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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 56 und 57)

Buchbesprechungen 
Dora Heinz. Europäische Wand- 
teppiche. Verlag Klinkhardt Bi Bier- 
mann. Braunschweig. 
In dem Braunschweiger Verlag Klink- 
hardt St Biermann erscheint in nächster 
Zeit der erste Band des Handbuches 
..Europäische Wandteppiche" von Dora 
Heinz. der bis zum Beginn des17. Jahr- 
hunderts reicht. 
Ein knapp gehaltenes. aber klares und 
erschöpfendes Einleitungskapitel ist allen 
technischen Fragen gewidmet. 
Die Geschichte des Wandteppichs selbst 
beginnt mit der Antike in Mesopotamien. 
Ägypten und Griechenland: da keine 
Denkmäler aus dieser Zeil auf uns 
gekommen sind, muß man sich mit 
literarischen Hinweisen begnügen. 
Günstiger steht es für den Zeitraum 
vom 3. bis zum 7. Jahrhundert: aus 
dieser Kulturepoche haben sich doch 
einige Wandteppiche oder Fragmente 
davon erhalten. Dann aber klafft eine 
Lücke bis zum 11. Jahrhundert. bis zu 
der byzantinischen Seidenwirkerei im 
Bamberger Damschatz. dem soge- 
nannten Bahrluch des Bischofs Günther 
(1- 1065). 
Nach den wuchtigen romanischen Bild- 
teppichen im Haiberstädter Dam und 
den Illustrationen zur Apokalypse in 
Angers reißt der Strom der Denkmäler 
nicht mehr ab; nur der Schwerpunkt 
verlagert sich von Zeit zu Zeit. Paris 
wird abgelöst von Arras. dieses von 
Taurnai. die Loiregegend spielt vor- 
übergehend eine Rolle. bis schließlich 
Brüssel die Vorherrschaft erringt, den 
künstlerischen Anschluß an die ita- 
lienische Renaissance findet und seine 
Einflußsphdre auf die Nachbarländer. 
ja sogar auf Italien ausdehnt. Die 
erhaltenen archivaiischen Nachrichten 
geben Einblick in das Zusammenspiel 
der Kräfte. die zu diesen großen 
Leistungen führen: künstlerischer Ent- 
wurf. kunsthandwerkliche Fähigkeiten. 
materiell wohlfundierte Manufakturen 
(Aelst. Pannemaker, Geubel u. a.). 
schließlich und nicht zuletzt der Auf- 
traggeber und sein Geld. 
Dazwischen fällt der Blick immer 
wieder auf die einfacheren bürger- 
lichen Leistungen in der Schweiz, im 
Elsaß, in Franken und anderwärts: 
lange beharren diese Gegenden bei 
ihren Rücklaken mit den aufgereihten 
Heiligen, einfachen biblischen Szenen, 
Wildmännerdarstellungen und den un- 
entbehrlichen Schriftrollen. bis auch 
hier das Vorbild Brüssels. fürstlicher 
Wille und zugewanderte Kunsthand- 
werker für einen Anschluß sorgen. 
Durch das stete Einschieben von 
Kapiteln, die über die Vorgänge im 
deutschen Kulturraum berichten. zwi- 
schen die Kapitel über die westlichen 
Tapisserien wird Unterschied und An- 
näherungsbestreben besonders klar. 
Den Beschluß bildet ein Katalog der 
gedeuteten Signaturen. die ja in der 
Geschichte derTapisserien eine wichtige 
Rolle spielen. 
Dora Heinz ist die Leiterin der umfang- 
reichen Textilsammlungen am Öster- 
reichischen Museum für angewandte 
Kunst in Wien, und das Schwester- 
60 
institut. das Kunsthistorische Museum, 
besitzt eine von den drei größten 
Sammlungen von Wandteppichen der 
Welt. Mit diesem Buch erscheint endlich 
ein übersichtliches Werk. das ein 
Zurechtfinden in der umfangreichen 
Materie ermöglicht. Ich bin überzeugt. 
daß. wer diesen Band studiert hat, den 
zweiten mit Ungeduld erwarten wird. 
Der Verlag hat das Buch mit mehr als 
zweihundert Schwarzweiß-Abbildungen 
meist großen Formates und einem 
Dutzend Farbtafeln ausgestattet. 
Ignaz Schlosser 
Alfred Stange, Deutsche Malerei 
der Golik, XI. Band. Deutscher 
Kunstverlag. München-Berlin (1961). 
178 Seiten. 37.8 Abbildungen auf 
Tafeln. 
Im Jahre 1934 erschien der erste Band 
von Alfred Stanges großem Werk 
über die deutsche Malerei der Gatik; 
heute liegt es mit dem elften und letzten 
Band abgeschlossen vor. Daß ein der- 
artiges Unternehmen nach 27 Jahren. 
die - wie man weiß 7 wahrlich nicht 
arm an äußeren Katastrophen und 
Krisen waren. tatsächlich zu einem 
guten Ende gebracht werden konnte. 
bezeugt eindrucksvoll. mit welchem 
hohen Bewußtsein gemeinsamer Ver- 
antwortung sich Autor und Verlag 
ihrer Aufgabe stellten. Verdient schon 
dieses Ereignis an sich. überall dankbar 
gewürdigt und als ein Sieg zielstrebiger 
Forschungsarbeit und verlegerischer 
Energie über die Ungunst der Zeit 
gefeiert zu werden. so besteht für die 
österreichische Kunstgeschichte noch 
ein zweiter triftiger Grund, das Er- 
scheinen des .,Stange XI" wärmstens 
zu begrüßen. 
Der erste und zweite Band des Gesamt- 
werkes hatten die österreichische Ma- 
lerei des 14, Jahrhunderts im Zusam- 
menhang mit jener der deutschen Land- 
schaften und unter Einschluß der 
böhmischen behandelt; mit dem elften 
Band, der dem 15. Jahrhundert in 
Österreich und im ostdeutschen Sied- 
lungsraum (von Danzig und Ost- 
preußen bis Slowenien und Sieben- 
bürgen) gewidmet ist. rundet sich das 
Bild einer zweihundertjührigen Ent- 
wicklung. die gerade in ihren Anfängen 
und in ihrer Spätzeit österreichische 
Beiträge von höchstem Rang ein- 
schließt. Dazu kommt, daß die spät- 
gotische Malerei Österreichs zwar schon 
in ihren wichtigsten Aspekten relativ 
gut durchforscht wurde. daß aber eine 
wissenschaftlich verläßliche Zusammen- 
schau aller dieser in zum Teil ganz 
hervorragenden Einzelstudien gewon- 
nenen Ergebnisse bisher nicht zur 
Verfügung stand. 
Hier hat Stange, der in dem vor- 
liegenden Band zwei Drittel des Textes 
und drei Viertel der Abbildungen dem 
österreichischen Material widmet, end- 
lich das Standardwerk geschaffen. das 
der schnellen. doch gründlichen Infor- 
mation ausgezeichnet dient und zu- 
gleich das Fundament für künftige 
Forschungen legt. Darüber hinaus ist 
ein Autor von seinem Rang und seiner 
Erfahrung gegen die Gefahr gefeit. 
die Gedankengänge der älteren Lite- 
ratur kritiklos zu übernehmen. So wird 
man es besonders begrüßen dürfen. 
daß manche zwar nur auf Hypothesen 
ruhende, doch im allgemeinen Be- 
wußtsein schon allzufest verankerte 
kunsthistorische .,Legende" hier neuer- 
lich energisch in Frage gestellt wird. 
(In diesem Zusammenhang sei etwa auf 
die klare Darlegung der Theorien und 
Kontroversen um die Gestalt des 
,.Hans von Tübingen" verwiesen.) 
Daß daneben offene Probleme bestehen 
bleiben, daß auch manche Deutungs- 
versuche und Zuschreibungen des Ver- 
fassers erst von Spezialuntersuchungen 
erhärtet oder korrigiert werden müssen. 
daß schließlich dem Spezialisten ein- 
zelne Ungenauigkeiten auffallen i all 
das versteht sich bei einem so groß 
angelegten und dennoch von der Ar- 
beitskraft nur eines einzigen Menschen 
getragenen Werk von selbst. Um so 
dankbarer darf man vermerken. daß 
zu vielen bisher vernachlässigten oder 
unzureichend durchdachten Detail- 
fragen eine überzeugende Antwort 
geboten wird. (Beispielshaiber mit der 
sehr einleuchtenden Verankerung des 
originellen Buchmalers Martinus opifex 
im bayrischen Milieu.) 
Weiter in die Diskussion sachlicher 
Probleme einzutreten, verbietet uns 
der knappe Raum. Hingegen sei noch 
erwähnt. daß der Text durch die 
Lebendigkeit der Sprache und den 
Schwung der Darstellung auch den 
Nichtfachmann zu fesseln vermag, wie 
denn überhaupt die komprimierte. 
sehr plastische und dem Werturteil 
nicht ausweichende Schreibweise 
Stanges wesentlich zu dem Vergnügen 
beiträgt. das die Lektüre seiner Ar- 
beiten bereitet. Die Ausstattung des 
Bandes hält sich mit gutem Grund an 
das Muster der ganzen Reihe, fußt also 
auf Prinzipien, die im Jahr 1934 fest- 
gelegt wurden. Daß dieserort kein 
"Bilderbuch" nach dem Geschmack 
des Tages entstehen konnte. sei nicht 
verschwiegen. Doch möchten wir 
glauben. daß die Betrachtung des um- 
fänglichen. sehr sorgfältig gedruckten 
Tafelteiles auch dem Laien Gewinn 
bringen sollte; der Fachmann wird es 
jedenfalls begrüßen, daß die Fülle der 
Abbildungen zahlreiche Tafel-, Wand- 
und Buchmalereien einschließt. die 
bisher nach gar nicht oder nur an sehr 
entlegenen Orten publiziert waren. 
Gerhard Schmidt 
Literarisches und Graphisches 
auf Habaner Keramiken. Von 
Adolf Mais. Aus: Österr. Zeitschr. f. 
Volkskunde, Neue Serie, Bd. XV. 
Wien 1961. 
Dem bekannten Spezialisten für die 
Volkskunst des europäischen Ostens ist 
der Nachweis gelungen, daß der so 
charakteristische Dekor auf Habaner 
Keramiken in vielen Fällen von der 
graphischen Ausstattung der von den 
Wiederläufern besonders geschätzten, 
ja verehrten Bücher und Schriften 
abzuleiten ist. Neben den betreffenden 
Hinweisen bringt Dr. Mais eine Reihe 
van analytischen Herauszeichnungen 
dieser Zierelemente und verbindet 
diese mit einer zum Teil gänzlich neu 
geschaffenen Terminologie ("Schreiber- 
schlinge", ,.Flechtknoten". "Zopfleiste", 
..Doppelwelle". "Bogenpyramide" etc.), 
so daß es auch dem Praktiker in Hin- 
kunft unschwer möglich sein wird, sich 
bei der Beschreibung und Bestimmung 
einschlägiger Objekte einer angemes- 
senen Nomenklatur zu bedienen. Dar- 
über hinaus besteht die grundsätzliche 
Bedeutung des ausführlichen Aufsatzes 
in einer neuen Klarlegung des Sinnes 
der Habaner Ware. deren Botschaft, in 
aller Kürze formuliert. lautet: ..Von 
Gott ist alles." 
Ernst Köller
	        
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