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Full text: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 50)

Nach dem Tod meines Vaters (1945) 
steigert sich der Widerstand meiner 
Mutter gegen das Vorhaben, die 
Akademie dem Rcalgymnasium cor- 
zuziehen, bis zum Bruch. Da ich 
bereits im Alter vcn neun fahren 
in ein Internat gesteckt wurde, habe 
ich mir genug Unabhängigkeit er- 
worben, um mich darüber hinweg- 
zusetzen und aus der 5. Realgym- 
nasiallalasse an die Akademie für 
angewandte Kunst zu gehen. Aus 
der großen lWirrheit, die die Un- 
möglichkeit geschaffen hatte, mich 
in der für mein Alter des Denken- 
lernens apokalyptischen Zeit von 
1944 bis 1949 zu orientieren, scheint 
zu diesem Zeitpunkt eine Katastro- 
phe zu entstehen. Ich erinnere mich. 
daß ich das Atelier, welches ich mir 
in der Mansarde des Ilauses meiner 
Iiljern geschaffen habe, verlasse und 
ohne die Möglichkeit eines Wohnens 
umhervagabundiere. In diese Zeit 
[allen Reisen nach Schweden, 
Deutschland, Italien, Frankreich. 
Zwischendurch besuche ich die Alca- 
demie für angewandte Kunst. Ich 
bin kurz in psychiatrischer Behand- 
lung. Zustände großer Depressio- 
nen, verbunden mit Platzangst; das 
Erstaunliche an diesen Zuständen: 
das fast gänzliche Aufhören von be- 
stimmten, gewohnten Entfernungen 
und Dimensionen. S0 kann ich mich 
erinnern, daß Straßen von der 
Breite des Naschrnarktes auf eine 
fast unerträgliche Enge zusammen- 
schrumpfen, während sich Menschen 
und (Ieräusche, die unmittelbar um 
einen sind, weit entfernen und klar, 
aber aus großen Distanzen zu 
einem kommen. 
Entscheidende Geschehnisse: 
1939: In Dornbach gibt es eine 
große Schuttmulde, die heute auf- 
gefüllt und mit einem prächtig pla- 
nen Sportplatz versehen ist. Meine 
große Anhänglichkeit und Bewun- 
derung für Pferde macht es ver- 
ständlich, daß ich die heftig betriebe- 
nen Schuttzufuhrarbeiten entdeckte. 
Die Fläche wies damals etwa 25 bis 
30 m Ilöherxunterschied auf; eine 
Seite war von einem steil abfallen- 
den, verwachsenen Hang begrenzt, 
ein höchst schuaieriges Gelände. Die 
Schuttztlfizbrarbeiten wurden aus- 
schließlich von schweren Pferde- 
fuhrwerlaen besorgt. Die völlige Un- 
eingesehenlaeit der Stätte rnußte uf- 
fenbar eine fast nicht abreißende 
Kette von Marquis-de-Sade-Szenen 
erzeugen. Die von den Kutschern 
und ihren Weibern an den, auf den 
steilen Skrhutthalden vor den schwe- 
ren [Wagen weit überforderten Gau- 
Ien verübten Alißhandtungen und
	        
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