druckssprache, die schließlich sieg-
reich blieb. Innerhalb dieser Viel-
falt erscheint das Selbstbildnis
der österreichischen Privatsamm-
lung (Abb. 1) von relativer Aus-
geglichenheit. Wohl weist es die
etwas paradoxe Eigenart eines
schwerfälligen Pointillismus auf,
in der zähflüssigen, großforrnigen
Pinselschrift ebenso wie in der
dunklen Gesamtfarbigkeit, in wel-
cher deutlich das dumpfe Hell-
dunkel seiner holländischen Pe-
riode nachklingt. Die große Form
und die „Kleinstruktuf sind aber
nach einem Prinzip zusammen-
gehalten, das ganz ähnlich dem
in den Selbstbildnissen H. VII
und H. 405 angewendeten ist.
Dieses Prinzip besteht darin, daß
das Muster der Pinselstriche wie
ein Strahlengebilde aus zentri-
fugalen magnetischen Kraftlinien,
umschlossen von summarisch an-
gedcuteten konzentrischen Krei-
sen, Wirkt. Wir empfinden dieses
System als suggestiven Ausdruck
intensiver Kraftanspannung in die-
sem Gesicht. Darin ist das vor-
bereitet, was bald danach, in
Atlas und in Saint-Remy, in
deutlicherer Weise in der Kunst
Van Goghs auftritt. Mit solchen
Strahlenformen aus zentrifugal und
aus konzentrisch angeordneten
Strichen hat er ja immer wieder
die Sonne und Lampen gemalt
und gezeichnet, mitunter in einer
bis zum äußersten vereinfachten
schematischen Weise. Es gibt da-
neben aber auch eine verborge-
ncre, kompliziertere und reichere
Modifikation dieses Formprinzips.
S0 zum Beispiel in der Rohr-
federzeichnung nach dem alten
Bauern Patience Escalier (im Fogg
Art Museum, Cambridge, De la
Faille Nr.1460), in der im Bild-
Zentrum, um Mund und Wangen
des Mannes, seltsame Strahlen-
formen sich verdichten. Aber auch
in seinen späteren Bildnissen, also
auch den Selbstbildnissen, in denen
der anfängliche Pointillismus
längst zu einer eigenen graphi-
schen Sprache umgebildet ist,
glauben wir jenes Prinzip einer
zentrifugalen Ausstrahlung, die
zugleich eine Bindung ist (auch
deshalb, weil sie ebensogut zentri-
petal gelesen werden kann), zu
spüren. Was in jenen früheren
Werken unmittelbar, wie ein Dia-
gramm, sichtbar ist, bleibt in
seiner Kunst jederzeit und in zu-
nehmender lntensität spürbar: das
Kraftzentrum, von dem aus die
Anatomie eines Gesichts, aber
auch ein roter Gegenstand und
auch, in der Sphäre einer über?
steigerten Perspektive, ein Land-
schaftsausschnitt erfaßt sind.