CHARLOTTE
BLAUENSTEINER
Form : Qualität
Die vom Österreichischen Institut für
Formgebung in der Secession veranstal-
tete Ausstellung „FORM : QUALITÄT"
ist keine Kunstausstellung. Man sollte
nicht einmal von einer Ausstellung an-
gewandter Kunst sprechen. um nicht
die naheliegenden Mißverständnisse mit
dem abgebrauchten Begriff des Kunst-
gewerbes heraufzubeschwören. Was
dort gezeigt wird, sind Gebrauchs-
gegenstände aller Art. in kleineren
oder größeren Serien hergestellt. zum
Teil allerdings mit einem starken Anteil
handwerklicher Fertigung. Es sind Bei-
spiele aus der gegenwärtigen öster-
reichischen Produklion. und zwar solche
Beispiele. die nach dem Grundsatz
ausgewählt wurden. daß Material.
Funktion und Gestaltung nicht als
einzelne Faktoren, sondern in ihrer
Gesamtheit als Merkmale der Qualität
eines Erzeugnisses betrachtet werden
und zugleich diese Qualität sinnfällig
demonstrieren. Dies soll nicht heißen.
daß bei den zugrunde liegenden Ent-
würfen nicht sehr viel künstlerisches,
schöpferisches ldeengut, Können im
weitesten Sinne aufgewendet wurde.
Dieses schöpferische ldeengut allerdings
muß mit mancherlei anderen Faktoren.
wie Fertigung. Verkauf, Verpackung.
Lagermöglichkeiten etc., übereinge-
stimmt werden, um ein handelsfühiges
Produkt auch wirklich zu einem Erfolg
zu machen. Gerade dieser Erfolg aber
und dessen Wirkung auf eine breitere
Käuferschichte tragen dazu bei. Ge-
staltungsideen der Öffentlichkeit nahe-
zubringen.
Die Veranstalter haben nicht beab-
sichtigt. einen vollständigen Über-
blick über das gesamte österreichische
Schaffen auf dem Gebiet des "Design"
zu geben. Es können auch nicht nur
jene hervorragenden Spitzenprodukte
gezeigt werden. die als Musterbei-
spiele der Formgebung der schärfsten
ausländischen Konkurrenz standhalten
könnten. Bei manchen Gegenständen
sind es nur die Ansätze zu einer ziel-
gerichteten Produktplanung, zu posi-
tiven Entwicklungen. die bemerkens-
wert scheinen und aus diesem Grunde
aufgenommen wurden. Nicht nur, daß
die Produktion selbst in vielen Fällen
nur schrittweise die Planung wirklich
zeitgemäßer Farm vorantreiben kann.
um so mehr. als der Mangel an Arbeits-
kräften sich hemmend auswirkt. es
kann auch der Geschmack des Käufers
nicht in einem einzigen Ansturm ge-
wonnen werden. Die Anregungen. die
diese Ausstellung geben möchte. gelten
gleichermaßen für Erzeuger und für
Käufer: Für erstere in dem Sinn. daß
sie Vergleiche ziehen und die Er-
mutigung zu weiterer Planungsarbeit
mitnehmen können. für letztere als
Anregung im Sinne der Förderung
eines Kaufentschlusses. Das gleiche Ziel
verfolgt das vom Österreichischen In-
stitut für Formgebung ausgegebene
Etikett. das auch nach der Ausstellung
jene Gegenstände kennzeichnen soll,
die dort gezeigt wurden Y nicht
eigentlich als Auszeichnung. sondern
als Hinweis, daß diese Produkte durch
ihre Form oder durch ihre auf eine
gute Form gerichtete Entwicklung aus
der Masse des Angebotes hervor-
ragen.
Neue Materialien und neue Her-
stellungsverfahren haben in den letzten
Jahrzehnten völlig neue Gestaltungs-
möglichkeiten erschlossen. Aber auch
die Wandlungen der Sozialstruktur, der
Lebensweise und damit veränderte An-
sprüche und Erwartungen des Benützers
beginnen sich auszuwirken. Die durch
den raschen technischen Fortschritt
noch verstärkte Unsicherheit auf dem
ganzen großen Gebiet des Form-
schaffens soll und muß wieder der
Harmonie weichen: der Harmonie
von Werkstoff. Bearbeitung und Farm.
aber auch der Harmonie zwischen
dem Gebrauchsgegenstand und dem
Menschen, dem er dient. Die gute
österreichische Tradition der Werk-
treue wird, wenn sie richtig im Sinne
einer fortwährenden Erneuerung und
nicht als starres Festhalten an über-
kommenem Formengut verstanden wird,
mithelfen. die Besinnung auf den
Menschen zu finden, die letztlich hinter
allen Bemühungen um die Gestaltung
und auch hinter dieser Ausstellung
steht.
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