MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 48)

 
Räumen befinden sich Grillparzers 
Meldezettel, seine Visitkarte, Ta- 
baksdose und andere Erinnerungs- 
gegenstände aus seinem Besitze, un- 
ter denen sich selbst eine Geschäfts- 
karte seines Speisehauses befindet. 
Nicht, daß sie sich erhalten haben, 
ist, was das Museum zeigen will, 
sondern es haut an Hand solcher 
Nebensächlichkeiten die ganze Zeit- 
epoche vor uns auf. 
Die politische Bewegung der Mitte 
des 19. Jahrhunderts revolutionierte 
auch in Kultur und Kunst. Ne- 
hen den Streitschriften Georg 
Ferdinand Waldmüllers gegen 
die Akademie und ihre Lehr- 
methoden ist eine große Zahl seiner 
Bilder ausgestellt. Vielleicht ist hier 
des Guten etwas zu viel getan wor- 
den und das Historische Museum 
in den Bereich eines kunsthistori- 
sehen geraten. Es freut zu sehen, 
welche qualitätvollen Schätze die 
Sammlung besitzt, aber Waldmül- 
lers Landschaften aus dem Salz- 
kammergut u. a. lenken doch vom 
Thema einer historischen Schau 
über die Geschichte Wicns ab. Und 
das gerade dort, wo man z. B. in 
einer Vitrine nur in Photographien 
einen Blick auf die Mode dieser Zeit 
werfen kann. Das Bild der Mode 
lernen wir kennen, aber die Vor- 
stellung davon fehlt. Wohl hat das 
historische Museum seine Bestände 
an Kostümen der Modeschulc der 
Stadt XVien in Schloß Hctzendorf 
leihweise überlassen, aber es wäre 
sicher möglich gewesen, einige dic- 
ser Lcihgaben hier LIUSZUSICIICD. Der 
moderne Muscumshesucher wird zu 
viel von einer Spezialsammlung in 
die andere gejagt und man denkt 
nicht daran, daß diese Zersplitte- 
rung nur zu einem mangelhaften 
Wissen führen kann. So unterstehen 
dem Historischen Museum auch die 
zahlreichen Gedenkstätten, die an 
Beethoven, Schubert, Haydn und 
Mozart erinnern. In der Schaustel- 
lung am Karlsplatz wird dieser un- 
sterblichen Meister fast keine Er- 
wähnung getan. Der Besucher, ob 
er aus dem Auslande kommt oder 
aber ein Einheimischer ist, sucht in 
dem Historischen Museum einen 
Blick auf die Geschichte und die 
Geschicke Wiens werfen zu können 
und erfährt zu wenig von der musi- 
kalischen Tradition dieser Stadt, die 
ja nicht nur durch Lanner und 
Strauß verkörpert wird. 
Wie ein Blitz schlug dann Hans Ma- 
karts dekorative Begabung mit ih- 
rem Feuerwerk von Farben in die 
Malerei und hatte den ganzen Le- 
bensstil becinllußt. Wie Makarts 
Atelier im Gußhaus auf der Wie- 
den, das uns das Bild von Eduard 
Charlemont zeigt, ausgesehen hat, 
waren damals viele der Wiener 
Wohnungen eingerichtet. Die ältere 
Generation kann sich noch der 
schweren Plüschvorhänge und der 
aus getrocknetem Schilf, Schilikol- 
hen, Plaueniedern und Palmwedeln 
zusammengestellten sogenannten 
„Makarthukettsll, der Kleider mit 
geraliten Stoffen und Rüschen, die 
sogar den unvermeidlichen Parasol 
zierten, erinnern. Sie hörte von ih- 
ren Eltern auch noch von dem Hul- 
digungslestzug, der anläßlich der 
Feier der silbernen Hochzeit Kaiser 
Franz Josephs am 27. April 1879 
ganz Wien auf die Beine brachte. 
Die junge Generation aber weiß da- 
von nichts und sie erfährt auch hier 
im Historischen Museum nicht zu 
viel über die Kultur der Makartzeit. 
So stimmungsvoll die Sehaustellung 
einer zeitgenössischen Privatsnmm- 
lung, der Alfred Ritter von Franks, 
auch ist, ein Ersatz für Makart ist 
sie nicht. Trotzdem zeigt gerade 
dieser Raum, wie sich die Gedanken 
mittelalterlicher Kunst- und Wun- 
derkammern im 19. Jahrhundert 
manifestieren. Überhaupt bilden die 
Innenräume, wie das Geymüller- 
und Grillparzerzimmer, der Raum 
Ritter von Frank und das Speise- 
zimmer des Architekten Adolf Loos 
die eindrucksvollsten Schaustücke 
der Aufstellung. jeder dieser Räu- 
me ist Herzstück einer Epoche, um 
die sich die übrigen Schauobjekle 
als bildliche Illustration gruppieren. 
Den Ausklang der historischen 
Üherschau bildet das große Modell 
von Erwin Pendl, das Wien, nach- 
dem die Wälle und Basteien gefallen 
waren, als Großstadt um 1897 
zeigt. Die Zeit nach 1900 wird 
durch Werke der bedeutendsten 
Wiener Maler gezeigt und jedes 
ihrer Bilder repräsentiert eine Stil- 
riehtung. Auf wenig Raum zusam- 
mengedrängt. rollen fast zweijahr- 
hunderte Geschichte an uns vor- 
über. Die gezeigten kultur- und 
kunsthistorischen Dcnkmale im Hi- 
storischen Museum machen immer 
wieder hewuilt, daß auch die Ver- 
gangenheit einmal Gegenwart war. 
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