fühl ist nicht zu verkennen: der
Manierismus ist überwachsen.
Den vollen Durchbruch zum hohen
Barock mit den nun ausgereiften
Akanthusblättern zeigt Bild 6. Sie
sind nun zwar keineswegs natura-
listisch, aber durch wenige, doch
kräftige Kerben, die selbst schon
Rokokoformen ahnen lassen, ge-
kennzeichnet. Wir sind mit diesem
Beispiel, um die Entwicklung von
dem Keim zur nun klassischen Höhe
zu zeigen, zeitlich etwas vorgeprellt
und holen im Bild 7 einen Typ nach,
der durch die Verwendung des Ball-
hammers bei der Technik des Ein-
ballens charakteristisch ist. Auch
hier sind wir im Barock, jedoch
ohne die Anzeichen des zukünfti-
gen Rokokos, wie sie bei Bild 6 an
den beiden mittleren Spiralen in
Ansätzen zu sehen waren. Das
Thema von Bild 3 wie in Bild 4 ist
wieder aufgegriffen. Die Spieße
bleiben nun gleichsam als Tangente
vorgelegt. Das Mittelfeld, in dem
die Einballung besonders schön zu
sehen ist, weist mit seinem C-Bügel
schon auf eine Leitform des späten
Barocks.
Die Beschläge auf den Bildern 8 und
9 sind nun auch im Format mit
einer Länge von über 55 cm auf der
llühe der barocken Stilentwicklung.
Das Beispiel auf Bild 8 weist noch
immer prachtvollen Spiralenfluß
auf, sogar mit vorgetäuschter Durch-
stoßung (wie wir diese in der Dorn-
arbeit der Spiralgitter des 17. jahr-
hunderts zu voller Meisterschaft
entwickelt haben). Dazu charakter-
volle Oberflächenzeichnung, ausge-
wogen und die Spiralen überaus fein
ausgeschmiedet. Zugleich doch wie-
der paarige Köpfe, aus deren Maul
wie schon seit der Romanik das
Geranke entwächst. Die Blätter sind
vorzüglich in ihrem organischen
Anschwellen und Auslaufen gestal-
tct, in der Ornamentik haben wir
einen etwas verschleppten Knorpel-
werkstil, stark in der anaturalisti-
sehen heimischen Haltung, die sich
scheut, wirkliche Blätter nachzubil-
den, sondern der viel mehr daran
liegt, das Fließende einzufangen und
ins Ornamentale zu bändigen. Alles
ist wie zwischen zwei Schienen ein-
gespannt, eine Harmonie von voll-
endeter Oberflächengestaltung, Mu-
sikalität des Linienflusses und doch
strenger Geführtheit, wahrlich ein
trelflicher Repräsentant des werden-
den barocken Reichsstiles um 1680,
noch vor dem Wuchern des Akan-
thus um und nach 1700. Es ist ver-
ständlich, daß die Zuneigung zu
dieser stilistischen Situation nicht
etwa als ein Unvermögen, die Akan-
thusblätter nicht ausschmieden zu
können, aufgefaßt werden darf! Bei
dieser Lebendigkeit der Oberflä-
chengestaltung wäre der heimische
Meister zu jeder Gestaltung fähig.
Es ist vielmehr Bekenntnis zu einer
ihm gemäßen Form. Der unhe-
kannte Meister gibt den ihm lieb-
gewordenen Stil, den er vollendet
beherrscht, nicht gerne auf, er liegt
ihm und so bleibt er bei dieser
Formsprache. Oberösterreich hat für
diese Einstellung das Riesengitter
von Spital am Phyrn aus dem ersten
Drittel des 18. Jahrhunderts aufzu-
weisen, es erlaubt, solche Schlüsse
auf die Grundhaltung einer Land-
schaft (denn es sprechen ja die
Auftraggeber, Äbte wie Gewerke-
herren, ebenso mit) zu ziehenß S0
gehen Stift Kremsmünster und St.
Florian völlig verschiedene Wege,
wobei St. Florian sich Wien gefällig
erweist. Ähnliches läßt sich für das
Chorgitter des Salzburger Meisters
Hans Thomas (dat. 1685), sagen,
der noch dem Spätmanierismus ver-
haftet ist, oder über die mächtigen
Abschlußgitter in Mariazell, die
Blasius Lackner wohl zur selben
Zeit geschaffen haben wird.
Das Eisen auf Bild 9 ist schon voll-
entwickelter Hochbaroek. Die paa-
rigen Köpfe haben nun schon fast
Blattmnskencharakter, ein reifer
hoehbarocker Hakensehnörkel, den
wir in seiner Vorstufe auf Bild 4
sahen, verbindet sich zu einer Feld-
komposition, bei der es schon zu
Palmettendurchstoßungen an den
äußersten Rändern der Beschläge
kommt. Die beiden Spiralen des
Mittelfeldes - die um 1740 bestim-
mende Motive werden - sind jetzt
in diesem Beschlag noch in die
Fläche gebunden. In den beiden
letzten Stücken greift nun zum er-
stenmal die Auszier auch auf den
Bandteil, der den Zapfen der Angel
direkt aufsitzt.
Die Arbeit auf Bild 10 hat dies wie-
der aufgegeben. Dafür wird nun das
hier noch reiche Laubwerk raum-
greifend und vollplastisch behandelt
und herausgetrieben. Wie die bei-
den vorigen ist auch sie in die Rah-
men kompositionell eingespannt.
Das Meißeln tritt, so wie das Ein-
ballen nun stark zurück. Die Blät-
ter werden fleisehig. Das Mittelfeld
nimmt ein Maskeron ein, wobei die
eben aufkommende Palmette als
Bart einbezogen wird. Werfen wir
einen Blick auf die beiden Vorgän-
ger zurück, so wird uns der Wandel
deutlich und wir verstehen, warum
nicht überall ohne weiters wirkli-
ches Können zugunsten dieses lif-
fektes aufgegeben wird. Nun geht
man auf optische Fernwirkung aus,
nun spielt freilich das Licht ganz
anders auf den Blättern, aber unsere
bodenständige biedere Handwerks-
kunst ist das nicht mehr! Wie sol-
len wir das Band nun wirklich da-
tieren? „Laubwerk" allein muß, nun
wo schon das „Bandlwerk" Mode
ist. konservativ bezeichnet werden,
die Maske wäre wiederum sehr mo-
dern, wir kämen auf die Zeit um
1730. Warum jedoch greift der Mei-
ster nach dem Maskeron und beach-
tet das Bandlwerk nicht? Weil sich
ihm in der Maske etwas Bekanntes
anbietet, das die volksnahe Kunst
nie aufgegeben hat: das bannende
Gorgogesicht an der Türe (volks-
kundlich zahlreich belegbar s). Aus
seiner inneren Wichtigkeit, nicht
aus Modelaune, erobert es sich hier
die Bild- und Kompositionsmittel
Es bleibt noch ein Wort zur Ober-
flächenbehandlung nach dem farbi-
gen Tonwert zu sagen. So kennen
wir Braunfärbung durch Abbrennen
(Brünnierung) oder „Anlaufenlas-
sen", das eine reizvolle Variation
von Blau- und Metalltünen erlaubt
und gerne bei Kästenbeschlägen
verwendet wird. Auch kann das
Eisen verzinnt werden und erhält
dadurch einen vornehmen Ton. Na-
türlich kann es auch farbig gehöht
werden, wie besonders gern im
16. ]h., da man gerne bei Wappen
und Blumen farbig nachhilit. 1m 18.
und 19. jh. wird endlich auch Mes-
sing in die Auszier miteinbezogen.
Fassen wir aus unseren zehn Bei-
spielen die Quintessenz, so wird
klar, daß wir mit dem Ornament-
schatz allein nicht für eine Datie-
rung auskommen können, daß wir
die jeweils bevorzugte Technik
ebenso miteinbeziehen müssen, wie
die jeweilige Behandlung der Ober-
fläche was Farbwirkung anbelangt
und schließlich auch alte Vorstel-
lungen, wie etwa hier der Dämonen-
abwehr an der Türe. Vielleicht mag
jedoch die Tatsache am meisten
überraschen, daß selbst in diesem
„sekundären Handwerk" sich doch
die geistigen Strömungen, wenn z.
T. auch verspätet, widerspiegeln.
' H. Wichmann, Deutsche Ornamentfi-
bei. Leipzig 1942.
1 O. Kastner, Eisenkunst im Lande ob
der Enns. Linz 1954, S. 55.
3 O. Kastncr, Eisenkunst im Lande ob
der Enns. Linz 1954, S. 99f100, IO9II10,
Hakenschnörkel S. 97.
' O. Kastner, Eisenkunst im Lande ob
der Enns. Linz 1954, S. 100, Abb. 44.
5 O. Kastner, Eisenkunst im Lande ob
der Enns. Linz 1954, Abb. 36 und 38,
dazu auch die Arbeit über Peter Rollin
im ]ahrbuch der Stadt Linz (im Erschei-
nen), Dazu lO Bilder des O.-O. Landes-
Museums (M. Eiersebner).
4'111