HUNDERTWASSER
BEZAUBERTE
DIE LAGUNENSTADT
Obwohl Österreich noch niemals so
eindrucksvoll auf der Biennale von
Venedig vertreten war. konnte es auch
diesmal keinen Preis erringen. Der
Biennalekommissör Professor Oberham-
mer hatte aber durch Gegenüberstellung
zweier so verschiedenartiger Persön-
lichkeiten. wie des Bildhauers Avra-
midis und des Malers Hundertwasser
einen deutlichen Prestigeerfolg: von
dem festlichen Anblick des Josef
Hoffmon-Pavillons. den Hundertwasser
mit farbigen Mörchenbildern ganz im
Geiste der heroischen Zeit der Wiener
Secession geschmückt hat und von der
festlichen Art des Prüsentierens der
Werke wird man noch lange in der
Lagunenstadt sprechen.
Natürlich muß die Wiederentdeckung
Klimts und Schieles auf dem inter-
nationalen Kunstmarkt dem bewußt in
ihren Spuren wandelnden Maler Hun-
dertwasser zugute kommen. Wuchern-
des Ornament und jene ,.Verschimme-
lung" von der er in seinen Manifesten
spricht, lassen ihn als besten Vollstrecker
ihres Willens erscheinen. Unvermeidlich
wird der Name Hundertwasser einst
mit dem von Klimt und Schiele in einem
genannt werden müssen. Dieser Maler
der unendlichen Spiralen. der bunten
Spielzeughöuser, der spitzen Zäune.
afrikanischen Oasen. tibetanischen Tö-
ler, der roten Regentropfen. der Lepra
alter Mauern, hat sich ein friedliches
Königreich geschaffen. Den für die
Malerei von heute so charakteristischen
temperamentvollen, oft auch verzwei-
felten Explosionsformen. stellt er die
„langsame Explosion" der farbigen
Zellenbildung gegenüber. Formen des
Wachstums wuchern in den von ihm
gemalten Oasen des Friedens.
Avramidis. eine härtere. an der alten
Mittelmeer-Kunst geschulte Persönlich-
keit, läßt. wenn der Besucher der
Biennale vor den zu dreißig Säulen
verwandelten Figuren des gebürtigen
Griechen weilt, an die Geometrie von
Albrecht Dürer und Erhard Schön den-
ken. Seine langwierige beharriiche
Arbeit. die Klarheit seiner Formen wird
von der Farbenglut Hunteriwosserscher
Bilder in Kontrastwirkung voll zur Gel-
tung gebracht.
Den großen Preis der XXXI. Biennale
errang diesmal Alberto Giacometti. ein
Klassiker unter mehreren anderen.
deren Werk die Biennale durch Groß-
ausstellungen ehrt: Odilon Redon
(1840-1916). der Symbalist, Arcliile
Gorky (1904-1948) in dessen Oeuvre
sich Elemente von Picasso, Miro und
deutlich surrealistischer Tendenz glück-
lich vereinen. Arturo Martini (1889 bis
1947) Titanenarbeit an riesigen Marmor-
blöcken, Mario Sironi (1885-1961) aus
dessen gefühlstiefen melancholischen
Bildern echte Monumentalität spricht.
Vergeblich wird der hoffende Kunst-
freund im Pavillon der Sowjetunion
nach einem "Tauwetter" suchen. Der
alte, so tief im 19. Jahrhundert ver-
ankerte „sozialistische Realismus" der
Stalinöra lebt doch unverändert weiter,
der alte Abziehbilderstil im Dienste von
Kolchosen, zum Schmuck sibii
Bahnhöfe. Am Rande der Sow_
bessert sich das Bild. Rumänische
ler imitieren bereits Guttuso. Aus
und Jugoslavien lassen sich h
notieren: Eugeniusz Eibisch, "l
Brzowski, Oton Gliha. Vorteilhal
sich im tschechoslowokischen Pc
der freundliche Kamil Lhotak n
malten Anekdoten von robuste
ringerer Kunst ab.
Manessier, Schöpfer abstrakter r
formatiger Gemälde mit relig
Hintergrund, erhielt den großen
für Malerei. Als bedeutende Leist
von mutigen Einzelgüngern er
nicht minder Aufmerksamkeit di
spachtelten Farbströme des Kan-
Riopelle. wie die unter die fmnzö
Trikolore gestellten Malereien d:
bürtigen Russen Poliakoff.
Die Italiener Mortotti, Pomodoro.
chieri, die Engländer Dalwood
Richards, die Deutschen Heckel
Schuhmacher. die Holländer Cori
Tajiri. ein bezaubernder naiver l
namens Westerik. der Japaner
mata f dies sind einige Höhep
der leider auch schon einige f
dungszeichen ahnen lassenden )'
Biennole. Als schönste Überras(
im Pavillon der USA dürfen die
mungsvollen Montagen von Louis:
velson genannt werden: Bretter. 5c
Räder, Zahnschnitte. zerstörte B
aus Großmutterzeit, in geistre
Weise aneinandergefügt, vergolde
heimnisvollen versunkenen Kathi
len, Altären aus Atlantis gleichend.
Arnulf Neu
iiidcrtwcssel . uphOntklSChCä Schiff e
ibcrg" (aus dci Biennolc m Venedig
"IC von Rcnä Perrot, HDOTYS un Fasse
Vt Villcige". 1955, 250x4t10cm,
Saiten, Aubusson e Finanzministc.
hris (aus der 1. internationalen
c der Tapisserie in Lciiisannc 1962)
GROSSE BIENNALE DER
TAPJSSERIE AM GENFERSEE
Mit einem einzigen, wenn auch sehr
ansehnlichem Stück. Boeckls Stadthallen-
gobelin. ist Österreich auf der Ersten
Internationalen Biennale der Wand-
teppichkunst in Lausanne vertreten.
Grundbedingung zur Teilnahme war
ein Mindestmaß van 12 m2, denn das
CITAM (Centre International de la
Tapisserie Ancienne et Moderne) wollte
aus Repräsentationsgründen mit For-
tissimo beginnen. Zum Citam-Präsi-
denten wurde kein Geringerer als
Jean Lurcat, der verdiente und be-
kannte Erneuerer der Gobelinkunst.
gewählt. Fast alle europäischen und
mehrere Länder aus Übersee folgten
der Einladung zu einem Unternehmen.
das, mit beträchtlichen Mitteln versehen.
hoffen läßt. neben den klalssischen
Kunstbiennalen von Venedig und Säo
Paulo zu bestehen.
Dieser unter dem Patronat der Stadt
Lausanne begonnenen Biennale (Juli
bis September 1962) soll nach zwei
Jahren eine andere, dem kleineren
Teppichformat eingeräumte, folgen. Es
wäre zu beklagen, wenn Österreich
sich 1964 die Gelegenheit entgleiten
ließe, mit einer größeren Anzahl von
Bildteppichen an dieser Manifestation
teilzunehmen. deren Bedeutung übri-
gens auch durch die Mitgliedschaft von
Andre Malraux im Ehrenkomitee der
Biennale angedeutet ist.
Rene Huyghe. der bekannte Kunst-
publizist. hat die Renaissance der Go-
belinkunst als das bedeutendste Ereignis
im Jahrzehnt nach 1945 bezeichnet.
Sinnvoll steht ein Werk des Erneuerers
Lurgat, sein großer Bildteppich .,La
Poesie". 1962 in Felletin ausgeführt.
Maße 400 x 1060 crn. ebenso im
Zentrum der Biennale wie die beiden
Wandteppiche von Henri Matisse "Poly-
nesien w- der Himmel" und "Polye
nesien 7 das Meer". gewebt 1946 748
in Beauvais nach dem Buntpapiere
schnittkarton des Meisters.
..Was ist heutzutage die Aufgabe der
Tapisseriei". So fragt der bekannte
Architekt Le Corbusier in seinem auf-
sehenerregenden Katalogvorwort. .,Der
Teppich ist das Wandbild unserer Tage.
Wir sind Nomaden in Mietwohnungen.
deshalb können wir keine Fresken an-
bringen. Aber den Gobelin, diese
Maueraus Wolle. können wir abhängen.
einrollen. unter den Arm nehmen und
an anderer Stelle aufhängen. Deshalb
habe ich meine Bildteppiche ,Mural-
nomad' genannt." Und als Beispiel für
ein „Muralnomad" von Le Corbusier
bringt die Biennale seinen 1962 in
Felletin gewebten UNESCO-Teppich.
Frankreich. das Land alter Tapisserien-
kunst. hat auch andere bedeutende
Werke nach Lausanne gebracht. Voll
poetischer Kraft, reich an Detail.
exquisit in der Farbe leuchtet der
..Sang der Sterne". 1962, von Robert
Wogensky. Aber auch die blau-schwarz-
rate .,F6erie Mecanique". 1961.
Andre Perrot. die "Wanderung
1962, von Jean Piccirt le Doux best
als exquisite Beispiele französischer
belins.
Auf der Höhe der Brüsseler Webet
entzückt ein Gobelin von Anne B(
"Kompositionen über Themen aus
Typographie". 1959. Hartung und
senkrechten Streifen im Bild, aber
das Nordlicht mögen die Kanad
Rousseau-Vermette zu ihrer schon
fährlich einer Autodecke ähnli
Tapisserie ..Kanadischer Winter" a
regt haben. Auch im Jagdteppich
Japaners Hirozo Murata wurde in
wendung eines den Stoffen von Ab
kleidern ähnlichen Goldgrundes
fährliche Wege beschritten.
Ein ernstes gedankenschweres V
stellt der Pole Wojciech Sadley
gewebt 1962. Bleiche Gestalten zwisi
zwei Feuerströmen. in ihrer Hal
auf die Höhe biblischer Symbolik
bracht. berichten von Auschwitz.
schwieriges Problem wurde sowohl
danklich. wie formal, wie techniscl
überzeugender Weise gelöst. Des Pc
giesen Guilherme Camarinha vi
tümliches Epos vom Senhor de N
zinhos, 1960. die Gewebe der be
Schweizer Denise Voita .,Strahlung
1962 und Ch.-Fr. Philippe ..Die Schi
1958. müssen als sehr gute Beispiel
einer reichhaltigen Kollektion geni
werden. Mit varnehmer Tiefstapelei
schränkt sich der Schwede Einar For
in einem hellgrau-grün-blau gehalte
großen Gobelin „Brücken". 1959,
zarteste Farben. Gletscher und Wä
seines von Asen und Gnomen belel
Nordlandes geben den Hintergr
für ein Kunstwerk von hoher S
rnungskraft und beispielhafter Diszi;
Arnulf Neuw