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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 47)

mit ihm sprach. Es war ein heftiger 
Auftritt und böser Abgang. Ich em- 
pfahl ihrn, sich mit seinem Sohn 
darüber auseinander zu_ setzen - 
Koko kam aber doch, worauf ich 
gar nicht mehr rechnete. 
Im Oktober wies ich Koko einen 
großen Tisch an - am licnster. 
Sein Nachbar war Kalvach, der 
Kroate, der Sohn eines sympathi- 
schen, braven Lokomotivführers. 
Kalvach hatte starke künstlerische 
Eigenart, recht begabt, auch arm. 
Bald machte Koko solche Sachen 
wie Kalvach. Gott! ich mußte die- 
ser Mimose von Koko langsam bei- 
bringen, daß er auf ganz falschen 
Wegen sei, daß man so etwas nicht 
tun soll, sondern sein inneres Ich 
finden solle. Da er sehr wenig von 
Kunst gesehen hatte, müsse er sich 
viel ansehen und die Probleme zu 
ergründen suchen. Graphische Din- 
ge-Übersetzungen, Vereinfachungen 
bis zu einer Niederschrift des Dar- 
zustellendcn, waren ihm ein böh- 
miscbes Dorf. Ganz langsam fand 
er sich, ohne daß er es merkte, 
konnte ich ihn zu Arbeiten bringen, 
die er heute noch in seinen Aus- 
stellungen zeigt. 
Interessant ist für mich folgendes: 
er hatte mich voriges Jahr aufge- 
sucht, wir sprachen über Wien und 
Klimfs Werke. ich sprach von dem 
wundervollen Bild Klimts - ganz 
kleines Format mit den vielen Por- 
träts im TheaterfOper? Es war (um 
1902?) in den unteren Räumen des 
Künstlerhauses ausgestellt, als ich 
im 1. Stock meine Ausstellung 
hatte. Wie viel feine Empfindungen 
er damals hatte, daß dies ebenso 
wie mir unauslöschlich im Gedächt- 
nis hängen blieb - Koko hat den 
Bürgermeister vier oder fünfmal ge- 
malt, bis ihm ein B ild gelang. Sei- 
ner Frau hat er erzählt, daß ich 
für ihn ein Vorbild gewesen wäre 
in Kleidung etc., er hätte sich das 
gewünscht so sein zu können ein- 
mal! - Seine Aufgeschlossenheit 
von heute gegenüber der Verschlos- 
senheit von damals war für mich 
überraschend. Allerdings war er da- 
mals dürftig und ewig arm - auch 
als ich schon in Hamburg war, bot 
er mir farbige Blätter an, die ich 
an den Mann bringen sollte oder 
vielleicht einen Verleger fände, der 
Lust hätte, sie herauszubringen mit 
weiterer Folge von Märchenbildern. 
Also ein Bilderbuch! Hamburg ist 
der letzte Ort für solche Sachen. Es 
muß ihm so um 1910-1912 recht 
schlecht gegangen sein, denn er bat 
mich, vorstellig zu werden wegen 
einer Hilfslehrerstelle an der hamb. 
Kunstgewerbcschule, was ganz un- 
möglich gewesen wäre damals, nicht 
nur wegen des Direktors, sondern 
wegen des Zwiespalts, in dem er 
sieh dauernd befunden hätte, unter 
dem Druck des betreffenden Ab- 
teilungsleiters den Putzlaputz abge- 
ben zu müssen. ich habe ihm das in 
einem Schreiben klarzumacben ver- 
sucht. Und es war gut so, daß sich 
das alles schicksalmäßig entwik- 
kelte, wie es sein mußte. 
Es hat mich gefreut, als llermann 
Bahr, der mich in Hamburg auf- 
suchte, über Koko so interessantes 
zu erzählen wußte. Er war also ge- 
rettet und im Aufstieg. Wie ich 
später durch Bahr hörte, war der 
Kunsthandel interessiert - Mün- 
chen. dann Berlin. - Als er voriges 
jahr den Bürgermeister Brauer mal- 
te, hörte er zufällig im Gasthaus 
in der Nähe des Rathauses von 
einem früheren Schüler von hier, 
der bei mir 5 Jahre war bis 1914, 
dem Maler Rodewald (die Graphi- 
ker sind alle Maler geworden _ 
im Gegensatz von mir, der an der 
Wiener Akademie als Maler, bei 
Griepenkerl ausgebildet wurde, 
Graphiker wurdel). daß ich hier 
noch lebe! - ljr wollte sofort los, 
um mich aufzusuchen. Er kam am 
nächsten Tag. Seit 1907, als ich von 
Wien fortging, also nach 4-} Jahren 
hatten wir uns erst wiedergesehen! 
Er war erstaunt, daß ieh im Äuße- 
ren und in der Art. mich zu geben, 
derselbe geblieben sei. wie er mich 
von damals in der Erinnerung 
kannte - nur weiße Haare hätte 
ich bekommen. Er sagte meiner 
Frau: Auch dieselbe Art des Spre- 
chens wäre geblieben - Laut, das 
zu sagen, was den Sinn der Sache 
beträfe - leiser, die nebensächli- 
chen E därungen. Die Haltung, wie 
ich die Zigarre rauchte - wie da- 
mals in Wien! - Dieses Stück [lei- 
mat in Hamburg wiederzufinden - 
war für ihn - da er ja in der Frem- 
de seit Jahrzehnten lebt - auch 
keine Wienerin, sondern eine Pra- 
gerin zur lirau hat - sehr freudea 
voll! Ebenso für mich! - Mit 
einem Vorwurf, warum ich ihn da- 
mals nicht malen ließ - sagt er - 
„Glaub mir, ich möcht 150 Jahre 
leben. damit ich alles das malen 
könnt, was ich noch gern malen 
möcht", wenn nicht vorzeitig ein 
 
 
Halt wird und dann „aus ist's" - 
wie Klimt am Ende sagte. - Wir 
küßten uns und verabschiedeten uns 
- glaube ich, für immer. Er wollte 
wiederkommen - er war oft in der 
Nähe, an der Schule. - kam aber 
nicht! - Meine Frau fehlt mir _ 
ich bin -- trotz meiner Arbeit - 
ganz einsam. 
Bitte grüßen Sie vielmals herzlichst 
Hoffmann und seine liebe Frau 
Karla! 
Ich hoffe Sie bei bester Gesundheit 
und grüße Sie herzlichst 
lhr lhncn ergebener G. O. Czesehka," 
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