BRUNO CRIMSCHITY.
Uubekannle Wkrkr
von Franz flufwl AIUIIHIPFIILJJ
Das aus englischem in Wiener Privatbesitz übergegangene (iemälde mit der Dar-
stellung „Christus im Hause des Pharisäers Simon" gibt die Szene nach den Xlfortcn
des Lucaselisiangeliums: „Dann wandte er sich zu dem Weibe und sprach zu Simon:
,Siehst Du dieses Weib? . . . Und er sprach zu ihr: ,Deine Sünden sind Dir vergeben."
Da Engen die, welche mit zu Tische waren, an, bei sich zu sagen: Wer ist dieser,
der sogar Sünden vergibt? (7, Vers 43750)". Der hoheitsvollen (jestalt Christi,
dessen Hände aufdie zu Boden gebeugte Magdalena und den nachdenklich sinnenden
Pharisäer weisen, ist f durch den Tisch mit dem weißen Tuch getrennt f die
(iruppe der phantasievoll gemalten (iestalten um Simon gegenübergestellt. Fremd-
artig ernst ragt Christus auf, derb und mit exotischen Zügen steigen die Figuren,
eng zusammengedrängt, in einer Pyramide empor. Vor einer hohen Ilogcnnische
hängt ein funkelnder Metalluster auf die (iiruplue nieder. Die Säule vor der Whnrl,
die Vorhänge und die verbindende Schnur sind Requisiten Maulbertscbs, geradeso
wie die Pisenklammer der rund nach vorne ausschwingenden Steinstufe, auf der
die Figuren angeordnet sind. Aus dem tiefen Raumdunkel treten die starken und
leuchtenden Farben, pastos und voll einer inneren Bewegtheit gemalt. Sie weisen
ebenso wie die ganz persönlich übersteigerten Typen auf die Zeit um das Jahr 1765,
als Maulbertsch die Fresken in Schwechat und Klosterbrtick gemalt hat. In dem
Gemälde, das xiöllig durchgeführt erscheint, ist wohl ein Vorentwurf für ein Altar-
bild zu erkennen. Unvergleichlich erscheint die Ausdruckskraft, mit der der biblische
Bericht des Evangeliums verlcbendigt ist: durch eine Malerei, die mit stibjektivster
schöpferischer Kraft das biblische Ereignis in eine geheimnisvoll belebte (legen-
wärtigkeit hebt und durch diese Steigerung der geistigen Intensität die Darstellungs-
welt aller anderen österreichischen Barockmaler überragt.
Zu gleicher Zeit sind zwei mit Bistcr lavierte Blätter von Maulbertsch aufgetaucht.
Die eine Zeichnung mit der Allegorie auf den Triumph des heiligen Kreuzes (Feder,
20,8: 16 cm) trägt das Datum, „22. Juni 176(". Der zeichnerische Strich vereinigt
Iiinergie und Zartheit. Die Lavierung unterstützt die Kontrastierung der hellen und
dunklen Gestalten, die über einem flach empurgewellten (jesims mit dem Kreuz
und Engeln in ein ovalrund sich ("itfnenrles Mittelfeld hin-einreichen. Es ist die
räumliche Figurengruppierung, die an den Deckenbildern der Pfarrkirche von
Sümeg (Verkündigung an Moses, Christus unter den Aposteln) bereits zwei Jahre
früher erscheint. Mit diesen Fresken verbindet die Zeichnung auch die starke Bewegt-
heit aller Gestalten und der souverän erreichte künstlerische Atisdrtick. Die Albertina
besitzt in einem etwas größeren Blatt (ImvNr. 25502) eine schwächere Nachzeich"
nung, die von Klara (iaras in dem Werkverzeichnis ihrer ÄIaulbertscb-Älnno-
graphie als Nummer 55 (Abb. 48) um das Jahr 1754 angesetzt worden ist.
Kaum später als das Blatt mit dem Triumph des heiligen Kreuzes ist die Zeichnung
mit der Darstellung des Martyriums der Heiligen Judas Thadrläus und Simon
entstanden. Die Zeichnung (Feder, 20.4: 12cm) gibt genau die Komposition des
großen Altarbildes, das ich in einem Oratorium der Lilrichskirche in Wien auf,
gefunden habe. Ils beiindet sich nach jahrelanger Ausstellung im Barockmuseum
gegenwärtig in der (ialerie des Schottenstiftes. Die Zeichnung, vollig durchgeführt,
ist keine Studie für das Ölgemalde, sondern eine Wiederholung des ltontposititinellen
(ieriistes, die deshalb wertvoll ist, weil sie das im Ölbilde in den dunklen Grund
versunkene Martyrium des heiligen Simon durch die Säge in seinen llauptzügen
wiedergibt. Auch das Kreuz mit dem leuchtenden Ilerzen und die Märtvrerpalmen
sind deutlicher sichtbar als auf dem Gemälde. Die feinglietlrige Zeichnung über!
mittelt nichts von der großartig gesteigerten Wucht des mächtigen Bildes, an das
keines der gleichzeitigen (iemälde Maulbertschs herankommt. Die 1760 gemalten
Studien für die Fresken der St. Antlreas-(ehem. Jesuiten-)Kirche in Komorn, wie
die Verherrlichung der Weltmission der Jesuitenheiligen Ignatius und Franz Xaver
(Grirnschitz, Deutsche Kunst, Bd. V1.7) und das MartiTIum des heiligen Andreas,
orlienbaren die gleiche Intensität des geistigen Ausdrucks in dem kleinformatigen
Entwurf die auch noch in der Darstellung Christi im Ilause des Pharisäers Simon
erhalten ist - , nicht aber lassen sie die geniale schöpferische Kraft Maulbertschs
in dem Riesenformat des Altarbildes vermuten.