slisch sind. Aus
knnn auch kaum sagen, daß er durch
ein besonderes Wissen belastet gewesen
wäre. er hat vielmehr. nach einer
kurzen Phase naturalistischer und sur-
realer Versuche, mit einer formalen
Analyse des menschlichemKopfes an-
gesetzt und ist erst durch diese Analyse
- das scheint mir wesentlich ä zu
einer Philosophie gekommen. die Kreuz
und Kugel verbinden möchte und in
manchem an das Denken Hegels er-
innert. ln der Analyse des Kopfes
zeigten sich zuerst Kreis2usommen-
hänge, spüter Zylinder und Kuben.
geometrische Formen mit vegetativem
Ausdruck. Der Kopf schloß sich immer
mehr zu. bis er überhaupt verschwand.
Dieses Sichzuschließen zur nichtdiffe-
renzierlen Kugel. bedingt durch die
einseitige Vorherrschaft der Symmetrie.
diese relative Ausdruckslasigkeit. die
mangelnde Spannung im Werk war
die eigentliche Gefahr seines Schaffens.
Es fehlte. wenn man so sagen darf.
das Kreuz.
Durch die formale Analyse entstanden
gleichzeitig jene punkthaften Einheiten,
die für seine Arbeit seither charakteri-
der geschlossenen
Kugel. dem Nichts der Spannungs-
losigkeit, begann sich wieder der Kopf
zu entfallen. der jetzt, eben durch
diese Formen, magisch anspricht. an
indische, freilich auch an friihchristliche
Kunst erinnernd. Die Einheiten bilden
einerseits Gestalten (Mundpartie, Auge.
Tierhaftes etc.) - Hartlauer spricht
von Zellen. vom Urphanomen der
Zelle w. können aber anderseits durch
Zerlegung selber zu Gestalten werden
(Paradoxie der Unendlichkeit!) Die
Grundstruktur der "Zelle" ist das
Quadrat (die ,.Vier"): ein auf die
Spitze gestelltes Quadrat aufein anderes
gelegt. Dadurch entsteht ein Achteck
mit der Tendenz zum Kreis (bzw. zur
Kugel), gleichzeitig aber auch Dreiecke
(die ,.Drei"). Wesentlich ist, daß in
den größeren Gestalten dieselbe Ge-
setzmäßigkeit waltet wie in den kleine-
ren oder kleinsten. wie potenziell auch
in der punkthaften Einheit. wodurch
die uralte spekulative Identität von
Mikro- und Makrokosmos neu anklingt.
Leitfaden bleibt der Kopf. der von den
verschiedensten Ansichten her sich als
Antlitz zeigt. Dieselben Einheiten (z. B.
vier Punkte. quadratisch angeordnet,
im Zentrum ein Kreuz) haben je nach
ihrem Ort im symbolischen Raum
(oben. unten. links, rechts), der den
Standort des Betrachters einschließt.
unterschiedliche Bedeutungen. Dadurch
erscheinen verschiedene Gestalten. Sa
z. B. zeigen die Augen oben das
menschliche Antlitz. die Augen im
Quadrat unten sprechen hingegen tier-
haft an.
Die geometrische Struktur der „Zelle"
- die ineinandergeschachtelten Qua-
drate - laßt sich am reinsten in der
Flüche darstellen. Dies scheint mir der
Grund, warum Hartlauer 1957 be-
gonnen hat, mit Platten zu arbeiten
(Relief) und notwendigerweise zur
Zeichnung (auf Rasterpapier!) geführt
wurde. nachdem er fast zehn Jahre
hindurch nicht mehr gezeichnet hattel).
Die Platten bzw. Zeichnungen sprechen
dieselbe Sprache wie die Kopfplastik.
nur daß sie naturgemäß "abstrakter"
sind und so an den Aufnehmenden
höhere Anforderungen stellen. thr Vor-
teil freilich ist, daß sie die formalen
Probleme deutlicher aufgeben und so
auch eine einsichtigere Lösung er-
möglichen. Kunst wird hier wieder zur
Forschung. Die Sprache bleibt dieselbe:
Der schöpferische Prozeß des Kreuzes
ergibt Punkte. die Gestalten bilden. und
tendiert durch seine adäquate Aus-
führung über das Achteck zum differen-
zierten Kreis. in dem alles aufgehoben
ist.
Das entscheidende Problem Hartlauers
und seines Werkes ist die alte Frage
der Philosophie. oder sagen wir lieber
des Menschen. nach den Gründen und
Folgen der lndividuation, die als
Abfall vom Ganzen. vom Absoluten,
als Urschuld empfunden wird. freilich
auch als notwendige Trennung, Ver-
selbstündigung: die Tragödie der
Menschwerdung. Der ursprüngliche Zu-
stand des paradiesischen Eingebettet-
seins ist nach der spannungsgeladenen
Differenzierung weder erstrebenswert
noch erreichbar v gesetzt. daß man
die sinnenfüllige Realität nicht zum
tüuschenden Schein verflüchtigt. Eine
Kunst. die einen solchen Zustand ver-
sinnbildlichen wollte. müßte zu einem
gestaltlosen Werk führen, zu einer
conlradictio in adjecto. Hartlauer hat
diese Versuchung durchgemacht und
seine Sprache gefunden: Worauf es
ankommt. ist. sich in neuer Weise ins
Ganze zu fügen. die verfestigten Gegen-
sötze zu überwinden. Kontakt zu be-
kommen mit den Dingen. die Ent-
fremdung aufzuheben, nicht sie rück-
gängig zu machen. So soll der einzelne
aufgehoben sein im Ganzen wie die
Punkleinheit in der Zelle. nicht unter-
jocht oder gar ausgelöscht. sondern
auf seinem Platz, mit seiner Funktion
und Bedeutung. Ob das mehr ist als
ein Wunsch. ist angesichts von Kunst
nicht sehr entscheidend. Ob Hartlauer
seine Aussage bereits endgültig. d. h.
so formuliert hat. wie es möglich würe.
bleibt offen.
Das Bedenken liegt nahe, die philo-
sophische Deutung sei in das Werk
hineingetragen worden. Ein solches
Bedenken lößt sich schwerlich durch
handfeste Argumente zerstreuen. Mir
will scheinen. daß das Werk selber
so spricht. Allerdings nicht zu einem
flüchtigen Betrachter, dem es dekorativ
vorkommen mag. Es fordert die Medi-
tation: nicht das Hineindeuten. aber
das Hineinschauen. Dies zu erleichtern.
ist der Zweck des Kommentars.
Wiederabdruck aus "o." Kunstwerk" 121xv. m2. mit freundlicher Genehmigung 4.; m,
Verlages. Buden-Buden