SAKRALE GEMÄLDE IN EMAIL
Ausslelluig
Pepi und Elisabeth Weixlgartner in Rom
Die Kunst des [inailschmelzens aus
ihrer angewandten dienenden Funktion
emanzipiert und zu einer neuen Form
der Malerei erhoben zu haben, das ist
der Anspruch, den Pepi Weixlgartner-
Neutra und ihre Tochter Elisabeth
Soederberg-Weixlgartner für sich gel-
tend machen können.
Aus Schweden, wo die beiden Kunst-
leririnen seit Jahren leben und wo sie
aui' die Entwicklung der religiösen
Kunst nicht ohne Einiluß geblieben sind.
wurden sie von der Golleria „L'Agosti-
niana" in Rom eingeladen, ihre Arbeiten
eben zur Zeit des ll. Vatikanischen
Konzils und des 4. Krönungsjubilüums
von Papst Johannes XXIII. auszustellen.
Diese Galerie. die ausschließlich reli-
gioser Kunst gewidmet ist. wird von
den Augustinerpatres auf der Piazza del
Popolo unweit der gleichnamigen Porto
unterhalten, durch welche vor dem
Zeitalter der Eisenbahn- und Luftfahrt
die Pilger aus dem Norden in die
Ewige Stadt eingezogen sind, Das alles
ist imstande, dem Ereignis dieser Aus-
stellung ganz besondere zeitliche und
räumliche Voraussetzungen zu geben.
In Formensprache und Farbgebung
verschieden, rechtfertigen dieselben
Techniken, Email und Graphik, die
gleichzeitige Prcisentierung der Werke
dieser beiden Kunsllerinnen in einer
gemeinsamen Schau.
Pepi Weixlgörtner kommt vom Wiener
Expressionismus her. Das zeigt vor
allem das Emciilbild der drei Marien.
eine ihrer letzten Arbeiten. Aus einem
tiefen somtigen Schwarz heben sich die
weiß umhullten Antlitze heraus. Kraltige
Ausdrucksmasken tragen die Namen
,.Moyses" und ..Lazarus". Der Schmerz
in seiner reinigenden Gewalt ist das
zentrale Thema. unter dem die meisten
Werke stehen: .,Ntater dolorosa", „Ecce
I-lomo", "Passio Domini". Die Gra-
phiken sind ebenfalls von tiefem Ernst
getragen: so das Portrat des Gatten
der Künstlerin. des ehemaligen Direk-
tors der Gemäldegalerie am Kunst-
historischen Museum und verdienten
Betreuers der Weltlichen und Geist-
lichen Schatzkammer in Wien, Arpad
Weixlgartner. der vor einem Jahr in
seinem schwedischen Exil verstorben
ist. oder ienes des Bruders der Kunst-
lerin, des Architekten Richard Neutra.
Auch die beiden grolllorinatigen Litho-
graphien ,.Pieta" utd „l-ll. Johannes",
die sich im Besitz der Vatikanischen
Bibliothek befinden, sind zu sehen
ElisabethSoederberg-Wzixlgärtnerzeigt
vor allem Altarbilder in Email, die
schon in ihren Ausmaßen alle; bisher
ciut diesem Gebiet Geschaflene über-
ragen. Aber es handelt sich immer
noch erst um Entwurte 7u einer Aus-
tuhrung in weit größeren Dimen-
sionen.
Strenge und Klarheit beherrschten die
großzügig geplanten Hachen. Durch
den Spielraum den die Emailkunst
zwischen Gestaltungswillen und er-
zieltem Ergebnis durch den Vorgang
des Schmelzens offen lößt, entstehen
uberraschende tachislische Reize. Im
Emailbild des „Melchisedek" finden
sich Bezüge zu der ausdrucksstarken
Kunst ihrer lvtutter.
Die Ausstellung llFldSl in der Presse
und in Fachkreisen viel Beachtung,
Das italienische Fernsehen brachte
iiber sie eine austuhrliche Sendung.
EINE GALERIE DES GLEICHGEWICHTS
Eine große Aufgabe hat sich die neue
Galerie „ll Bilico" in Rom gestellt.
lhr Marne bedeutet „das Gleichgewicht".
Dieses im heutigen Kunstleben herzu-
stellen. ist ein kühnes Unternehmen.
Immerhin haben die wenigen Galerien
von Formal in Rom eine wesentliche
Verstärkung erhalten. Das Verdienst
hietür trifft die Schriftstellerin Nina
Lourorf Maglietta. unter deren Leitung
diese neue Galerie steht.
Schon die Erolfnungsausstellung, die
dem Dadaismus gewidmet war, stellte
Iur Rom ein außerordentliches Ereignis
dar Seil den zwanziger Jahren, da
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Ein Katalog, der in italienischer und
lateinischer Sprache abgefoßt wurde,
erleichterte den Kontakt zu den Konzils-
vatern, die ebenfalls im Hinblick auf
die Ausgestaltung der Kirchen in ihren
Heirnatdiözesen der Ausstellung großes
Interesse entgegenbringen. W. ZeIIl
IN ROM
Anton Giulio Bragaglio und Enrico
Prampolini in Rom um einen Kontakt
mit den großen europäischen Be-
wegungen in der modernen Kunst
bemüht waren, sind die Werke der
Dadaislen aus der traditiansgebundenen
Ewigen Stadt verbannt geblieben.
Eine der nächsten Ausstellungen der
Galerie „ll Bilico" wird im Jünner l963
die Wiener Gruppe der phantastischen
Realisten mit Brauer, Fuchs, Hausner,
Lehmden, Regschek und Urbach zeigen.
Mit dieser Ausstellung isl auch eine
Graphikschau mit Werken von Allred
Kubin verbunden. Walter Zettl
CARL LEOPOLD HOLLITZER
Zur Ausstellung seiner Karikaturen im
Sciiaiiraum der Österreichischen Staats-
driickerei. Wien I, Wollzeile. Nov. 1962
ln der Presseinformation. die dieser
Ausstellung beigegeben war. heißt es
sehr richtig: ..Carl Leopold Hollitzer
ist. obwohl nur mittelbar. ein Opfer
des zweiten Weltkriegs geworden...
Ein Mann. der immer nur zu tun ge-
wohnt war. was ihm paßte . . .versagte
in der Unfreiheit dieser Zeit. Weder
russisch noch politisch belastet. . . hat er
trotzdem seit 1938 nichts mehr ge-
schaffen. Ihm fehlte die Mehrzahl der
besten Freunde. Einige waren emi-
griert. andere grausam ermordet . .
Peter Altenberg. Karl Kraus. Adolf
Loos. Egon Friedell. der Burgschau-
spieler Albert Heine, Franz Theodor
Csokor. Grete Wiesenthal und viele
andere gehörten zu seinem Kreis: die
Tlschgesellschaft. der er vor dem ersten
Weltkrieg angehörte, trat allabendlich
im Cafe Central zusammen. besuchte
anschließend verschiedene Nachtlokale
und löste sich frühmorgens im Cafe
de l'Europe auf. Zahlreiche Karika-
turen entstanden bei diesen nächtlichen
Zusammenkünften. eine große Aus-
wahl von ihnen war bei der Ausstellung
der Staatsdruckerei zu sehen. Sie
wiesen den Künstler. der als Land-
schciftsmaler "von den lmpressionisten
beeindruckt. den Weg genialen Im-
provisierens" (Rudolf Kalmar) ging.
als ebenso elementaren wie kräftigen
Nachfahren Daumiers aus. Will man
das Eigene und Eigentliche der Karika-
turen Hollitzers mit Warten umreißen,
wird man gewiß nicht an der zutiefst
humanen Gesinnung vorbeigehen kön-
nen. die aus den scharf zupackenden,
konzentrierenden. übersteigernden Stri-
chen von Bleistift. Zeichenfeder und
lavierendem Pinse! spricht. Die Bildnisse
des Kaisers Franz Joseph bezeugen
Hollitzers Menschlichkeit ebenso wie
seine Porträts von Seipel und Seitz.
Ein wesentlicher Teil der Ausstellung
war der von l-lollitzer in unübertroffener
Meisterschaft beherrschten Kunst des
Gestaltehs von Theatertigurinen ge-
widmet. Der Burgthealerdirektor Her-
terich übertrug ihm mehrere Aus-
stattungen, während der Direktionszeit
des Talente-Entdecken Rainer Simon
war er ständig für die Volksoper tätig.
l-lollitzer. an sich klassische Verkörpe-
rung des Erzbohemiens. besaß profunde
kostümgeschichtliche Kenntnisse und
sammelte mit Begeisterung historische
Waffen und Uniformen. So war er.
der bereits 1899 und 1901 Festzüge in
historischen Kostümen in Hainburg und
Enns gestaltet hatte und 1908 dem
Künstlerkomitee für den Kaiser-Hul-
digungs-Festzug vorstand. der berufene
Mann. um im Auftrage des letzten
Kaisers der Doppelmonarchie 1917 die
Entwürfe für die Neuvniformierung
der österreichisch-ungarischen Armee
zu erstellen. Das Kriegsende ver-
hinderte die Umsetzung in die Wirklich-
keit. Auch von diesen Uniforment-
würfen waren einige interessante Pro-
ben im Ausslellungsraum in der Woll-
zeile zu sehen. Heute können wir uns
mit Recht die Frage vorlegen. ob wohl
im Preußen von damals einer. der als
typischer Intellektueller mit bösen Juden
und Literaten verkehrte. ja sogar ein
Cabaret (,.Nachtlicht". 1905) gegründet
und eines ausgestattet hatte (..Fleder-
maus". mit Moser. Hoffmann). mit
einem so hochoffiziellen Auftrag aus-
gezeichnet worden wäre. Und wie
stünde es damit im Österreich von
heute? - K-
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