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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 50)

 
FRIEDRIC] 
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TNER 
zipien auf alle Bereiche des Lebens führt. So würde, 
zum Beispiel, die totale Organisation des Lebens nach 
mechanistischen Gesichtspunkten (Wohnmaschine) wie- 
der unweigerlich in eine neue (historisch gesehen: nur 
andere) dekorative Bauperiode hineinführen, da viele 
Gegenstände nach ihnen fremden Gesetzen gebildet wür- 
den. Die heutige Inflation modernistischen Bauens il- 
lustriert teilweise dieses Mißverständnis. 
Somit entstand um 1930 in Wien folgende paradoxe Si- 
tuation: Die Pioniere der neuen Architektur, für die 
nicht erst der Weltkrieg Vorwand genug zu einem neuen 
Anfang war, sondern eher eine unsinnige Unterbrechung 
ihrer Arbeit, konnten nun auch den „neuen" Menschen 
nicht ohne seinen historischen llintergrund betrachten. 
Für sie bedeutete Kultur noch die ausgewogene Ordnung 
aller Kräfte, wodurch sie in einen unauswcichbaren Kon- 
flikt mit den radikalen, einseitigen und kurzlebigen Pro- 
grammen kamen. Vielleicht unterlief ihnen dabei der 
Fehler, daß sie das Geschriebene mehr als das Gebaute 
bewerteten. Die Auseinandersetzungen gehen auch, wc- 
nigstens oberflächlich betrachtet, vielmehr aus den 
Schriften hervor, als aus den gleichzeitig entstehenden 
Bauwerken. Josef Frank schreibt in seinem gescheiten 
und äußerst kritischen Buch „Architektur als Symbol" 
(bei Anton Sehroll, 1931): 
"Die mechanisierte Kultur hat sich durchgesetzt und die 
Welt erobert... Und wir anerkennen den Fortschritt, 
Wir haben ihm zuerst die Straße überantwortet. Tele- 
phonisolatoren und Straßenbahnen machen jeden Ver- 
such einer alten Architektur lächerlich. Wer die Wir- 
kungen versöhnen will, belügt sich; Glühlampe und 
Wasserleitung sind im llaus unentbehrlich. Aber der 
Kunstgewerbler wird herangeholt und soll das alles bil- 
den. Wozu? Diese organisch entstandenen Formen wie- 
der den imitierten angleichen? Oder bereits Bestehendes, 
das seit langer Zeit vollkommen ist. diesen neuen F0r-_ 
men angleichen? Der Wahn von der Gleichheit der Form, 
der unendlichen Garnitur. die Grundlage veralteten 
Kunstgewerbes als geschlossenes System ist noch immer 
derselbe, und er kann nicht begreifen, wie vielformiger 
unser Leben geworden ist, wie sich ihm alles Bestehende 
einfügen muß; unsere Zeit ist die ganze bekannte histo- 
rische Zeit. Dieser Gedanke allein kann die Grundlage 
moderner Baukunst sein. Zweck, Funktion, Preis und 
all die Notwendigkeiten sind nicht mehr als das verwen- 
dete Material, Bedingungen, die aber auch, wenn sie. 
noch so gut verwendet und erfüllt worden sind, mit Ar- 
chitektur nichts zu tun haben, Rohstoffe in der Hand des 
Künstlers, der sie formt. Aber der Geist ist alles." 
Vielleicht hat der Versuch, in der Bildung der neuen 
Behausung des Menschen nicht den Blick auf alle Zu- 
sammenhänge zu verlieren, den Schwung der Entwick- 
lung in Wien gehemmt. Tatsächlich sind auch von Loos, 
Frank und Strnad nur mehr „kleinere" Aufgaben (Woh- 
nungen, Wohnhäuser und wenige Gemeindebauten - der 
einzige von Loos wurde sogar abgelehnt) durchgeführt 
worden, jedoch mit einer Kultur und Lebendigkeit, mit 
einer Wärme und Souveränität über alle doktrinären 
Forderungen des „modernen Wohnens", daß mit ihnen 
der ganz spezifische Begriff der neuen „Wiener Wohn- 
kultur" entstand. 
Das frühe Schaffen Ernst Plischkes (geb. 1903) steht 
unter dem Einfluß dieser Meister. 1926 aus der Schule 
Peter Behrens kommend, arbeitet er im Atelier von 
Frank und befaßt sich zunächst mit dem Einrichten von 
Wohnungen. 1929 geht er nach Amerika zu E. Kahn, 
einem Spezialbüro für Hochhausbauten. Nach Österreich 
zurückgekehrt, will er seine Erfahrungen verwenden. 
Es ist ihm der formale Radikalismus seiner Generation 
eigen, der aber in Wien von beiden Seiten hoffnungslos 
isoliert erscheint. Mit dem „liaus am Attersee", das 
durch glückliche Umstände entsteht, erregt er großes 
Aufsehen. (Abb. 1 und 2.) 1930 bis 1931 baut er das 
Arbeitsamt Liesing, vielleicht das einzige Bauwerk in 
Österreich, das in seiner Haltung dem programmatischen 
Geschehen im Ausland zur Seite gestellt werden kann. 
(Abb. 3 und 4.) Bis 1934 folgen die Arbeitsämter Gmünd, 
Amstetten und ein Haus im Wienerwald. 1935 erhält 
Plischke den „Großen Österreichischen Staatspreis", je- 
90
	        
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