DAS CAFE HAWELKA
MAL
llerr Leopold llawelka, Kaffeesieder
in Wien l, Dorotheergasse 6, feiert
im Laufe dieses Jahres ein drei-
faches Jubiläum: er wird fünfzig
Jahre alt, ist seit fünfundzwanzig
Jahren verheiratet und übt seit
gleichfalls fünfundzwanzig Jahren
sein Gewerbe aus.
Es ist einer Wiener Kulturzeit-
schrift angemessen, des dreifachen
llawelka-Juhiläums mit Ernst und
Rührung zu gedenken. Denn dieses
Kaffeehaus in der Dorctheergasse
ist unser einziges, wirklich funk-
tionierendcs Institut zur Förderung
junger beziehungsweise unbekann-
ter Talente auf allen Gebieten der
darstellenden und schreibenden
Künste.
l
Sehr groß ist es nicht, das Hawelka,
bei weitem nicht so groß wie einst
das Cafe Central. Aber wenn es
auch nicht mehr als fünfhundert
Kubikmeter umfaßt, enthält es doch
alles, was der Kaffeehausmensch
braucht: Plüschbänke, durch ihre
Marmorierung zum Meditieren an-
regende Tischplatten, Kleiderstän-
der, eine ständig besetzte "Felephon-
zclle, eine Uhr, die langsamer zu
gehen scheint als alle anderen Uh-
ren dieser Welt, ein Zeitungs-Ossa,
auf den ein Zeitschriften-Pelion ge-
türmt ist, und schließlich eine
Bronzegruppe, die, wie es heißt,
Amor und Psyche darstellt. An le-
bendem Inventar ist das Kaffee-
sieder-Pttar und ein Ober vorhan-
den, der dreimal des Tages Aus-
sehen und Gestalt wechselt, immer
aber gleich vorzüglich und verständ-
nisvoll ist.
Der verbleibende Rest der 500 Ku-
bikmeter ist teils von Atmosphäre,
teils von Gästen erfüllt.
i
Über die Atmosphäre im llawelka
kann wenig gesagt werden, denn sie
ist unbeschreibbar. Vergleichs- oder
annäherungsweise ließe sich viel-
leicht behaupten, daß Alfred Kubin,
wenn er je ein Kaffeehaus zu bauen
gehabt hätte, eben das Hawelka ge-
baut hätte. Tatsächlich gemahnt es
sehr an das Traumkaffeehaus in
seiner Traumstadt Perle, denn bei
einem Minimum an Dekoration ist
es erfüllt von einem Maximum an
undeutlicher Bedeutung und unge-
wisser Hintergründigkeit. Schein
und Sein fließen hier nicht unter-
seheidhar ineinander: so mancher
avantgardistische Spitzbart ist ei-
gentlich ein reaktionärer, so man-
cher anscheinend geniale Kopf
wirklich einer. Man kann's nicht
auseinanderhalten und will es auch
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