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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 50)

 
FORTSETZUNG VON SEITE 19 
Eincs haben diese beiden Meister 
allerdings auch mit der Mehrheit 
der „Blauen Reiter" gemein, näm- 
lich den Drang zum literarischen 
Ausdruck, den Hang zum Pädago- 
gischen, zum Spintisieren und Spe- 
kulieren, wobei aber auch hier wie- 
derum Kubin als der einzige wirk- 
liche Dichter und Klee als der ein- 
zige wesentliche Erzieher angesehen 
werden müssen. 
Das Fazit der Ausstellung in kri- 
tischer llinsicht: Kandinsky's Gi- 
uululu, lVldlL, um... m. m... m. m... 
eher überschätzt werden; die beiden 
Damen (Münter und Wercfkin) er- 
fahren in der Wiener Ausstellung 
endlich die ihnen lang mißgönnte 
richtige Bewertung. jawlensky und 
Macke sind ausreichend und pro- 
portionell richtig vertreten. Klee 
und Kubin verdienen gesonderte 
Präsentationen, Niestle hätte nicht 
passieren dürfen. Auch bei Heinrich 
Campendonck. dem Rheinländer, 
hat man das Gefühl, daß er doch 
kein Stern erster Ordnung ist und 
seinen Platz höchstens an der Peri- 
pherie des „Blauen Reiters" hat; in 
ihm siegt vollends das Dekorative 
über das Expressive. 
Der „Blaue Reiter" als solcher ist 
ein interessanter Sonderfall im Rah- 
men der gesamteuropäischen Ent- 
wicklung. Nur Kandinsky, Klee und 
Kubin haben wirkliches Weltfor- 
mat. Und daß der Münchner „Blaue 
Reiter" erst jetzt in Wien eingezo- 
gen ist, das immerhin einen Ko- 
koschka und einen Schiele hervor- 
hraehte, ist wohl in Anbetracht der 
gänzlich verschiedenartigen Ten- 
denzen in beiden Kunstmetropolen 
nicht weiters erstaunlich. 
Kühler hervorgehoben werden muß, der 
als Förderer und Helfer von Franz Marc 
in die Kunstgeschichte eingegangen ist. 
Neben ihm sind als Leihgeber u.a. das 
Kunsthistorische Museum, die Alber- 
tina, die Neue Galerie der Stadt Linz, 
die Galerie Alex llömel, Düsseldorf, die 
Marianne-IWereIkin-Sliltung in Ascona, 
Felix Klee, Bern, die Galerie Anne 
Abels, Köln, Andreas ]awlenslzy und die 
Städtische Galerie München, Gabriele- 
MüntereStiftung zu nennen. Spiritus rec- 
tor der Ausstellung ist Walter Kasten, 
Direkter der Neuen Galerie der Stadt 
Linz: daß sie realisiert werden konnte, 
ist dem Bundesministerium für Unter- 
richt und als dessen Exponenten Frau 
Sekt-Rat Dr. Adele Kaindl zu verdanken. 
Die Ausstellung wird ab 30. September 
in Lin: gezeigt. Ihre Bedeutung liegt 
in der Tatsache, daß sie last alle we- 
sentlichen Mitglieder und Freunde des 
„Blauen Reiters" zum ersten Mal ge- 
schlossen naeh Österreich bringt. Sie 
paßt sieh in organischer [Weise recht gut 
dem allgemeinen, vmn Kulturamt der 
Stadt Wien betriebenen Ausstellungspro- 
gramm der letzten ]ahre an, das sich 
bemüht, die Repräsentanten aller we- 
sentlichen künstlerischen Strömungen 
der Moderne in systematischer Abfolge 
in Wien zu präsentieren. 
FORTSETZUNG VON SEITE 23 
Ich war mir der Tatsache mit aller 
Klarheit hewußt, daß dies ein wahr- 
haft ohsleures Ende für einen Men- 
schen war, der zwei Drittel seines 
Lehens im alten Griechenland ver- 
hracht hatte. 
1947: Beim Kontakt mit der ameri- 
kanischen Besatzungsmacht gelange 
ich zum ersten Mal mit Rauschgift 
in Berührung. Ich komme in den 
Besitz von Marihuanazigaretteiz, die 
einen positiven, medidativen Rausch 
erzeugen, der, soweit ich mich er- 
innere, damals keine erotischen Pro- 
jektionen aufwies. Wichtig erscheint 
mir, daß ich seit damals fast jede 
Möglichkeit der Spaltung, d. h. des 
(Jyiinens einer neuen Tür uvahre- 
nehme, ohne dies zu forcieren. 
1948: Ich kopiere im Kunsthisto- 
rischen Museum das Bildnis der 
Mutter Rembrandts und entdecke 
an den vielschichtig hingestrichenen 
Farben dieser prachtvollen Ellipse 
des größten aller Maler die Lasur- 
malerei und damit verbunden die 
ungeheure Simplixität der sozusa- 
gen „naturbelarxenef Primamale- 
rei alx mlcber. Die Abneigung ge- 
gen die reine Primamalerci, so sie 
rieb nicht als gefärbte Graphik 
ausweist, habe ich bis beute noch 
nicht überwunden. Ich habe seit da- 
mals viel aquarelliert, da ich glaube, 
daß die [Waxserjarbe am leich- 
iexten die Ungebeuerliehlaeit der 
Farblauliur, die die Schiebien- bzw. 
Lasurmalerei als xolcbe bewirkt, er- 
kennen läßt. 
1950: Wohl das einxcbneidendxte Ge- 
schehen in meinem Leben: Ich lerne 
die Grapbikerin Latte Profob: ken- 
nen, die um diese Zeit Hörerin der 
Akademie wurde. 1955 heirate ich 
Lotte Projobs. 
Leherbs „Biographie der Ereignisse" 
endet sinnvollerweise mit dem Zeit- 
punkt, da er durch die Begegnung 
mit seiner Frau seinem Leben eine 
echte Mitte geben kann. Das auf- 
gestaute Übermaß an Erlebnissen 
und Gcsichten beginnt sich nun 
zu entladen, der Künstler in Leherb 
setzt sie zu einem sehr spezifischen 
Stil um, an dessen Entfaltung er mit 
Konsequenz und Fleiß arbeitet. Sein 
Schaffen kreist im Wesentlichen um 
die Problematik der Begegnung der 
Geschlechter. Die Faszinierung 
durch die Frau ist bei ihm genau 
so Grundthema wie etwa bei Schiele 
oder Klimt. Leherb gestaltet nicht 
prinzipiell Gebilde von gewollt ab- 
strusem Charakter, er sägt keine 
Madonna in Stücke wie etwa Dali, 
bevölkert seine Welt nicht mit Un- 
Gebildeten wie Tanguy und wächst 
weit über die eisige Obszönität Ma- 
grittes hinaus; das alte klassische 
Raum-Kontinuum bleibt bei ihm - 
wiederum im Gegensatz zu den or- 
thodoxen Surrealisten - stets ge- 
wahrt und das phantastische llle- 
ment wächst aus der Wahrneh- 
mungswelt der fünf Sinne sehr or- 
ganisch, behutsam und kultiviert 
(Klimt!) hervor. Auch ist Leherb 
nicht zu den Satanisten zu rech- 
nen, in seinem Welt- und Men- 
schenbild ist immer noch eine tiefe 
Sehnsucht nach humanistischen lde- 
alen zu verspüren. Sogar Mitleid 
und Nächstenliebe empfinden wir in 
seinen Werken deutlich hinter den 
unvermeidlichen Accessoires frivol- 
ironischen Charakters, die zum mo- 
dischen Gewand des psychischen 
Realismus gehören. 
(Kommentar: Dr. Ernst Köller) 
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