trätisten unseres Jahrhunderts machen. Aus der ganzen Welt kommen Kunst-
freunde zu ihm, um sich in Bronze oder Marmor verewigen zu lassen. Auch
das geistige Europa lebt in seinen Büsten: Böcklin und Nietzsche, Strindberg
und Verhaeren, Gerhart Hauptmann und Stefan Zweig, Wildgans und Dehmel,
Romain Rulland und Rainer Maria Rilke, Richard Strauss, Max Reger und
Wilhelm Kienzl, Engelbert Hurnperdingk und Joseph Marx, Willem Mengelberg
und Felix Weingartner, die Päpste Pius XL, Pius XII. und Johannes XXUL,
clie Bundespräsidenten Renner, Körner und Schärf, die Bundeskanzler Dollfuß,
Schuschnigg, Figl, Raab, um nur einige Namen zu nennen.
Ambrosi ist aber nicht nur bildender Künstler, der in Z3 Handwerken zu arbeiten
gewohnt ist, seit seiner Jugend führt er Tagebücher, geschrieben in seiner kunst-
untl ausdrucksvollen Schrift, einer klaren, durchdachten Antiqua. In den Dich-
tungen liebt er, wie in der Bildhauerei, die strengen klassischen Formen: Sonett,
Terzine, Hymne. Er schreibt seine inneren Monologe nieder, wie sie ihm einfallen.
Dann dauert es Jahre, bis er Zeit Findet, die erste Niederschrift zu überarbeiten.
ln rler Fülle der Bildhauerarbeit bleiben die Dichtungen immer wieder liegen.
Guslinus Ambnysi.
Gustinus Ambrosi,
Gusrinus Ambrosi v
igu Familie. llronzcrclicf
hcxlig: Sebastian, Bronze
- Seinem Werk Knin
Deshalb sind bisher nur vier Bändchen verößientlicht worden: „Sonette an Gott"
(1923), „Sonette vom Grabe einer Liebe" (1926), „Einer Toten" (1937), „Das
Buch der Einschau" (1960, Verlag Georg Prachner, Wien).
„Liebst du mich - oh, so laß mich arbeiten!" Dieser Spruch stand nicht nur
über Ambrosis Türe zu seinem Prateratelier, er steht, unsichtbar, über seinem
ganzen schicksalsschweren und mühevollen Leben. Der Siebzigiährige blickt
auf weit über ZOOO Werke zurück, die in rund 50 Städten in aller Welt stehen.
Diese Leistung ist um so höher zu werten, weil sie in der Zeit zweier Weltkriege
und vieler schwerer Nachkriegsjahre vollbracht wurde.
Das Ende des Krieges im April 1945 hat Ambrosi besonders schwer getroffen:
drei seiner Wiener Ateliers wurden zerstört und geplündert, wobei 663 XVerke
vernichtet oder beschädigt wurden. Aber auch dieser zum Großteil unersetzliche
Verlust hat seinen Titanenwillen nicht zu brechen vermocht. Fast zwei Jahre
lang arbeitete der Bildhauer in Todesnot unter zum Einsturz drohenden Dächern
in Schutt, Mist, Glassplittern und Staub, um die Trümmer der durch den Bomben-
druck zerstörten und beschädigten Werke zu sichten und das Brauchbare zu
bergen. Er machte aus Dachstuhlbrettern Kisten, verpackte die Werke und
Trümrnerteile und führte sie in Räume, die ihm die Technische Hochschule
und Fürst Liechtenstein in Wien zur Verfügung stellten. Dabei spannte sich
Ambrosi selbst vor den Wagen und zog so dreiunddreißigmal eine halbe Tonne
aus dem Prateratelier in Sicherheit.
S0 wie Rodin in Paris, Thorwaldsen in Kopenhagen und Canova in Bassano ihrem
Volk und der Menschheit ein Museum mit ihren Werken hinterlassen haben,
so wünschte es schon lange Ambrosi auch in Wien zu tun. Im Jahre 1946 bot
er 165 Werke dem österreichischen Staat als Geschenk an; als Gegenleistung
verlangte der Künstler nur ein neues Atelier mit einem Museumsbau für die
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