bald wieder das Thema ein anderesmal aufgenommen. Das Deckenbild, das er 1759
im Ratssaal der Akademie malte und das sein Aufnahmestück war, als er zum
ordentlichen Mitglied gewählt wurde, hatte wiederum eine Allegorie der Kunst
zum Gegenstand, des näheren, wie der Zeitgenosse A. Weinkopf in seiner Be-
schreibung der Akademie 1783 eingehend schildert, eine Darstellung, „wie hoch
sich die Künste mit tätiger Unterstützung in der ("österreichischen Monarchie empor-
schwingen werden". Das Fresko, dessen ursprüngliche architektonische Umrahmung
von K. F. Sambach gemalt wurde, war in dem kleinen umgebauten Saal im Ober-
geschoß der alten Universität bis in die jüngste Zeit unter der Tünche unsichtbar.
Erst die um 1958 unternommene gründliche Restaurierung konnte die Überreste
des fast schon zugrundegegangenen Werkes befreien, womit mindestens die Konturen
in den Hauptteilen der Komposition zum Vorschein kamen und erhalten werden
konnten. Da steht vor uns die charakteristische allegorische Szene, wie sie auch
von Weinkopf geschildert wurde, mit der thronenden Hauptfigur der Beschützerin
der Künste, dem Kunstlehrer hinter ihr und dem knienden Kunstschüler, der die
Preise entgegennimmt, am Fuße des Thrones. in der Höhe schwebt die allegorische
Gruppe der Künste mit der Akademie an ihrer Spitze, von Saturn und dem öster-
reichischen Schutzgeist geführt.
Die Rekonstruierung der kaum mehr sichtbaren Darstellung wird auch durch eine
bisher unidentifizierte Skizze Maulbertschs erleichtert (Abb. 2). ln den Münchener
Staatsgemäldesammlungen befindet sich ein schwungvoller Entwurfunseres Meisters,
mit allegorischen Gestalten, die mit der oberen Gruppe des Akademiefreskos aufs
schönste übereinstimmen. Die Skizze zeigt den oberen, vierpaßförmigen Abschluß
des Deckengemäldes mit der thronenden Figur der göttlichen Vorsicht im Himmels-
glanz, der nach oben schwebenden Frauengestalt der Akademie, den Genien und
Putten mit den Attributen der Künste. Die Münchener Skizze des fast vernichteten
Akademiefreskos ist auch wegen der festen Datierung (1759) zur näheren Bestim-
mung von Maulbcrtschs zahlreichen Entwürfen aus dieser Zeit von nicht überschätz-
barer Bedeutung.
Mit dem ersten Akademie-Bild von 1750 hatte sich Maulbertsch um den ersten Preis
beworben, mit dem zweiten von 1759 war er zum ordentlichen Mitglied geworden,
das dritte Bild aus dem Jahre 1770 steht mit der Schicksalswendung des alten lnstituts
in Zusammenhang. 1766 war neben der schon im Verfall begriffenen kaiserlichen
Akademie eine mehr fortschrittlichere, modernere Kunstschule, die Kupferstecher-
akademie, mit kaiserlicher Unterstüzung errichtet worden: 1772 wurden die beiden
Anstalten vereint. Maulbertsch stand mit der Kupferstecherakademie und dessen
Direktor 7 seinem späteren Schwiegervater Jakob Schmutzer W seit Anfang an
in inniger Beziehung, präsentierte 1770 ein Aufnahmestück und wurde dadurch
zum Mitglied, später zum Rat der Kunstschule aufgenommen. Dieses Ereignis
wurde in mehreren zeitgenössischen Zeitungen kundgegeben, Maulbertschs Auf-
nahmestück ausführlich beschrieben und gepriesen.
Das in grau-braun gehaltene, außerordentlich glatt gemalte, fein ausgearbeitete
'I'afelbild, das bis heute noch in der Gemäldegalerie der Akademie in Wien auf-
bewahrt wird, stellt eine Allegorie auf das Schicksal der Kunst dar (Abb. 3). Die
durch eine junge Frau personifizierte Kunst wird von einem älteren Mann zu der
auf Wolken herabschwebenden „FreigibigkeiW geführt, um den Preis in Form
eines goldenen Apfels zu übernehmen. Sie urird jedoch auf ihrem Wege von der
Jugend und dem Neid aufgehalten, auch deutet die im Vordergrund betrunken
liegende „Faulheit" auf die weiteren Hindernisse der künstlerischen Laufbahn hin.
Trotz der Übereinstimmung einzelner Motive wird hier die Wandlung, die sich
um die siebziger Jahre in Maulbertschs Auffassungs- und Darstellungsweise voll-
zieht, überaus klar. Es ist kein Zufall, wenn in der Augsburger Kunstzeitung 1770
in Zusammenhang mit Maulbertschs Bild Winckelmanns „Allegorie" zitiert wird,
man würdigt gerade jene Eigenschaften des Werkes, die mit der neuen Kunst-
gesinnung, mit den Forderungen des Klassizismus im Einklang stehen: „die ganze
(iruppe ist so geordnet, daß es zusamm ein Ganzes ohne Verwirrung ausmacht
und sich die Hauptßguren vorteilhaft hervorheben. Die Lichter und Schatten sind
ohne schreyenden Contrast, in einer verständigen Vereinigung... Die Figuren
sind edel und charakterisiert. . . ohne in eine wilde Kühnheit und Überladung
auszuarten". Das sind aber deutlich die neuen Prinzipien der „edlen Einfalt und
stillen Größe", der klaren und sinnvollen Anordnung, der reinen Zeichnung und
nüchternen Darstellungsweise, Prinzipien, die durch die Schriften Winckelmanns,
Hagedorns, Sulzers u. a. in diesen Jahren auch in Österreich und den Erblanden
zu ästhetischen Forderungen wurden. Maulbertsch ist hier -- wie auch in seinen
meisten Werken der Spätzeit - deutlich bemüht, sich den neuen Forderungen
anzupassen, mit dem raschen Wandel des Kunstgeschmacks Schritt zu halten. Seine
ganze Entwicklung ist seit dieser Zeit durch das Streben nach neuen Ausdrucks-
mitteln, durch den KonHikt von Altem und Neuem, der zögernden, doch unwider-
ruflichen Entfernung vom Barock und Rokoko bestimmt. Der Vfeg, den er beschrit-
ten, kann an den drei, in verschiedenen Etappen seiner Entwicklung entstandenen
Akademie-Bildern klar verfolgt werden.
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