.,WER SCHÜTZT
ÖSTERREICHS KUNSTBESITZ
VOR DEM AUSVERKAUF!"
Diese Frage ist der Titel eines Artikels
in der Wiener Tageszeitung ..Das
Kleine Volksblatt". Nr. 106, vom 9. Mai
1962. Der nicht genannte Verfasser
weist zunächst auf die Mode des Kunst-
sammelns hin, die er für die Diebstahls-
welle verantwortlich macht. die den
Kunstbestand unserer Kirchen und
Kapellen ernsthaft schmälert. Er fährt
fort: ,.Zu diesem ,schwarzen' Abgang
wichtiger und unersetzlicher Kunst-
werke. . , kommt der offizielle Aus-
verkauf alter und neuer Kunstgegen-
stände aus Privatbesitz durch Auktionen
und den Kunsthandet." Nach Hin-
weisen auf die Kunstauktion des Doro-
theums und auf die Tatsache. daß
. . zur selben Zeit . . . eine namhafte
Wiener Kunsthandlung eine einzig-
artige Sammlung von Gemälden und
Zeichnungen österreichischer Maler aus
der zweiten Hälfte des vorigen Jahr-
hunderts zum Verkauf..," anbietet,
gelangt der Autor zum Schluß, daß
man auch in Österreich ähnlich wie
in Deutschland zu einer genauen Be-
slandsaufnahme des Kunstbesitzes schrei-
ten und ein Verzeichnis der ausfuhr-
gesperrten Kunstgegenstände aus Pri-
vatbesitz erstellen müsse,
Anwürfe dieser Art kann man in Öster-
reich allenthalben hören; daß in unse-
rem Lande ein Ausverkauf von Kunst-
werken sozusagen ohne Ende im Gange
ist, gehört längst schon zu den fixen,
unausrottbaren Vorurteilen einer nicht
nur unzureichend. sondern auch falsch
informierten Öffentlichkeit.
Tatsache ist, daß etwa im Dorotheum
seit acht Jahren äußerst erfolgreiche
Bemühungen im Gange sind. Kunst-
gegenstände aus dem Ausland zu
importieren. um der immer stärker
werdenden Nachfrage Genüge zu tun;
das Inlandsangebot alleine würde längst
nicht zu einer echten Bedarfsbefriedi-
gung ausreichen. und man kann sagen.
daß bei den großen Auktionen des
DIE FRÜHJAHRSAUKTIONEN
BEI DR. HAUSWEDELL. i
HAMBURG
1.--'i. Juni 1962
Die voiii 1. bis 4. Juni durchgeführten
Versteigerungen bei Dr, Ernst Haus-
wedell. Hamburg. erfreuten sich einer
starken Beteiligung von Sammlern,
Bibliotheks- und Musealdirektoren so-
wie der Handlcrsctiaft aus ln- und
Ausland.
Am 1. Juni wurden Bücher und Auto-
graphen ausgebolen, deren Behandlung
grundsätzlich jenseits des Aufgaben-
kreises unserer Zeitschrift liegt. Die
Versteigerung von Graphik. Hand-
zeichnungen, Bildern und Plastiken er-
folgte am 2. Juni. Arbeiten von Künst-
lern des 16. und 19. Jahrhunderts und
dekorative Graphik. Städteansichten,
Landkarten, vor allem aber eine Samm-
lung von mehr als 200 Hamburgensien
stießen auf lebhafte Nachfrage, Nicht
ganz so stark war diesmal das Interesse
für moderne Kunst, Folgende Preise
seien genannt: Barlach, Vorentwurf für
das Güstrower Ehrenmal, Bronze,
DM 9500-: Beckmann, verschiedene
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Institutes etwa 607., der angebotenen
Gegenstände nichtösterreichischer Pro-
venienz sind. In ganz ähnlicher Weise
ist auch der private Kunsthandel Öster-
reichs mit größter Intensität am Werke,
hochwertiges Kunstgut nach Österreich
zu bringen; wenn der obzitierte Artikel
sich als Argument des Hinweises auf
die .,namhafte Wiener Kunsthandlung"
bedient, die mit einer Verkaufsausstel-
lung von Werken der österreichischen
impressionistischen Malerei vor die
Öffentlichkeit tritt, so sei hier nur darauf
hingewiesen, daß gerade diese Firma
den Großteil der ausgebotenen Objekte
im Ausland, in diesem Fall sogar in den
USA, erstanden und erst von dort
Überhaupt nach Österreich gebracht
hat - im Dienste des österreichischen
Sammlers!
Von einem „Ausverkauf" österreichi-
schen Kunstgutes konnte nur in den
Depressionsjahren vor und nach dem
2, Weltkrieg die Rede sein; wenn jetzt
wiederum viel gutes Kunstgut in unsere
Heimat fließt, so ist dabei die Tatsache
zu berücksichtigen, daß wirklicher
Kunsthandet immer international orien-
tiert ist und seine Impulse aus dem viel-
fältigen Geschmacksgefälle bezieht. Es
ist doch so. daß das Käuferpublikum
im Westen Europas andere Dinge liebt
und schützt als die Kunstliebhaber-
schaft in Mittel-. Nord- oder Südeuropa.
So kommt es. daß zweifellos Interessen-
ten atter Herren Länder auch in Öster-
reich nach Objekten suchen, für die
hier geringeres Interesse herrscht. wäh-
rend anderseits gerade der Westen
gerne bereit ist. Kunstgegenstände nach
Österreich abzugeben. die etwa in
England oder Frankreich nicht so
günstig placiert werden könnten als
bei uns. Es ist klar. daß hierzulande
etwa eine gefällige alpenländische
Barockmadonna gefragter ist als in
Frankreich. daß man in Österreich für
einen schönen Tabernakelschrank eben
bedeutend mehr an Erlös erzielt als
etwa in Norddeutschland. während bei
uns prozentuell gesehen die Schicht
der Interessenten für französische Möbel
und Objets d'art weitaus geringer ist
als im Westen - wenngleich auch sie
bei uns durchaus existiert.
Und was die deutsche Sperrliste an-
belangt, kann nur darauf hingewiesen
werden. daß sie ganze 150 Objekte
urnfafJt. also eine lächerlich geringe
Zahl, in der gerade noch mit Müh' und
Not die wirklich mondialen Qualitäten
enthalten sind. In Österreich muß jedes
einzelne Kunstobjekt, das zur Ausfuhr
bestimmt ist, dem Denkmalamt zur
Freigabe unterbreitet werden, so daß
dadurch eine viel dichtere und innigere
Autopsie mit den in Frage stehenden
Werten möglich ist, als dies anderswo
denkbar wäre.
Vor Diebstahl und illegaler Ausfuhr
schützt natürlich keinerlei administra-
tive Maßnahme, weder hier noch dort.
Und gegen den Raub von Kunstgut
helfen sichere Türschlösser sowie ein
aktiveres Interesse der Pfarrherren
wesentlich mehr als die schönsten und
umfassendsten lnventare.
Dr. Ernst Köller
e
Nach Abfassung des oben wiederge-
gebenen Beitrages erschien in der west-
deutschen Kunsthandetszeitschrift „Die
Weltkunst", Nr. 11, v. 1. Juni 1962 ein
Artikel ..Ein- und Ausfuhrstatistik des
deutschen Kunsthandets im Jahre 1961
dem wir folgenden Passus entnehmen:
„Unser Nachbarland Österreich zeigt
folgende Entwicklung: Gegen das Jahr
1960, in welchem das Einfuhr-Ausfuhr-
verhältnis 4:1 war, beträgt dieses 1961
nurmehr 1,511. Österreich erscheint
von Jahr zu Jahr mehr am deutschen
Kunstmarkt als Käufer, Die deutsche
Einfuhr hat sich wertmäßig im ver-
gangenen Jahr gegen das Jahr vorher
sogar um die Hälfte ermäßigt. Die gute
wirtschaftliche Entwicklung Österreichs
der letzten Jahre und eine dementspre-
chende Preisentwicklung am österrei-
chischen Kunstmarkt, die mit regem
Kaufinteresse im Lande selbst gepaart
ist, erschwert für den deutschen Kunst-
handel die Einkaufsmöglichkeit."
Gewiß ein ebenso eindrucksvolles wie
vorurteilsloses Zeugnis gegen das Mär-
chen vom „Ausverkauf" Österreichs!
Radierungen, DM 200,- bis DM 400.-;
Chagall. Nice, farbige Lithographie,
DM 3.100: Dufy, La fee electricite.
DM 2300-; Giltes. Kahtifuhrl, ai.
DM 6.200; Klee, Zeichnung. 1925,
DM 7300-; Kokoschka. Zwei Zeich-
nungen um 1906. DM 1.900.-: Lithos
von Matisse DM 350.- bis 480.-;
Buchausgabe von Matisse, Jazz. DM
7.200.-; Picasso, 26 Aquatintablätter
der Tauromaquia DM 20.000.-; Zeich-
nungen und Aquarelle von Chr. Rohlfs
DM 1.500.- bis DM 3500-; Rouault.
17 Radierungen ,.Cirque" DM 7.400. -.
Zusammenfassend kann gesagt werden,
daß die Arbeiten deutscher expressio-
nistischer Künstler besser und lebhafter
abgesetzt werden konnten als Ra-
dierungen und Lithos französischer
Künstler der Ecole de Paris. Das ist ein
Trend. der sich schon bei der Auktion
des Stuttgarter Kunstkabinettes ange-
bahnt hatte.
In der abschließenden Versteigerung
vom 4. Juni wurden lediglich Kunst-
werke aus China und Japan angeboten.
die im Wesentlichen aus drei Privat-
sammlungen stammten. Bronzen, Por-
zellanobjekte und Malereien aus China
machten den Anfang. Ein Opfergefäß
vom Typ Chüeh erzielte DM 4.600.-;
ein monumentaler Buddhakopf aus der
Sung-Zeit brachte DM 2800-; eine
sang-de-boeuf-Vase wurde um DM
2.600.- abgegeben. Unter den Kunst-
werken aus Siam brachten verschiedene
Bodhisattva-Darstellungen DM 2.300.-
bis DM 4.600.- ein, eine japanische
NO-Maske erbrachte DM 780.-.
Die große Sensation der Auktionstage
ergab sich aber am Nachmittag, als
die Sammlung von mehr als 450 Netsuke
ausgeboten wurde. Eine Sammlung
dieses Umfangs. vor allem aber dieser
Qualität. war wohl noch niemals in
einer Auktion angeboten worden. Alle
großen Sammler dieses Gebietes aus
England, Frankreich. Italien, Holland,
der Schweiz und Deutschland hatten
sich eingefunden, So war es nicht ver-
wunderlich, daß sich für fast alle Num-
mern sehr lebhafte Kämpfe ergaben.
Es wurden Preise erzielt. die bisher für
Netsuke noch nicht bezahlt worden sind.
Den höchsten Preis mit DM 1.900. -
brachte ein sitzendes Kirin, den Hirsch-
kopf in die Luft slreckend! Dicht darauf
folgen die Ergebnisse fur eine ganze
Reihe anderer Stücke, und der Durch-
schnitt der Preise fur die selteneren
Objekte lag zwischen DM 400.- und
DM 600. -.
KUNSTGEGENSTÄNDE
(Zu den Abbildungen 1-10