ARBEITEN DES JAMNITZER-KREISES
ERICH EGG
herzog Ferdinand H. nach Prag einen Deckel für ein
Trinkgesehiri- mit der Darstellung des Orpheus „samt
den thirlein und kreitlein"? Prunkstüeke dieser naturali-
stischen Kunst sind das Schreibzeug im Kunsthistori-
sehen Museum in Wien und die Schüsseln im Musee du
Louvre Paris und im Domschatz von Ragusa}
Auch die kunstvollen Tischbrunnen mit ihren Wasser-
spielen, die jamnitzer schuf, ließen ihn in den Augen
seiner Zeitgenossen als besonderen Künstler erseheinenF
Das 16. Jahrhundert war allen technischen Erfindungen
gegenüber besonders aufgeschlossen und seine Bewunde-
rung galt vollends einem Werk, das technische Spielerei
und Kunst miteinander verband. Aber diese Werke waren
doch nur vereinzelte Auftrage, die den Raffinessen fürst-
licher Hofhaltungen entsprachen und die große Werk-
statt nicht dauernd beschäftigen konnten. Das llaupt-
arheitsgehict jamnitzers war daher wohl, dem Zeitge-
sehmack entsprechend, die Herstellung von Pokalen,
Bechern, Flaschen und Kannen, die in getricbener Arbeit
mit der reichen Ornamentik ihrer Zeit geschmückt wa-
ren. Es gibt kaum eine andere Stilperiode, in der die
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reine Ornamenlik, die Arabeske und Groteske, so domi-
nierend das Gefäß des Goldsehmiedes beherrschte wie die
Renaissance des 16. Jahrhunderts."
Das Interesse am Sammeln kunstvollen Prunkgeschirrs
und die Notwendigkeit eines reichen Formenschatzes an
Ornamenten ließ die Muster- und Modellbüchcr
entstehen, „die für die Goldschmiede und diejenigen, die
silbern Becher, Credentz, Flaschen und Kandeln machen
wollen lassen, sehr dienstlich sein" solltenf Während die
Entwürfe für Goldschmicdcarheitcn in der Spätgotik und
bei Dürer als Zeichnungen nur der eigencn Werkstatt
Anregungen geben konnten und sollten, ermöglichte der
Holzschnitt und Kupferstich jetzt eine weite Verbrei-
tung und gab den Goldschmieden und ihren Auftrag-
gebern reiche Anregungen. Schon in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts schufen Albrecht Altdorfer, Hein-
rich Aldegrever, Hieronymus Hopfer, Augustin Hirsch-
vogl, Peter Flötner und andere einzelne Blätter oder
Folgen, die als Druckgraphile- für Goldschmiedearbciten
verbreitet wurden. Das erste richtige Musterbuch schuf
um 1535 der Maler Hans Brosamer von Fulda als „Neu
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