IG N A Z S C H LO S S F. R Jhrrngale -
Iirxatgizzalerialieu und Ersatglerblzikerl
Der Begriff des Surrogatcs, des Ersatzes, ist für
unsere Generation mit kriegerischen Verwicklungen
und den daraus erwachsenden wirtschaftlichen
Schwierigkeiten verbunden. Nun, im Kunsthand-
werk hat es Surrogate, und zwar im weitesten Sinn,
sowohl in bezug auf Material als auch auf Technik,
immer schon gegeben. Und die Ursachen dazu?
Um rascher und billiger erzeugen zu können, oder
weil man sich aus irgendwelchen (iründen mit
billigerem Material begnügen mußte. Die Regel,
die sonst für das Surrogat gilt, daß es selbständig
werden, sich durchsetzen kann und dann den Cha-
rakter eines Surrogates verliert, trifft in manchen
Fällen auch auf das Kunsthandwerk zu; anderseits
aber waren viele dieser Erscheinungen zu kurzlebig
um sich durchzusetzen, wie manche Erfindungen,
die bald wieder in Vergessenheit geraten.
Einen besonderen Fall von Hartnäckigkeit stellt das
Bedrucken von Geweben dar; in allen Zeiten, aus
denen sich Gewebe erhalten haben, hat man neben
dem Weben, Wirken und Sticken eine Musterung
auch durch das billigere und einfachere Verfahren
des Bedruckens angestrebt.
Nördlich der Alpen war es nur zu begreiflich, daß
man den mittelalterlichen importierten Seiden-
geweben einen Ersatz entgegenstellen wollte g
durch Bedrucken mit bunten Mustern, die man den
seidenen Geweben entlehnte (Beispiele bei Renate
Jaques, Mittelalterlicher Textildruck am Rhein; 1950)
(Abb. 1). Sogar noch im 16. Jahrhundert verfaßt
Margarete Holzschuher im Katharinenkloster zu
Nürnberg eine Anleitung fair „Gold- und Silber-
druck auf Stoffe"; aber auch in ltalien, wo man
glauben könnte, claß sich der Gedanke an ein
Surrogat nicht lohnte, schreibt Cennini in Padua
zu Beginn des 15. Jahrhunderts über „die Kunst
mit der Form auf Zeug zu malen".
Am beredtesten sind wohl die großen Beispiele
aus dem 15. Jahrhundert, die als Antependien,
Fastentücher und dergleichen dienten und gelegent-
lich noch handkoloriert waren, Kombinationen aus
eben vorhandenen Druckstöcken mit oft sinnlosen
Wiederholungen (Abb. 2). (Neben der Abbildung
aus dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg
auch aus „Kunst um 1400", Nr. 332, Lesepult-
behang, österreichisch um 1400, und Nr. 333,
Antependium, Köln, Anfang des 15. Jahrhunderts.)
Die Geschichte des Zeugdruckes reißt von der
byzantinischen Zeit an nicht ab. Erst der Einfluß
der hunt bedruckten Kattune aus lndien weist dem
europäischen Stoffdruck neue Wege und hebt ihn
endgültig aus dem Stande eines Surrogates heraus.
Die Wandbespannungen aus bedrucktem Chintz
müssen später einem anderen Ersatz weichen, der
aus China kommenden Papiertapete.
Die Gräberfunde in Nordafrika haben gezeigt, daß
von der spätrömischen bis zur islamischen Zeit die
vornehme Welt mehr oder weniger kunstvoll ge-
wirkte Einsätze an ihrer Kleidung trug. Hier tritt
merkwürdigerweise die Seidenweberei als Ersatz
auf (Abb. 3), eine in ihren Anfangen zweifellos
künstlerisch unterlegene Massenproduktion.
Gegen Ausgang des Mittelalters wird es immer mehr
üblich, die kirchlichen Gewänder mit kostbaren
Stickereien zu verzieren. Auch dafür hat man bald
Ersätze geschaffen: die sogenannten Kölner Borten
im Norden und die Bildwebereien in Italien. Be-
sonders in Florenz (Abb. 4) hat man im 15. Jahr-
hundert in langen Streifen kleine Darstellungen aus
dem Leben Christi gewebt, die Streifen zerschnitten
und auf die kirchlichen Gewänder appliziert, wobei