, der mich in Hamburg auf-
suchte, über Koko so interessantes
zu erzählen wußte. Er war also ge-
rettet und im Aufstieg. Wie ich
später durch Bahr hörte, war der
Kunsthandel interessiert - Mün-
chen. dann Berlin. - Als er voriges
jahr den Bürgermeister Brauer mal-
te, hörte er zufällig im Gasthaus
in der Nähe des Rathauses von
einem früheren Schüler von hier,
der bei mir 5 Jahre war bis 1914,
dem Maler Rodewald (die Graphi-
ker sind alle Maler geworden _
im Gegensatz von mir, der an der
Wiener Akademie als Maler, bei
Griepenkerl ausgebildet wurde,
Graphiker wurdel). daß ich hier
noch lebe! - ljr wollte sofort los,
um mich aufzusuchen. Er kam am
nächsten Tag. Seit 1907, als ich von
Wien fortging, also nach 4-} Jahren
hatten wir uns erst wiedergesehen!
Er war erstaunt, daß ieh im Äuße-
ren und in der Art. mich zu geben,
derselbe geblieben sei. wie er mich
von damals in der Erinnerung
kannte - nur weiße Haare hätte
ich bekommen. Er sagte meiner
Frau: Auch dieselbe Art des Spre-
chens wäre geblieben - Laut, das
zu sagen, was den Sinn der Sache
beträfe - leiser, die nebensächli-
chen E därungen. Die Haltung, wie
ich die Zigarre rauchte - wie da-
mals in Wien! - Dieses Stück [lei-
mat in Hamburg wiederzufinden -
war für ihn - da er ja in der Frem-
de seit Jahrzehnten lebt - auch
keine Wienerin, sondern eine Pra-
gerin zur lirau hat - sehr freudea
voll! Ebenso für mich! - Mit
einem Vorwurf, warum ich ihn da-
mals nicht malen ließ - sagt er -
„Glaub mir, ich möcht 150 Jahre
leben. damit ich alles das malen
könnt, was ich noch gern malen
möcht", wenn nicht vorzeitig ein
Halt wird und dann „aus ist's" -
wie Klimt am Ende sagte. - Wir
küßten uns und verabschiedeten uns
- glaube ich, für immer. Er wollte
wiederkommen - er war oft in der
Nähe, an der Schule. - kam aber
nicht! - Meine Frau fehlt mir _
ich bin -- trotz meiner Arbeit -
ganz einsam.
Bitte grüßen Sie vielmals herzlichst
Hoffmann und seine liebe Frau
Karla!
Ich hoffe Sie bei bester Gesundheit
und grüße Sie herzlichst
lhr lhncn ergebener G. O. Czesehka,"
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