Kunst- und formgeschichtlich ist
diese Kleineisenkunst besonders da-
durch gekennzeichnet, daß sie von
Meisterbetrieben getragen ist, die
unserem Thema einmal vom Volks-
kundlichcn her eine neue Kompo-
nente geben, wie sie anderseits auch
die barockzeitlichen Riß- und Vor-
lagebücher zum Ausgang genom-
men haben können.
Das Material, das wir zur Grund-
lage unserer Untersuchung nehmen,
ist zum Teil im Steyrer Heimat-
haus und im O.-Ö. Landesmuseum
in Linz ausgestellt. Das Bestechende
solcher Sammlungen bildet natür-
lich die vielfältige Variation um ein
Thema, was sich freilich, will man
einen Zeitraum von etwa einem
Jahrhundert an zehn Bildern dar-
stellen, nur andeuten läßt. Es fällt
schwer, aus der Fülle zu wählen,
weil sich wohl zeitlich und räumlich
bedingte Typen herausstellen las-
sen, nicht aber die erstaunliche, weil
nicht angenommene Unterschied-
lichkeit im Detail der Oberflächen-
behandlung. Die Maße unserer
Kleinbeschläge, die wir besprechen
wollen, schwanken zwischen 34 cm
und 55,5 cm.
Das Stück auf Bild 1 stammt aus
der alten Eisenstadt Steyr und ist
unter unseren Beispielen ohne Zwei-
fel das älteste. In der Umriß-
Silhouette folgt die Komposition -
in diesem Stück wie in allen fol-
genden - der Symmetrieachse. Sie
wird dann und wann nicht ganz er-
reicht, aber im allgemeinen ange-
strebt, selbst dann, wenn es sich um
Beschläge der Rokokozeit, deren
Liebe zur Asymmetrie bekannt ist,
handelt. Unser Stück ist „aus Einem
gearbeitet", seine Innenzeichnung
wenig betont, ja kaum mehr als an-
gedeutet. Wir haben ein amorphes
Gebilde vor uns, das aus pflanzli-
chen und auch an Tiere erinnern-
den Details zusammengewachsen
scheint. Eine Nelke dürfte als
Modeblume damals interessiert ha-
ben, sie entwächst zwei fußlosen
Greifen, deren Schwcife wieder in
blattförmigen Gebilden enden. Tat-
sächlich finden wir in diesen „Tie-
ren" Augen und Halslinien einge-
zeichnet. Zwischen ihren Köpfen ist
ein blumenartiges Gebilde. Das für
die Gotik so kennzeichnende Zu-
sammenklingen von geometrischen
und vegetabilen Ornamenten mit
der Schönheit des pflanzlichen
Wachsens ist also nun einer neuen
Mischung und Verbindung gewi-
chen. Mit den üblichen Ornament-
fibeln ' kommen wir nur schwer zu
sicheren Datierungsausgängen. Dies
wird noch wesentlich dadurch er-
schwert, daß in musealen Beständen
die Beschläge von ihren ursprüng-
lichen Plätzen abmontiert sind und
wir so nicht aus dem Stil der Holz-
türe auf die Entstehungszeit mit-
schließen können. Dies ist jedoch
nur die eine Seite des Datierungs-
problems. Die Handwerkskunst und
nicht zuletzt die unserer Schmiede
- die typisch genug mit derselben
Bezeichnung vom „lluf-Beschlag"
wic vom „'l'ür-Besehlag" sprechen
-- kennt starke Stilverschleppun-
gen. Seit wir nun den Begriff Ma-
nierismus verwenden können, tun
wir uns leichter, denn eben eine
Zwitterform aus zwei Bereichen -
wie in unserem Fall- gehört doch
in seinem Spiel der Phantasie diesem
Stil zwischen Renaissance und Ba-
rock an. Wic jedoch die der Gotik
nachfolgenden Vorgänger unserer
Beschläge kleiner Türen aussahen.
läßt sich von unserem Gebiet her
gar nicht beantworten. Das 16. jahr-
hundert ist (etwa von 1530 bis 1580)
auch in der Eisenkunst ein noch
recht „dunkler" Abschnitt, wesent-
lich problematischer etwa als die
Romanik in der Eisenkunst, wozu
uns nicht nur die österreichischen
Alpenländer, sondern auch die Au-
vergne schöne Beispiele wenigstens
von Beschlägen von Kirchentüren
bieten.
Wie sich die Beschläge weiterent-
wickeln zeigt uns Bild 2. Der Mit-
telteil dieses Linzer Stückes fehlt
leider, wie wir ihn uns zu ergänzen
haben - noch mit Nelke oder mit
den Spießen wie auf Bild 3 - ist
schwer zu entscheiden. Die Greife
haben nun auch ihren Kopf einge-
büßt, ihr Schweif wird im Nach-
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