begannen die Verhandlungen in der ersten Instanz.
Die Sache scheint dort bereits zugunsten Hefeles
entschieden worden zu sein, wurde aber „ad revi-
denrlum" zur höchsten Instanz weitergeleitet. Hier
kam es dann in der Zeit vom 14. bis 29. Mai 1752
zur Verhandlung. Die beiden Gegner reichten ihre
Memoranden und die von Sachverständigen ein-
geholten Urteile ein. Die Sicherheit, mit der Hefele
seinen Standpunkt vertrat, kommt unter anderem
in folgenden Worten zum Ausdruck: „wie ich
mich auf die ganze kais. königl. academie sowohl
circa artem, als auch circa pretium beziehe, daß die
Arbeith auf jene von mir vorgeschlagene Ardt
dretlilicl": seye." Tatsächlich hatten sich die führenden
Fachleute der Akademie, Matthäus Donner, Franz
Kohl und Jakob Schletterer, in ihren Gutachten
einhellig zugunsten Hefeles ausgesprochen. So
sagte z. B. M. Donner, Hefele habe „vermög der
Bilthauer-Arbeit, mit nichten den Bauhern über-
nohmen" und fand alles „vermög der daher ge-
hörigen History untadelhaft eingetheilet, weil die
Bildhauerey mit der Architektur meisterlich über-
einstimmet welches genügsam erweist, daß er
(Hefele) einen gründlichen Architecten weiset". Es
ist interessant zu sehen, wie bei den Urteilen der
Sachverständigen die jeweiligen Fachgebiete der
Künstler zur Geltung kommen. Donner und Kohl
arbeiteten vornehmlich in Metall und beurteilten
die Angelegenheit nur von diesem Gesichtspunkt.
Schletterer hingegen, der für alle seine Plastiken
ausschließlich Stein oder Holz verwendete, nahm
als Grundlage seines Urteils an, daß die Figuren -
dem Alternativvorschlag entsprechend -- aus Holz
zu verfertigen seien. Er war für diesen Fall als
ausführender Künstler von Hefele vorgesehen
worden. Solcherart künstlerisch-technische Unter-
scheidungen hatte der Abt nicht berücksichtigt,
wahrscheinlich auch gar nicht gekannt. Am 21. Mai
1752 wurde diese Verhandlung gleichfalls zugunsten
Hefeles abgeschlossen und vor dem Rektor der
Akademie, Michelangelo Unterberger, und den
beiden Professoren der Bildhauerei, Matthäus
Donner und C. Schletterer, ein Vergleich unter-
zeichnet. Demnach wurde der im Jahre vorher
errichtete Kontrakt als gültig anerkannt und Hefele
wieder in alle Rechte eingesetzt. Nach einer Warte-
zeit von drei Monaten sollte mit den Arbeiten
begonnen werden.
Heines Wissens sind in der Wiener Kunstgeschichte
bisher wenige Fälle bekannt geworden, aus denen
so überzeugend wie hier zu ersehen ist, welche
Rolle damals der Akademie zukam. Sie war im-
stande, die lnteressen eines ihr assoziierten Künstlers
mit allem Nachdruck zu vertreten, und ihre zur Beur-
teilung eines Sachverhaltes herangezogenen Mitglieder
wurden als maßgebende Autoritäten anerkannt.
Die Errichtung des Altares beanspruchte freilich
noch die beachtliche Zeit von nahezu fünf Jahren.
ln einem Brief vom 17. Juli 1756 berichtet Pater
Modcstus von Sonntagberg an den Abt nach
Seitenstetten über den Fortgang der Arbeit:
„ . . . uns allen gefallet alles ungemein wohl: dabey
gehet alles so geschwind ihnen aus ihren Händen,
daß sie längstens umb Maria Geburth oder gar
bald darnach werden vollkommen fertig seyn."
Diese Annahme war allerdings zu optimistisch, denn
die feierliche Übertragung des Gnadenbildes auf
den neuen Hochaltar erfolgte erst am 1. Mai 1757,
und Hefeles Quittung über den Erhalt des vertrag-
lich festgesetzten Honorars trägt das Datum vom
18. Mai 1757.
20
Hefeles Mitarbeiter, der Meister des statuarischen
Schmuckes, war Jakob Christoph Schletterer. Der
Nachweis über seine Tätigkeit für Sonntagberg
wurde an anderer Stelle in aller Ausführlichkeit
erbracht, weshalb von einer nochmaligen Beweis-
führung abgesehen werden kann. Auch würde es
zu weit führen, in diesem Rahmen über das gesamte
Altarwerk zu referieren. Wohl aber scheint es
angebracht, auf dessen bedeutendste Plastiken näher
einzugehen, die vier Marmurengel, die den Haupt-
schmuck des zentralen Teils der ganzen Altar-
komposition bilden.
Um es gleich zu sagen: lhre künstlerische Qualität
ist bis vor kurzem ebenso unerkannt geblieben,
wie der Name ihres Meisters unbekannt war. Und
doch handelt es sich hier um Leistungen der haupt-
städtischen Akademiekunst, die in beispielhafter
Weise den Stil der österreichischen Plastik um die
Mitte des 18. Jahrhunderts verkörpern. Wie selten
an einer Gruppe von Skulpturen, lassen sich an
diesen beiden Engelpaaren die verschiedenen künst-
lerischen Strömungen ablesen, die damals Geltung
und darum prägende Wirkung hatten. Schletterer
konnte sich mit allen Stilrichtungen, die in den so
produktiven Dezennien von 1720 bis 1750 in Öster-
reich zum Durchbruch kamen, intensiv ausein-
andersetzen, weil er seit Beginn seiner Laufbahn
Gelegenheit hatte, an der Ausführung wichtiger
plastischer Aufträge beteiligt zu sein und mit
maßgebenden Künstlern in Kontakt zu kommen.
Wenn wir sein Leben 5) darauf hin überblicken,
können wir feststellen, daß vor allem drei Rich-
tungen für seinen persönlichen Stil maßgebend
wurden: Die hochbarocke Tradition, mit der er
bei Stanetti in Berührung kam und mit der er sich
auch in Zwettl auseinanderzusetzen hatte, als es
galt, die Entwürfe von Matthias Götz zur Aus-
führung zu bringen; die Verbindung mit Raphael
Donner, dessen geniale Kunst auf ihn einen so
unauslöschlichen Eindruck ausübte, daß er sich,
wo immer dazu die Gelegenheit gegeben war, als
Nachfolger dieses großen Vorbildes bekannte; der
Einfluß der akademischen Schulung, deren Tendenz
zur Harmonisierung und ldealisierung auf den
Eintluß des Akademiedirektors Jakob van Schuppen
zurückging, der, in Paris ausgebildet, die dortige
Kunstrichtung propagierte.
Diese drei Stilelemente verwendete Schletterer auch
für die Gestaltung der Sonntagberger Engel.
Die Seraphim (Abb. 7, 8, 9) erweisen sich als ein
deutlicher Rückgriff auf das Vorbild Donners.
Dabei sind sie im Typus, mehr noch als es l-lefeles
Modell vorsah, den Anbetungsengeln im Preß-
burger Dorn angeglichen. Die Durchbildung der
Formen entspricht jedoch weniger diesem frühen
Stil Donners, sondern schließt an die glatteren und
feingliedrigeren Formen seiner Spätwerke an. Aber
die Körperbildung ist schmächtiger und das Tem-
perament, der Ausdruck, passiver in sich versunken
und voll Gefühl. Damit werden diese Engel zu
typischen Beispielen des „zarten Stils", wie er an
Donners Vorbild anschließend von Wien seinen
Ausgang nahm, durch den Bayern Johann Bapt.
Straub (1704-84), einen Mitschüler Schletterers an
der Akademie, ausgebildet und von dessen Schüler
Ignaz Günther (1725-75) zur höchsten Vollendung
geführt wurde. Doch bei aller Verwandtschaft des
Ausdrucks und der Formen, welcher Gegensatz bei
deren Anwendung und in der Gesamtkomposition.
Günthers kaprizifäse Eigenwilligkeit und Eleganz
wurde in der Wiener Plastik niemals in solchem
ANMERKUNGEN:
')ln meiner Disertalion "Jakob
Christoph Schletterer. ein Bild-
hauer des Wielier Spätbarock"
(Wien 1950) habe ltlt (auf
s 1537173) die Entstehungs-
Y rllirhte des Sonntagherger
Hocliultars an Hand der im
Archiv von Stift Seizensterteii
verwahrten Akten ennnals aus-
Flilirlich dargntellt. ltn Ali-
wlilnß daran knnnte ich nach-
' daß J. C. Scliletrercr
ster der Alta lastiken
war. Umfangreiche uellen-
nllgnbe; zahlreiche wi htige
Stellen aus deti Akten wörtlich
im Anhang zitie .
1).. asltumdolo' udernTrauer-
ger t" btczeiclinete man in
der liarockzeit die Prtlnkzuf-
hahrung verstorbener Munar-
eben oder hoehgestelltur Persön-
lirlikeiten.
1) rar-u. in Weil i, Timl. 1099.
ilni a Jahn: jirrigr-r rrli (z. R.
Donner (geb. 169a). zu dessen
Generation er demnach gehörte.
Kam zwischen 1716 und 1721
iiwli Wien in die Werkstatt
joltann Stane , der 1iir Fischer
von Erlach und Hildebrandt
tätig wai". Ein kurzer Aufenthalt
in Venedig ist wahrscheinlich.
Nach seiner Rückkehr arbeitete
er zusammen mit Johann Chri-
sto h Madcr an den Säulen-
reliefs der Karlskirrhe. ln den
glel ieli Jahren (ms-n)
seheint sein Name ini r hüler-
verzeichnis der Akademie auf.
Als es zwischen ihin und Mader
zu Unstititiuigkeiten krlnl, ver-
ließ er Wien und vin zu
Raphael Donner nach alz utg.
der damals die Srie nhaus-
plastiken Hit Sehloß irabell
schuf Schletterers Anwesenheit
im Wien ist erst wieder Ftit die
jaire 1730 bis 1733 verbürgt;
neu lieh Schuler der Aka-
demie. S. verließ XVieti und
die Akademie im juni 1733.
begab sich nach Stift Zweit]
und begann damit seine selb-
ständige Laufbahn als Bild-
hauer. Er war von seinem
Landsmann und Mitschüler Paul
Troger dein Abt des Stirn-s.
Melehior von Zattitagg, emp-
fohlen worden. Führre die
Plastiken für 11 Seitenaltare
aus. deren Entwurfe teils von
Matthias Gbtz. teils von Iosef
Mimggcnasr stammten. Schur
nebenbei einige vö ig eigen-
Ständige Stcinplastikeli (Figur
der Immaculata und vier große
Sandsteinreliefs im Querschiii"
der Kirche). Als Steinbildhauer
erweist er sich in seinem Element.
Nach vier Jahren (m7) be-
endete S. seine Tätigkeit in
Zwettl. ließ sich in Stein nieder,
heiratete und richtete als ..Ka
serlicli academischer und bü
gerlicher Bildhauer zu Stein"
seine eigene Werkstatt ein.
Von hier aus führte er ver-
schiedcne Aufträge riir Klöster
der näheren und weiteren Um-
gebulig aus; riir Altenburg.
(Jeras ulid St. Piilten. Aber
schon 1745 war S. wieder in
Wien. zuliäthst als "Assnziie
ter" der Akademie. bis er dann
1751 zum Professor der Bild-
hauerei an die Akader selbst
btrufeti wurde. Dieses Chtige
Amt behielt er bis zu stnem
Tod im Jahre 17715. Nebenbei
entstand eine beachtliche An-
zalil von Werken. darunter
im Maritioigrabmal mit der
kiiiellden Figur des Feldmar-
schallt Jriliarrrr Josef vlii pp
Graf Harrach in der Wie er
Deutschordenskirche. die Pla-
stiken für den Hodialtar der
Pfarrkirclie in Stein (1751:
le' tiel der Altar der Re-
gorlslerullg zum Opfer und die
Skulpturen wurden teils ander-
weitig verwendet. teils beiseite
geräumt). die Pla iken mr
den Hochaltar in Sunntagberg
(1752756). das Aufnaliinestück
ftir die Akademie "Minerva
siegt über Neid und Unwissen-
lieit" (1757, ein Kabinettstück
aus Alabaster. heute im österr.
Barockmuseum, Wien). Von den
anderen Arbeiten. wie z. B. den
llmfangteiCheli Zyklen von
Parktiguren fiir E senstadt,
Draßburg und Mödli oder
Altarfiguren riir Kirc en iri
und außerhalb von Wien, haben
sielt zum Teil nicht mehr alle
Plastiken erhalten.
9 Kopf dcs rechten Scraph 1