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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 48)

DAS CAFE HAWELKA 
MAL 
llerr Leopold llawelka, Kaffeesieder 
in Wien l, Dorotheergasse 6, feiert 
im Laufe dieses Jahres ein drei- 
faches Jubiläum: er wird fünfzig 
Jahre alt, ist seit fünfundzwanzig 
Jahren verheiratet und übt seit 
gleichfalls fünfundzwanzig Jahren 
sein Gewerbe aus. 
Es ist einer Wiener Kulturzeit- 
schrift angemessen, des dreifachen 
llawelka-Juhiläums mit Ernst und 
Rührung zu gedenken. Denn dieses 
Kaffeehaus in der Dorctheergasse 
ist unser einziges, wirklich funk- 
tionierendcs Institut zur Förderung 
junger beziehungsweise unbekann- 
ter Talente auf allen Gebieten der 
darstellenden und schreibenden 
Künste. 
l 
Sehr groß ist es nicht, das Hawelka, 
bei weitem nicht so groß wie einst 
das Cafe Central. Aber wenn es 
auch nicht mehr als fünfhundert 
Kubikmeter umfaßt, enthält es doch 
alles, was der Kaffeehausmensch 
braucht: Plüschbänke, durch ihre 
Marmorierung zum Meditieren an- 
regende Tischplatten, Kleiderstän- 
der, eine ständig besetzte "Felephon- 
zclle, eine Uhr, die langsamer zu 
gehen scheint als alle anderen Uh- 
ren dieser Welt, ein Zeitungs-Ossa, 
auf den ein Zeitschriften-Pelion ge- 
türmt ist, und schließlich eine 
Bronzegruppe, die, wie es heißt, 
Amor und Psyche darstellt. An le- 
bendem Inventar ist das Kaffee- 
sieder-Pttar und ein Ober vorhan- 
den, der dreimal des Tages Aus- 
sehen und Gestalt wechselt, immer 
aber gleich vorzüglich und verständ- 
nisvoll ist. 
Der verbleibende Rest der 500 Ku- 
bikmeter ist teils von Atmosphäre, 
teils von Gästen erfüllt. 
i 
Über die Atmosphäre im llawelka 
kann wenig gesagt werden, denn sie 
ist unbeschreibbar. Vergleichs- oder 
annäherungsweise ließe sich viel- 
leicht behaupten, daß Alfred Kubin, 
wenn er je ein Kaffeehaus zu bauen 
gehabt hätte, eben das Hawelka ge- 
baut hätte. Tatsächlich gemahnt es 
sehr an das Traumkaffeehaus in 
seiner Traumstadt Perle, denn bei 
einem Minimum an Dekoration ist 
es erfüllt von einem Maximum an 
undeutlicher Bedeutung und unge- 
wisser Hintergründigkeit. Schein 
und Sein fließen hier nicht unter- 
seheidhar ineinander: so mancher 
avantgardistische Spitzbart ist ei- 
gentlich ein reaktionärer, so man- 
cher anscheinend geniale Kopf 
wirklich einer. Man kann's nicht 
auseinanderhalten und will es auch 
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