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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 66)

begannen die Verhandlungen in der ersten Instanz. 
Die Sache scheint dort bereits zugunsten Hefeles 
entschieden worden zu sein, wurde aber „ad revi- 
denrlum" zur höchsten Instanz weitergeleitet. Hier 
kam es dann in der Zeit vom 14. bis 29. Mai 1752 
zur Verhandlung. Die beiden Gegner reichten ihre 
Memoranden und die von Sachverständigen ein- 
geholten Urteile ein. Die Sicherheit, mit der Hefele 
seinen Standpunkt vertrat, kommt unter anderem 
in folgenden Worten zum Ausdruck: „wie ich 
mich auf die ganze kais. königl. academie sowohl 
circa artem, als auch circa pretium beziehe, daß die 
Arbeith auf jene von mir vorgeschlagene Ardt 
dretlilicl": seye." Tatsächlich hatten sich die führenden 
Fachleute der Akademie, Matthäus Donner, Franz 
Kohl und Jakob Schletterer, in ihren Gutachten 
einhellig zugunsten Hefeles ausgesprochen. So 
sagte z. B. M. Donner, Hefele habe „vermög der 
Bilthauer-Arbeit, mit nichten den Bauhern über- 
nohmen" und fand alles „vermög der daher ge- 
hörigen History untadelhaft eingetheilet, weil die 
Bildhauerey mit der Architektur meisterlich über- 
einstimmet  welches genügsam erweist, daß er 
(Hefele) einen gründlichen Architecten weiset". Es 
ist interessant zu sehen, wie bei den Urteilen der 
Sachverständigen die jeweiligen Fachgebiete der 
Künstler zur Geltung kommen. Donner und Kohl 
arbeiteten vornehmlich in Metall und beurteilten 
die Angelegenheit nur von diesem Gesichtspunkt. 
Schletterer hingegen, der für alle seine Plastiken 
ausschließlich Stein oder Holz verwendete, nahm 
als Grundlage seines Urteils an, daß die Figuren - 
dem Alternativvorschlag entsprechend -- aus Holz 
zu verfertigen seien. Er war für diesen Fall als 
ausführender Künstler von Hefele vorgesehen 
worden. Solcherart künstlerisch-technische Unter- 
scheidungen hatte der Abt nicht berücksichtigt, 
wahrscheinlich auch gar nicht gekannt. Am 21. Mai 
1752 wurde diese Verhandlung gleichfalls zugunsten 
Hefeles abgeschlossen und vor dem Rektor der 
Akademie, Michelangelo Unterberger, und den 
beiden Professoren der Bildhauerei, Matthäus 
Donner und  C. Schletterer, ein Vergleich unter- 
zeichnet. Demnach wurde der im Jahre vorher 
errichtete Kontrakt als gültig anerkannt und Hefele 
wieder in alle Rechte eingesetzt. Nach einer Warte- 
zeit von drei Monaten sollte mit den Arbeiten 
begonnen werden. 
Heines Wissens sind in der Wiener Kunstgeschichte 
bisher wenige Fälle bekannt geworden, aus denen 
so überzeugend wie hier zu ersehen ist, welche 
Rolle damals der Akademie zukam. Sie war im- 
stande, die lnteressen eines ihr assoziierten Künstlers 
mit allem Nachdruck zu vertreten, und ihre zur Beur- 
teilung eines Sachverhaltes herangezogenen Mitglieder 
wurden als maßgebende Autoritäten anerkannt. 
Die Errichtung des Altares beanspruchte freilich 
noch die beachtliche Zeit von nahezu fünf Jahren. 
ln einem Brief vom 17. Juli 1756 berichtet Pater 
Modcstus von Sonntagberg an den Abt nach 
Seitenstetten über den Fortgang der Arbeit: 
„ . . . uns allen gefallet alles ungemein wohl: dabey 
gehet alles so geschwind ihnen aus ihren Händen, 
daß sie längstens umb Maria Geburth oder gar 
bald darnach werden vollkommen fertig seyn." 
Diese Annahme war allerdings zu optimistisch, denn 
die feierliche Übertragung des Gnadenbildes auf 
den neuen Hochaltar erfolgte erst am 1. Mai 1757, 
und Hefeles Quittung über den Erhalt des vertrag- 
lich festgesetzten Honorars trägt das Datum vom 
18. Mai 1757. 
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Hefeles Mitarbeiter, der Meister des statuarischen 
Schmuckes, war Jakob Christoph Schletterer. Der 
Nachweis über seine Tätigkeit für Sonntagberg 
wurde an anderer Stelle in aller Ausführlichkeit 
erbracht, weshalb von einer nochmaligen Beweis- 
führung abgesehen werden kann. Auch würde es 
zu weit führen, in diesem Rahmen über das gesamte 
Altarwerk zu referieren. Wohl aber scheint es 
angebracht, auf dessen bedeutendste Plastiken näher 
einzugehen, die vier Marmurengel, die den Haupt- 
schmuck des zentralen Teils der ganzen Altar- 
komposition bilden. 
Um es gleich zu sagen: lhre künstlerische Qualität 
ist bis vor kurzem ebenso unerkannt geblieben, 
wie der Name ihres Meisters unbekannt war. Und 
doch handelt es sich hier um Leistungen der haupt- 
städtischen Akademiekunst, die in beispielhafter 
Weise den Stil der österreichischen Plastik um die 
Mitte des 18. Jahrhunderts verkörpern. Wie selten 
an einer Gruppe von Skulpturen, lassen sich an 
diesen beiden Engelpaaren die verschiedenen künst- 
lerischen Strömungen ablesen, die damals Geltung 
und darum prägende Wirkung hatten. Schletterer 
konnte sich mit allen Stilrichtungen, die in den so 
produktiven Dezennien von 1720 bis 1750 in Öster- 
reich zum Durchbruch kamen, intensiv ausein- 
andersetzen, weil er seit Beginn seiner Laufbahn 
Gelegenheit hatte, an der Ausführung wichtiger 
plastischer Aufträge beteiligt zu sein und mit 
maßgebenden Künstlern in Kontakt zu kommen. 
Wenn wir sein Leben 5) darauf hin überblicken, 
können wir feststellen, daß vor allem drei Rich- 
tungen für seinen persönlichen Stil maßgebend 
wurden: Die hochbarocke Tradition, mit der er 
bei Stanetti in Berührung kam und mit der er sich 
auch in Zwettl auseinanderzusetzen hatte, als es 
galt, die Entwürfe von Matthias Götz zur Aus- 
führung zu bringen; die Verbindung mit Raphael 
Donner, dessen geniale Kunst auf ihn einen so 
unauslöschlichen Eindruck ausübte, daß er sich, 
wo immer dazu die Gelegenheit gegeben war, als 
Nachfolger dieses großen Vorbildes bekannte; der 
Einfluß der akademischen Schulung, deren Tendenz 
zur Harmonisierung und ldealisierung auf den 
Eintluß des Akademiedirektors Jakob van Schuppen 
zurückging, der, in Paris ausgebildet, die dortige 
Kunstrichtung propagierte. 
Diese drei Stilelemente verwendete Schletterer auch 
für die Gestaltung der Sonntagberger Engel. 
Die Seraphim (Abb. 7, 8, 9) erweisen sich als ein 
deutlicher Rückgriff auf das Vorbild Donners. 
Dabei sind sie im Typus, mehr noch als es l-lefeles 
Modell vorsah, den Anbetungsengeln im Preß- 
burger Dorn angeglichen. Die Durchbildung der 
Formen entspricht jedoch weniger diesem frühen 
Stil Donners, sondern schließt an die glatteren und 
feingliedrigeren Formen seiner Spätwerke an. Aber 
die Körperbildung ist schmächtiger und das Tem- 
perament, der Ausdruck, passiver in sich versunken 
und voll Gefühl. Damit werden diese Engel zu 
typischen Beispielen des „zarten Stils", wie er an 
Donners Vorbild anschließend von Wien seinen 
Ausgang nahm, durch den Bayern Johann Bapt. 
Straub (1704-84), einen Mitschüler Schletterers an 
der Akademie, ausgebildet und von dessen Schüler 
Ignaz Günther (1725-75) zur höchsten Vollendung 
geführt wurde. Doch bei aller Verwandtschaft des 
Ausdrucks und der Formen, welcher Gegensatz bei 
deren Anwendung und in der Gesamtkomposition. 
Günthers kaprizifäse Eigenwilligkeit und Eleganz 
wurde in der Wiener Plastik niemals in solchem 
ANMERKUNGEN: 
')ln meiner Disertalion "Jakob 
Christoph Schletterer. ein Bild- 
hauer des Wielier Spätbarock" 
(Wien 1950) habe ltlt (auf 
s 1537173) die Entstehungs- 
Y rllirhte des Sonntagherger 
Hocliultars an Hand der im 
Archiv von Stift Seizensterteii 
verwahrten Akten ennnals aus- 
Flilirlich dargntellt. ltn Ali- 
wlilnß daran knnnte ich nach- 
' daß J. C. Scliletrercr 
ster der Alta lastiken 
war. Umfangreiche uellen- 
nllgnbe; zahlreiche wi htige 
Stellen aus deti Akten wörtlich 
im Anhang zitie . 
1).. asltumdolo' udernTrauer- 
ger t" btczeiclinete man in 
der liarockzeit die Prtlnkzuf- 
hahrung verstorbener Munar- 
eben oder hoehgestelltur Persön- 
lirlikeiten. 
1) rar-u. in Weil i, Timl. 1099. 
ilni a Jahn: jirrigr-r rrli (z. R. 
Donner (geb. 169a). zu dessen 
Generation er demnach gehörte. 
Kam zwischen 1716 und 1721 
iiwli Wien in die Werkstatt 
joltann Stane , der 1iir Fischer 
von Erlach und Hildebrandt 
tätig wai". Ein kurzer Aufenthalt 
in Venedig ist wahrscheinlich. 
Nach seiner Rückkehr arbeitete 
er zusammen mit Johann Chri- 
sto h Madcr an den Säulen- 
reliefs der Karlskirrhe. ln den 
glel ieli Jahren (ms-n) 
seheint sein Name ini r hüler- 
verzeichnis der Akademie auf. 
Als es zwischen ihin und Mader 
zu Unstititiuigkeiten krlnl, ver- 
ließ er Wien und vin zu 
Raphael Donner nach alz utg. 
der damals die Srie nhaus- 
plastiken Hit Sehloß irabell 
schuf Schletterers Anwesenheit 
im Wien ist erst wieder Ftit die 
jaire 1730 bis 1733 verbürgt; 
neu lieh Schuler der Aka- 
demie. S. verließ XVieti und 
die Akademie im juni 1733. 
begab sich nach Stift Zweit] 
und begann damit seine selb- 
ständige Laufbahn als Bild- 
hauer. Er war von seinem 
Landsmann und Mitschüler Paul 
Troger dein Abt des Stirn-s. 
Melehior von Zattitagg, emp- 
fohlen worden. Führre die 
Plastiken für 11 Seitenaltare 
aus. deren Entwurfe teils von 
Matthias Gbtz. teils von Iosef 
Mimggcnasr stammten. Schur 
nebenbei einige vö ig eigen- 
Ständige Stcinplastikeli (Figur 
der Immaculata und vier große 
Sandsteinreliefs im Querschiii" 
der Kirche). Als Steinbildhauer 
erweist er sich in seinem Element. 
Nach vier Jahren (m7) be- 
endete S. seine Tätigkeit in 
Zwettl. ließ sich in Stein nieder, 
heiratete und richtete als ..Ka 
serlicli academischer und bü 
gerlicher Bildhauer zu Stein" 
seine eigene Werkstatt ein. 
Von hier aus führte er ver- 
schiedcne Aufträge riir Klöster 
der näheren und weiteren Um- 
gebulig aus; riir Altenburg. 
(Jeras ulid St. Piilten. Aber 
schon 1745 war S. wieder in 
Wien. zuliäthst als "Assnziie 
ter" der Akademie. bis er dann 
1751 zum Professor der Bild- 
hauerei an die Akader selbst 
btrufeti wurde. Dieses Chtige 
Amt behielt er bis zu stnem 
Tod im Jahre 17715. Nebenbei 
entstand eine beachtliche An- 
zalil von Werken. darunter 
im Maritioigrabmal mit der 
kiiiellden Figur des Feldmar- 
schallt Jriliarrrr Josef vlii pp 
Graf Harrach in der Wie er 
Deutschordenskirche. die Pla- 
stiken für den Hodialtar der 
Pfarrkirclie in Stein (1751: 
le' tiel der Altar der Re- 
gorlslerullg zum Opfer und die 
Skulpturen wurden teils ander- 
weitig verwendet. teils beiseite 
geräumt). die Pla iken mr 
den Hochaltar in Sunntagberg 
(1752756). das Aufnaliinestück 
ftir die Akademie "Minerva 
siegt über Neid und Unwissen- 
lieit" (1757, ein Kabinettstück 
aus Alabaster. heute im österr. 
Barockmuseum, Wien). Von den 
anderen Arbeiten. wie z. B. den 
llmfangteiCheli Zyklen von 
Parktiguren fiir E senstadt, 
Draßburg und Mödli oder 
Altarfiguren riir Kirc en iri 
und außerhalb von Wien, haben 
sielt zum Teil nicht mehr alle 
Plastiken erhalten. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
9 Kopf dcs rechten Scraph 1
	        
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