Räumen befinden sich Grillparzers
Meldezettel, seine Visitkarte, Ta-
baksdose und andere Erinnerungs-
gegenstände aus seinem Besitze, un-
ter denen sich selbst eine Geschäfts-
karte seines Speisehauses befindet.
Nicht, daß sie sich erhalten haben,
ist, was das Museum zeigen will,
sondern es haut an Hand solcher
Nebensächlichkeiten die ganze Zeit-
epoche vor uns auf.
Die politische Bewegung der Mitte
des 19. Jahrhunderts revolutionierte
auch in Kultur und Kunst. Ne-
hen den Streitschriften Georg
Ferdinand Waldmüllers gegen
die Akademie und ihre Lehr-
methoden ist eine große Zahl seiner
Bilder ausgestellt. Vielleicht ist hier
des Guten etwas zu viel getan wor-
den und das Historische Museum
in den Bereich eines kunsthistori-
sehen geraten. Es freut zu sehen,
welche qualitätvollen Schätze die
Sammlung besitzt, aber Waldmül-
lers Landschaften aus dem Salz-
kammergut u. a. lenken doch vom
Thema einer historischen Schau
über die Geschichte Wicns ab. Und
das gerade dort, wo man z. B. in
einer Vitrine nur in Photographien
einen Blick auf die Mode dieser Zeit
werfen kann. Das Bild der Mode
lernen wir kennen, aber die Vor-
stellung davon fehlt. Wohl hat das
historische Museum seine Bestände
an Kostümen der Modeschulc der
Stadt XVien in Schloß Hctzendorf
leihweise überlassen, aber es wäre
sicher möglich gewesen, einige dic-
ser Lcihgaben hier LIUSZUSICIICD. Der
moderne Muscumshesucher wird zu
viel von einer Spezialsammlung in
die andere gejagt und man denkt
nicht daran, daß diese Zersplitte-
rung nur zu einem mangelhaften
Wissen führen kann. So unterstehen
dem Historischen Museum auch die
zahlreichen Gedenkstätten, die an
Beethoven, Schubert, Haydn und
Mozart erinnern. In der Schaustel-
lung am Karlsplatz wird dieser un-
sterblichen Meister fast keine Er-
wähnung getan. Der Besucher, ob
er aus dem Auslande kommt oder
aber ein Einheimischer ist, sucht in
dem Historischen Museum einen
Blick auf die Geschichte und die
Geschicke Wiens werfen zu können
und erfährt zu wenig von der musi-
kalischen Tradition dieser Stadt, die
ja nicht nur durch Lanner und
Strauß verkörpert wird.
Wie ein Blitz schlug dann Hans Ma-
karts dekorative Begabung mit ih-
rem Feuerwerk von Farben in die
Malerei und hatte den ganzen Le-
bensstil becinllußt. Wie Makarts
Atelier im Gußhaus auf der Wie-
den, das uns das Bild von Eduard
Charlemont zeigt, ausgesehen hat,
waren damals viele der Wiener
Wohnungen eingerichtet. Die ältere
Generation kann sich noch der
schweren Plüschvorhänge und der
aus getrocknetem Schilf, Schilikol-
hen, Plaueniedern und Palmwedeln
zusammengestellten sogenannten
„Makarthukettsll, der Kleider mit
geraliten Stoffen und Rüschen, die
sogar den unvermeidlichen Parasol
zierten, erinnern. Sie hörte von ih-
ren Eltern auch noch von dem Hul-
digungslestzug, der anläßlich der
Feier der silbernen Hochzeit Kaiser
Franz Josephs am 27. April 1879
ganz Wien auf die Beine brachte.
Die junge Generation aber weiß da-
von nichts und sie erfährt auch hier
im Historischen Museum nicht zu
viel über die Kultur der Makartzeit.
So stimmungsvoll die Sehaustellung
einer zeitgenössischen Privatsnmm-
lung, der Alfred Ritter von Franks,
auch ist, ein Ersatz für Makart ist
sie nicht. Trotzdem zeigt gerade
dieser Raum, wie sich die Gedanken
mittelalterlicher Kunst- und Wun-
derkammern im 19. Jahrhundert
manifestieren. Überhaupt bilden die
Innenräume, wie das Geymüller-
und Grillparzerzimmer, der Raum
Ritter von Frank und das Speise-
zimmer des Architekten Adolf Loos
die eindrucksvollsten Schaustücke
der Aufstellung. jeder dieser Räu-
me ist Herzstück einer Epoche, um
die sich die übrigen Schauobjekle
als bildliche Illustration gruppieren.
Den Ausklang der historischen
Üherschau bildet das große Modell
von Erwin Pendl, das Wien, nach-
dem die Wälle und Basteien gefallen
waren, als Großstadt um 1897
zeigt. Die Zeit nach 1900 wird
durch Werke der bedeutendsten
Wiener Maler gezeigt und jedes
ihrer Bilder repräsentiert eine Stil-
riehtung. Auf wenig Raum zusam-
mengedrängt. rollen fast zweijahr-
hunderte Geschichte an uns vor-
über. Die gezeigten kultur- und
kunsthistorischen Dcnkmale im Hi-
storischen Museum machen immer
wieder hewuilt, daß auch die Ver-
gangenheit einmal Gegenwart war.
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