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Verwandtschaft mit der römischen Peterskirche zuge-
sprochen, sondern auch in erstaunlicher Einhelligkeit
der Gelehrten der Grundriß Solaris bloß als „Verände-
rung", "Vereinfachung" oder „Umarbeitung" der Ge-
danken Scamozzis bewertet wird." Bloß der erste Be-
arbeiter des Fragenkomplexes, A. v. Schallhammer, be-
zweifelt mit Recht die Benützung der Pläne Seamozzis
durch Solari und spricht dem ausführenden Meister Ei-
genständigkeit zu." Allgemein aber führte die als sicher
hingenommene Abhängigkeit Solaris von Seamozzi zu
falschen Schlüssen. Solari wird als Schüler oder Mitar-
beiter Scamozzis angesehen," was durch nichts erwie-
sen ist; es wird ihm sklavische Beeinflussung durch die
Risse von 1606 zugemutet und damit seine persönliche
Leistung und schöpferische Begabung in Frage ge-
stellt."
Was von Scamozzi einzig hätte übernommen werden
können, wäre die Idee des Trikonchos, denn für die;
Langhauslösung wird einhellig auf den Typus von Vig-
nolas SS. Nome di Gesü in Rom hingewiesen, dessen
erster Nachfolger auf deutschem Boden Solaris Werk
sein soll. Nun hat der Salzburger Dom mit dem Gesu-
aber nur eine Eigenheit gemein: die Entwertung der
Seitenschiffe zu Längskapellen. Der Gesu kennt nicht
die halbrunden Quersehiffschlüsse (wie überhaupt die
Trikonchosidee von St. Peter in Rom selbst keine Nach-
folge gefunden hat), sein Querhaus tritt kaum über die
Längsmauern vor, die Kuppel, außen achtkantig, ist in-
nen kreisrund. Weiters eignet dem Gesu eine Besonder-
heit, die Solaris Grundriß vermissen läßt. Die Längs-
kapellen sind bei Vignola nicht gleichwertig: die letzten
vor dem Querschiff sind _ wie auch in S. Andrea della
Valle zu Rom - kleiner, im Grundriß abweichend, haben
engere Zugänge aus dem Mittelschiff und finden in Ka-
pellen jenseits des Querhauses und seitlich der Tribuna
ihr Gegenstück (Abb. 1, 4). Solari läßt demnach auch ge-
genüber Vignolas Schöpfung Selbständigkeit erkennen
und hat nur, der frühbarocken Raumentwicklung fol-
gend, die Seitenschiffe zugunsten des llauptraumes min-
der betont.
Noch wäre zu untersuchen, ob trotzdem eine Möglich-
keit bestünde, Solaris Lösung als Paraphrase des Sca-
mozziprojekts anzusprechen: Solztri müßte der Grundriß
Scamozzis vorgelegt worden sein, was ziemlich ausge-
schlossen erscheint, weil sich das gesamte Rißmatcrial
Scamozzis für den Salzburger Dom nicht etwa in Salz-
burger Archiven befand, sondern Ende des 18. jahrhun-
derts im Besitz des Tommaso Temanza, Seamozzis Bio-
graphen. Donin referiert über die Umstände der Ent-
deckung dieser Risse in Venedig und ihre Schicksale bis
zur Erwerbung des Originalplans durch das Salzburger
Museum im Jahre 1913i Man wird nicht fehlgehen an-
zunehmen, daß die Entwürfe Scamozzis, nachdem sie
Wolf Dietrich abgelehnt hatte, ihrem Schöpfer zurück-
gesandt wurden. Andernfalls wäre ihr Verbleib und neuer-
liches Auftreten in Italien kaum zu begreifen."
Von Santino Solari wissen wir wenig. Der Meister wurde
1576 zu Vernn im lntelvitale, also im Berglande zwischen
dem Como- und Luganosee geboren. Über seine Ausbil-
dung und anfängliche Tätigkeit erfahren wir nichts, So-
lari tritt erst in das Licht der Forschung, da er im
„Herbst 1612 mit einer Monatsbesoldung von 40 fl in
den (Salzburger) Hofzahlamtslisten vorkommt")? Die
vielseitigen Anlagen dieses Mannes entfalteten sich erst
in Salzburg, wo er zum Baugewaltigen aufstieg und diese
Stellung bis zu seinem Tode (10. April 1646) zu be-
haupten wußte.
Es scheint mir gelungen, dem Wirken des Meisters den
Makel unselbständigen lipigonentums zu nehmen und
damit eine bisher nicht versuchte Lösung zur Frage der