tes Wesen, das hinter dem heheln
lebt, den wir sehen." Oder: „Die
Sehnsucht nach dem unteilbaren
Sein, die Befreiung von den Sinnes-
täusehungen unseres ephemeren LCA
bens ist die Grundstimmung aller
Kunst." Marc, der Esoteriker unter
den "Blauen Reitern", derjenige,
der sich am intensivsten mit den
Ersatzrcligionen seiner Zeit be-
schäftigte, wollte, dnß die „Kunst
sich von Mensehenzweeken und
Menschcnwollen befreien" möge . . .
Die Ausstellung im Belvedere be-
weist - und das ist geradezu gro-
tesk - daß Marc. der noch 1909
ein auch für damalige Durchschnitts-
verhältnisse eher reaktionär-rafii-
nierter Tiermaler war, auch später-
hin („Rehe im Schnee", 1911, "Ti-
ger", 1912. „Traum", 1913) noch
Wirkungen zu erzielen vermochte,
die plakathaft-dekorntiv, wenn nicht
gar versüßlichend sind. Deshalb er-
freut sich Marc heute unter der
una munen uie raroen nei inm ganz
aus der eigenen elementaren Leucht-
kraft und sind voll von einer Magie,
die nicht wehtut. Menschen und
Tiere werden bei ihm verdinglieht
wie etwa hei Matisse, aber solches
Tun ist frei von Affront und Effekt-
hascherei. ln diesem Sinne gehören
„Zoologischer Garten" (1912) oder
„Hutladen" (1913) zu den schönsten
Bildern der Ausstellung. Alexej von
Jawlensky (1864 bis 1941), der
zweitälteste Künstler der Ausstel-
lung, malte in der Brctagne und in
der Provenee; er ist das eigentliche
Bindeglied zwischen den französi-
sehen „Fauves" und der Gruppe um
Kandinsky. Seine Hauptleistungen
sind die groß gesehenen, konturier-
ten und in einer sehr persönlichen
Zaekenmanier mit magisch-leucht-
kräftigen. irrealen Farben durchge-
malten Kopfstudien, von denen
„Frau mit grünem Fächer" (1912)
am schönsten ist. Auch an ihm gin-
breiten Masse der Ausstellungsbc-
Suehcr jener Art von Beliebtheit, die
wie ein Alarmzeiehen wirkt - er
ist zu elegant, zu virtuos, zu wir-
kungsbewullt. "Und die ganz grollen
Leistungen der Spiitzeit (.,'l'ir0l"
etC.)l1al uns die XViener Ausstellung
leider vorenthalten. Was für ihn
gilt, kann in bedingtem Sinn aul
den ganzen „Blauen Reiter" üben
tragen werden.
August Macke (1887 bis 19H) be-
saß als Mensch wie als Maler jene
Unschuld, an der Marc sich mit viel
Vehemenz vorbeisehnte. XWir glau-
ben ihm, wenn er sagt: „Wissen ist
eine große Lßnwahrlieit... das l-"tih-
len des llerzens, das Ahnen von
etwas Rätselhztltem, das Staunen
gen nach dem ersten Weltkrieg die
Gefahren einer Erstarrung in Mm
nierismen nicht vorbei. - Gabriele
Milntet" (1877), dureh mehrere jahre-
Kandinskys Gefährtin, ist vor allem
als Whhrerin des Wlerkes Kandin-
skys und Stifterin seiner herrlich-
sten Bilder aus der besten Periode
an die Städtische (ialerie lwlünehen
in die (ja sehiehte eingegtngen. Aber
daß die alte Dame - sie lebt als
Einzige der Gruppe von damals
noch - weit mehr bedeutet als
„nur" das, beweist die Wliener Aus-
stellung; in ihren Gemälden zeigt
sie sich als Äleisterin eines im Sinne
Uauguins „el0is0nnistischen" Stils
mit stark lolkloristischen Elemen-
ten - immer denkt man irgendwo
an bäuerliche llintcrglasmalerei.
]awlensky's Gefährtin, Marianne
von Werelkin (1860 bis 1938) ist
die älteste Malerin der Gruppe; als
Künstlerin zeigt sie sieh stark be-
rührt von Munch, aber auch von
den Präraffaeliten („Im Cafe", 1909).
Ein eigenartiges Nachthlau ist der
Grundton ihrer Arbeiten. Als Male-
rin von spontaner. unintellektuellcr
Kraft erweist sie sich in einem herr-
lich rasch heruntergemalten "Selbst-
porträt II" (1917). Jean Bloe
Niestle (1884 bis 1942) stellte zwar
1911 mit dem Blauen Reiter aus und
galt als enger persönlicher Freund
von Franz Marc, als Meister aber
ist er einfach untragbar und undis-
kutabel. Schade, daß man es nicht
vermochte, seine anspruchsvollen
Mübelbilder auszuschalten!
I'nd nun Klee und Kubin: Beide
sind auf der Ausstellung gut ver-
treten, besonders Kubin kann mit
noch nie gezeigten Arbeiten der
Frühzeit aus dem Nachlaß beein-
drucken. Obwohl die Verbindungen
zum „Blauen Reiter" selbstverständ-
lich als historische Fakten bestehen,
gehören beide Meister in einem in-
neren Sinn nicht zur Gruppe, die
sich ansonsten bei aller Erkennbar-
barkeit des Individuellen durch
große Homogenität besonders der
farblichen Erscheinung auszeichnet.
Klee und Kubin entziehen sich vom
Thematisehen wie vom Formalen
jeglicher Einordnung und sind
gleichsam erratischc Blöcke, die je-
des Schema einer Kategorisierung
sprengen. Deshalb wirkt die Aus-
wahl ihrer Werke auch im Rahmen
dieser Ausstellung wie ein Fremd-
körper. -
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