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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 51)

Kunst- und formgeschichtlich ist 
diese Kleineisenkunst besonders da- 
durch gekennzeichnet, daß sie von 
Meisterbetrieben getragen ist, die 
unserem Thema einmal vom Volks- 
kundlichcn her eine neue Kompo- 
nente geben, wie sie anderseits auch 
die barockzeitlichen Riß- und Vor- 
lagebücher zum Ausgang genom- 
men haben können. 
Das Material, das wir zur Grund- 
lage unserer Untersuchung nehmen, 
ist zum Teil im Steyrer Heimat- 
haus und im O.-Ö. Landesmuseum 
in Linz ausgestellt. Das Bestechende 
solcher Sammlungen bildet natür- 
lich die vielfältige Variation um ein 
Thema, was sich freilich, will man 
einen Zeitraum von etwa einem 
Jahrhundert an zehn Bildern dar- 
stellen, nur andeuten läßt. Es fällt 
schwer, aus der Fülle zu wählen, 
weil sich wohl zeitlich und räumlich 
bedingte Typen herausstellen las- 
sen, nicht aber die erstaunliche, weil 
nicht angenommene Unterschied- 
lichkeit im Detail der Oberflächen- 
behandlung. Die Maße unserer 
Kleinbeschläge, die wir besprechen 
wollen, schwanken zwischen 34 cm 
und 55,5 cm. 
Das Stück auf Bild 1 stammt aus 
der alten Eisenstadt Steyr und ist 
unter unseren Beispielen ohne Zwei- 
fel das älteste. In der Umriß- 
Silhouette folgt die Komposition - 
in diesem Stück wie in allen fol- 
genden - der Symmetrieachse. Sie 
wird dann und wann nicht ganz er- 
reicht, aber im allgemeinen ange- 
strebt, selbst dann, wenn es sich um 
Beschläge der Rokokozeit, deren 
Liebe zur Asymmetrie bekannt ist, 
handelt. Unser Stück ist „aus Einem 
gearbeitet", seine Innenzeichnung 
wenig betont, ja kaum mehr als an- 
gedeutet. Wir haben ein amorphes 
Gebilde vor uns, das aus pflanzli- 
chen und auch an Tiere erinnern- 
den Details zusammengewachsen 
scheint. Eine Nelke dürfte als 
Modeblume damals interessiert ha- 
ben, sie entwächst zwei fußlosen 
Greifen, deren Schwcife wieder in 
blattförmigen Gebilden enden. Tat- 
sächlich finden wir in diesen „Tie- 
ren" Augen und Halslinien einge- 
zeichnet. Zwischen ihren Köpfen ist 
ein blumenartiges Gebilde. Das für 
die Gotik so kennzeichnende Zu- 
sammenklingen von geometrischen 
und vegetabilen Ornamenten mit 
der Schönheit des pflanzlichen 
Wachsens ist also nun einer neuen 
Mischung und Verbindung gewi- 
chen. Mit den üblichen Ornament- 
fibeln ' kommen wir nur schwer zu 
sicheren Datierungsausgängen. Dies 
wird noch wesentlich dadurch er- 
schwert, daß in musealen Beständen 
die Beschläge von ihren ursprüng- 
lichen Plätzen abmontiert sind und 
wir so nicht aus dem Stil der Holz- 
türe auf die Entstehungszeit mit- 
schließen können. Dies ist jedoch 
nur die eine Seite des Datierungs- 
problems. Die Handwerkskunst und 
nicht zuletzt die unserer Schmiede 
- die typisch genug mit derselben 
Bezeichnung vom „lluf-Beschlag" 
wic vom „'l'ür-Besehlag" sprechen 
-- kennt starke Stilverschleppun- 
gen. Seit wir nun den Begriff Ma- 
nierismus verwenden können, tun 
wir uns leichter, denn eben eine 
Zwitterform aus zwei Bereichen - 
wie in unserem Fall- gehört doch 
in seinem Spiel der Phantasie diesem 
Stil zwischen Renaissance und Ba- 
rock an. Wic jedoch die der Gotik 
nachfolgenden Vorgänger unserer 
Beschläge kleiner Türen aussahen. 
läßt sich von unserem Gebiet her 
gar nicht beantworten. Das 16. jahr- 
hundert ist (etwa von 1530 bis 1580) 
auch in der Eisenkunst ein noch 
recht „dunkler" Abschnitt, wesent- 
lich problematischer etwa als die 
Romanik in der Eisenkunst, wozu 
uns nicht nur die österreichischen 
Alpenländer, sondern auch die Au- 
vergne schöne Beispiele wenigstens 
von Beschlägen von Kirchentüren 
bieten. 
Wie sich die Beschläge weiterent- 
wickeln zeigt uns Bild 2. Der Mit- 
telteil dieses Linzer Stückes fehlt 
leider, wie wir ihn uns zu ergänzen 
haben - noch mit Nelke oder mit 
den Spießen wie auf Bild 3 - ist 
schwer zu entscheiden. Die Greife 
haben nun auch ihren Kopf einge- 
büßt, ihr Schweif wird im Nach- 
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