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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 50)

Stutzuhr, die sowohl der künstleri- 
schen Ausführung als auch dem raf- 
finierten Werksaufbau nach zu den 
Höchstleistungen der Wiener Uhr- 
macherci gehört. Es ist ein Skelett- 
werk' mit 8 Tage-Gangdauer, mit 
Viertelstundcnschlag und kleinen 
Hilfszifferbliittern in den Zeigern 
für Datum, Wochentag, Monat und 
Mondphasen, sämtliche mit Schwer- 
kraftantrieb ohne Getriebe zum 
Uhrwerk. Beim Schwerkraftantrieb 
ist hinter dem Zifferblatt eine Masse 
mit Schwerpunkt unter dem Dreh- 
punkt vorgesehen die dauernd nach 
abwärts weist; besonders raffiniert 
ist dabei der Antrieb der Mond-Ku- 
gel, die sich um die Zeigcrachse 
dreht, daher in der Mondkugel einen 
kleinen l-lilfsrahmen und eine Win- 
kelübersetzung erfordert. 
Abb. 3 zeigt eine weitere interes- 
sante Stutzuhr, die ebenfalls für die 
Bestrebungen der Wiener Uhrma- 
cher der Kongrcß-Zeit sehr kenn- 
zeichnend ist. Es ist eine Portal-Uhr 
mit sehr weitgehend getriebener 
Skelettierung, mit 8 "Tage-Gang- 
dauer durch Gewichts-Antrieb - 
einem Raffinement, das besondere 
uhrmacherischc Ansprüche stellt - 
und das von Sammlern hoch ge- 
schätzt wird. Im Pendel sind zur 
Kompensation teilweise mit Queck- 
silber gefüllte Glasröhren verwen- 
det. Leider ist das Uhrwerk nicht 
signiert. Zum Schutz gegen Staub 
dient ein Glassturz, der aber hier 
wie bei den anderen Uhren zum 
Photographieren entfernt worden 
war. 
Abb. 4 zeigt eine andere Wiener 
Stutzuhr mit der Signatur „j os e ph 
Binder in Wien", einer Uhr, 
die starke Anregung durch die kon- 
temporären französischen Kamin- 
uhren zeigt. Gleichzeitig führt sie 
aber auch die hohe Stufe vor Augen, 
die die Wiener Bronzearbcitcn in 
dieser Zeit erreicht hatten; in den 
Proportionen erkennt man bereits 
eine starke Wiener Assimilierung. 
' Als Formuhrcn bezeichnet man kleine, 
als Anhänger oder in der Tasche zu 
tragende Uhren, deren Gehäuse in den 
verschiedensten Formen, die sich die 
Phantasie des Gchäusemaehers nur aus- 
denken konnte, hergestellt waren. Es 
gab Früchte, verschiedene Geb chsge- 
genständc, Musikinstrumente, käfer und 
Schmetterlinge aus Silber, Gold oder 
Halbedelsteinen, häufig mit feiner Email- 
urbeit verbunden. Ein Hauptzentrum für 
die Herstellung solcher Uhren war Genf, 
aber auch in Wien sind ziemlich viel 
gute Formuhren hergestellt worden. 
2 Als ZIlpPlCF bezeichnet man jene klei- 
nen und mittleren Stutzuhren, bei denen 
ein kurzes Pendel vor dem Zifferblatt 
schwingt. Die mittelgroßen Zappler 
scheinen im 18. Jahrhundert in Augs- 
 
Bezüglich Joseph Binder be- 
richtet Dr. Hüfer; joseph Binder 
lernte bei Caspar Brandl in Wien, 
wurde 1802 freigesprochen, er- 
hielt dann Schutzbefugnis, wurde 
1817 Bürger und Meister und 1826 
llofuhrmacher; 1' 1833. Von ihm 
sind zahlreiche Uhren erhalten; 
im ehemaligen Hofmobiliendepot 
waren drei; auf der Gewerbeaus- 
stellungvon1835 waren zwei astro- 
nomische Uhren ausgestellt. 
Abb. 5 zeigt einen Vertreter der sel- 
tenen Nachtuhren. Diese Nachtuhr 
ist als Lichtschirm ausgebildet, der 
aus Milchglas hergestellt ist. Hinter 
dem Schirm trägt ein Arm ein 
Nachtlicht, wie es vor der Einfüh- 
rung des elektrischen Lichts allge- 
mein üblich war: ein Schälchen - 
zu 3A mit Wasser gefüllt - und 
darauf eine Schicht Rüböl, worauf 
ein kleiner Schwimmer mit einem 
Docht lag. Die Zeiger heben sich 
vor dem schwach beleuchteten Zif- 
ferblatt stark ab. 
Abb. 6 zeigt als einen Vertreter 
einer anderen Untergruppe der 
Stutzuhren eine für das Biedermeier- 
typische, romantische Kombination, 
die man später wegweriend als Nip- 
pes bezeichnete. Es ist eine kleine, 
als Taubenkobel ausgebildete Uhr, 
die in einer Umgebung von Blumen 
und einem Baum auf einem Bronze- 
Soekel aufgestellt ist. 
Abb. 7 zeigt - in dieselbe Gruppe 
gehörig - eine idyllische Schieß- 
stand-Uhr, die gleichzeitig als Tin- 
tenfaß fungiert, wobei der Deckel 
des einen Behälters einen Teich 
vorstellt, auf dem ein Schwan 
schwimmt. Die Bronzen und die 
ganze Ausführung sind von hervor- 
ragender Qualität. Es handelt sich 
um ausgesprochene Luxus-Erzeug- 
nisse für die sich im Wien der Met- 
ternichzeit treffenden Persönlich- 
keiten Europas. Alle diese Nippes- 
uhren ebenso wie die ihnen ver- 
wandten Zappler sind fast nie sig- 
niert, so daß wir über ihre Herstel- 
ler nichts wissen. 
burg aufgekommen zu sein; in der 
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren 
die ganz kleinen Zappler eine Wiener 
Spezialität. 
3 Ludwig Hevesi: „Eine Ausstellung aller 
Fächer und Uhren in Wien" in „Kunst 
und Kunsthandwerk" (jahrgang VI, 
1903, Heft s). 
' Als Skeleltwerk bezeichnet man alle 
Anordnungen, die einen Einblick in das 
Werk von vorne erlauben. Hiezu sind im 
Zifferblatt selber eine oder mehrere 
Ausnehmungen notwendig, die einen 
Einblick zu den Wechselrädern und der 
Kadraktur ergeben; bei den raffinierte- 
sten Skelettuhren sind auch die Platinen 
(Lagcrträgerplatlen des Werkes) durch- 
brochen.
	        
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