3 Gruppe von Riom, zweite Hälfte des
14. Jahrhunderts, Frankreich.
4 Admontcr Madonna, Anfang 14. jahr-
hundert, joanncum, Graz.
Plastiken und in England eine be-
bilderte Handschriftßndie das v0-
gerlhaltcnde Kind mit der Mutter
verbinden. Unser Stück in Riom ist
also außer Zweifel bei weitem nicht
das älteste, ja für Frankreich eher
eine der letzten, aber auch reiisten
Schöpfungen dieser Gruppe. Sie ge-
hört in den Kunstkreis des Jean von
Bcrry und zeitlich in die zweite
Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts
(Bild 3). Sie ist von jener
Schönheit erfüllt, die keineswegs
die sinnlich faßbaren Werte der Er-
scheinungswelt leugnet, zugleich je-
doch dem Alltag durch künstlerische
Aussage entrückt bleibt. Innere
Ausdrucksempiindung verbindet
sich gleicherweise mit der Idee des
Künstlers, den wir nicht mit Namen
kennen, wie mit der Forderung der
Mystik. Der zauberhafte Schmelz
eines sublimen Ausdruckes be-
herrscht das Meisterwerk in Stein,
das nun im Innern der Marthuret-
Kirche steht und beschenkt den Be-
sucher, auch wenn er sich über ihr
Lächeln nicht ganz klar werden
sollte. Ich war inzwischen einige-
male wieder dort und habe viele um
ihren Eindruck befragt, denn nur
von hier aus kann man der Gruppe
gerecht werden. Sie scheint ja nicht
nur in Paris auf, sondern, um weni-
ger bekannte zu nennen, in Sou-
vigny, unweit Moulin oder im Lapi-
dar des Toulouser Museums.11 Wäh-
rend das Kind der Mutter das Vög-
lein zeigt, das zu erhaschen ihm ge-
lungen ist, begegnet sich auch hei-
der Blick. Das Thema der „Blick-
versenkung" wird zum eigentlichen
Kriterium des künstlerischen Ran-
ges wie der Absieht der Aussage.
Nicht daß er etwa hier lyrischer
wäre, etwa im Vergleich mit der
Dramatik der Blickversenkung, wie
sie (Ilaus Sluter in Champmols Kar-
thause an der Begräbniskirche der
Herzöge von Burgund bringt, es
geht vielmehr darum, daß wir er-
kennen, was ihr wissendes Lächeln
meint. Unser Beispiel wechselseiti-
ger, verstehender Blickversenkung
ist mehr als eine Darstellung von
Mutter und Kind in gemeinsamem
Fühlen und der Gottesmutter im
Mutterglück. Die Verklärung im
Lächeln erwächst aus dem gemein-
samen, geheimnisvollen Wissen um
den Preis, der iür das „Vöglein" be-
zahlt werden muß. Der Blick un-
serer lieben Frau triiit sich mit dem
des göttlichen Kindes. Er scheint zu
sagen: „Du weißt ja, Mutuer, was
mir bevorsteht." Und sic scheint
ihm zuzulächeln: „Noch halte ich
dich, mein Kind, mir geschehe nach
dem Willen des Herrn." Solche Ver-
haltcnheit der Aussage verlangt
(von dem unbekannten Meister) eine
ganz besonders verfeinerte Ober-
flächenbehandlung, um im Lächeln
den Ernst und das Wissen, um den
kommenden Opiergang mitschwin-
gen lassen zu können. Man hat das
„innerliche Ausdrucksempfinden"
ästhetisch gewertet, über die Moti-
vierung dieses Lächelns hat man
Ykein Wort verloren und doch bietet
erst sie die Möglichkeit, das Ge-
heimnis beider nun ohne heliendes
Spruchband richtig zu verstehen.
Ist man bei dieser Überlegung an-
gelangt und liest man nun unter
dieser Annahme die Bilder von Mut-
ter und Kind, so ist man überrascht,
wie breit der Raum der Ankündi-
gung der Passion im Bereiche des
Mutterglückes bzw. des Weihnachts-