allem Anschein nach, eine Bearbeitung eines aus
Pntosi also dem Cuzquener Kreise 7 stammenden
'l'benms dar, d den Jesusknaben auf einem Stuhl
sitzend zeigt, die Dornenkrone auf dem Schoß,
einen Finger der linken Hand mit der Rechten
haltend, da er ihn otTenbar an den Dornen verletzt
hat: "i'll Nino de la Espina" (Der jesusknabe mit
der Durne) 7), Aber was hat der Bogotaner Künstler
aus dem süßlichen, nach Cuzquener Art von Blumen
eingcfziliten Gemälde gemacht? Auf der in meinem
' benndlichen Holztafel sitzt der 7 mit breitem
Chichzi-Gesicht dargestellte - Christusknabe neben
einem ein chen Tisch, auf dem ein Rosenzweig und
ein Kru fix liegen, das ernste Antlitz sinnend in die
rechte auf den Tisch aufgestiitzte Hand geschmiegt,
die linke, verbundene, als verletzt zu denkende Hand
auf ein seinen Schoß belastendes Buch 7 (ltfenbar
die Bibel gelegt, or welchem die Dornenkrone
sich linder; an der Gegenseite des Tisches aber
kommen drei kleine grüne Schlangenköpfe hervor,
sicherlich Symbole des der Szene zusehenden Satans,
der den im Buche vorgezeichneten Sehicksalsweg
des kindlichen Gottessohnes begleitet. Der von
Augustin ererbte dämonologische Dualismus und
die buchgelvundene Frömmigkeit der Kolonie spre-
chen eindruc svoll aus dieser Bearbeitung. W Noch
bedeutsamer ist die Limformung einer wohl der ita-
lienischen Spiitrenaissan ce entstammenden „Geißelung
Christi" unter dem Eintluß der Bogotaner Geistigkeit.
lch besitze das wahrscheinliche, rein weltlich empfun-
dene, manieristisch gestaltete Urbild: Ein halbdunkler
Huf, ri us yohne Heiligenschein 7 liegend an den
Scbandptaihl gebunden, ein Scherge, der ihn hält,
und ein anderer, der ihn m weitausholender Geste
schlägt und dabei in die X eichen trittä). Ich besitze
auch die Bogotaner Bearbeitung: Der peitschende
Scherge ist „satanisiert", hat lange Tierohren und
ein drachen uppenartig erhöhtes Rückgrat be-
kommen, Christus den Heiligenschein und sogar
vergoldete Stricke; ein vom Hintergrunde her die
Szene mit ansebender Apostel, dem im „Urbild" nur
eine unbeteiligte Neugier zugeschrieben wird, hat
nun eine Gel rde leidenschaftlichen llrschreckens
und - zwei rechte Füße erhalten (da offenbar an
einem echten Jünger Christi nichts „Linkes" vor-
kommen darf). s- Und damit neben dieser tief-
sin igen Mittelialterlichkeit auch das graziöse Kolo-
nial-Rukiwkn nicht ganz fehle, erwähne ich einen
auf eine llolztafel gemalten Heiligen in wallendem
gold-rzit-geblümtem Gewande, eine goldene Helle-
barrle in der Rechten und den einem spanischen
Zierkzimm ähnlichen Heiligenschein kokett über den
rechten Hinterkopf gestellt; die Tafel ist signiert
und datiert: 1756.
Dieser r: che Umblick hat uns die Vision einer
einzigartigen Kultur geschenkt: Echtes, sakral,
theuloglsth und mystisch bestimmtes Mittelalter;
kultureller lndianismus trotz Kastentrennung, trotz
anti-indianischer Gesellschaftshaltung und ökono-
mischcr Ausbeutung der lndianerschichten; bedeu-