MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 47)

1 Sitzende Negerin, O1, 1959. 
2 Figuren in einer Landschaft, Ol, 
1959. Österreichische Galerie. 
 
Ferne, die auch der längste Arm und der längste Pinsel nie erreicht hätten. Und 
das ist schon einer der Unterschiede: Kokoschka hat seinen Pinsel auf die Reise 
geschickt, der dann zum weiten Schwung ausholte in Lyon oder am Rande der 
Wüste oder der eine riesige Armbewegung machte, mit der er die ganze Pariser 
Oper cinsteckte. 
Eisler bleibt in seiner Stube. Ich vermute, daß ihm das Wort „kosmisch" ebenso 
verdächtig ist wie mir. Und wenn er eine Landschaft malt (aber es sind Figuren in 
einer Landschaft, die ursprünglich eine Familie in einer Landschaft waren), auch 
dann ist die Lichtung eine Stube im Wald. Bei Kokoschka holt der Pinsel den Raum 
ein, ganz atemlos ist er von der Hetzjagd... Bei den Romantikern pflanzte der 
Pinsel dem raumsüchtigen Gemüt ein Unendlichkeitsgefühl ein. Bei Eisler bleibt 
der Raum immer in einer Nähe, die zu bewältigen möglich ist. Nichts weist über 
sich hinaus. 
Wie fließen nun die Raummöglichkeiten aus dem Pinsel heraus? Es laßt sich 
erkennen, wenn man auf die Beziehungen zwischen Bildraum und Pinselstruktur 
achtet und das Gegenständliche sekundär mitnimmt. Es ist der Pinsel, der sich den 
Raum schafft. Die Zackenläufe des Pinsels behalten die Richtungen der malenden 
Hand vor der Leinwand bei, der Raum vor der Leinwand wirkt in den Malraum 
hinein, beide Räume durchstoßen sich. Das ist gar nicht so selbstverständlich. 
Klar wird der Unterschied zu den „Schlüssellochbildern" vorn 16. bis zum 19. jahr- 
hundert, dort weitet sich nach dem Durchschreiten des Rahmens die Welt. Und das 
geschieht auch letzten Endes noch bei den klassischen Expressionisten. 
Die abstrakten Expressionisten haben dagegen andere Formulierungen bereit. Doch 
vorerst zurück zu Eisler. 
Der hochgezogene, verschlossene Horizont ist nur ein Hilfsmittel, nicht mehr. Aber 
der Raum ist überall, vor allem ist er zwischen den Pinselflecken. Sie überlagern 
sich deutlich, sie sind separiert und sie stemmen den Farbraum auf, einen schmalen, 
vielfältig ineinandergreifenden Raum, der zum Bildraum wird, aber nie zum per- 
spektivischen Tiefenraum. 
Ein Wort, das Eisler selber gebraucht, ist „Auffächerung". Sehen wir zu. Der 
Schatten kriecht unter das Gesäß der Negerin. Der Hocker, auf dem sie sitzt. 
stumplt sich zurück, das gedämpfte Eck und der Bremsraum sind von verwandtem 
Geiste. 
Farbige Flecken, Licht- und Schattenflecken kann man klar unterscheiden. Der 
Unterarmschatten wölbt sich vor, fließt in den Schoß und setzt sich hier in Kontrast 
zu den aulgetupiten Lichtern des Knies. In die Kniekehle bricht der Schatten ein. 
Tupfen und Striche überkreuzen einander gegenläufig. Derselbe Schattenstrich, 
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