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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 67)

allem Anschein nach, eine Bearbeitung eines aus 
Pntosi also dem Cuzquener Kreise 7 stammenden 
'l'benms dar, d den Jesusknaben auf einem Stuhl 
sitzend zeigt, die Dornenkrone auf dem Schoß, 
einen Finger der linken Hand mit der Rechten 
haltend, da er ihn otTenbar an den Dornen verletzt 
hat: "i'll Nino de la Espina" (Der jesusknabe mit 
der Durne) 7), Aber was hat der Bogotaner Künstler 
aus dem süßlichen, nach Cuzquener Art von Blumen 
eingcfziliten Gemälde gemacht? Auf der in meinem 
' benndlichen Holztafel sitzt der 7 mit breitem 
Chichzi-Gesicht dargestellte - Christusknabe neben 
einem ein chen Tisch, auf dem ein Rosenzweig und 
ein Kru fix liegen, das ernste Antlitz sinnend in die 
rechte auf den Tisch aufgestiitzte Hand geschmiegt, 
die linke, verbundene, als verletzt zu denkende Hand 
auf ein seinen Schoß belastendes Buch 7 (ltfenbar 
die Bibel gelegt, or welchem die Dornenkrone 
sich linder; an der Gegenseite des Tisches aber 
kommen drei kleine grüne Schlangenköpfe hervor, 
sicherlich Symbole des der Szene zusehenden Satans, 
der den im Buche vorgezeichneten Sehicksalsweg 
des kindlichen Gottessohnes begleitet. Der von 
Augustin ererbte dämonologische Dualismus und 
die buchgelvundene Frömmigkeit der Kolonie spre- 
chen eindruc svoll aus dieser Bearbeitung. W Noch 
bedeutsamer ist die Limformung einer wohl der ita- 
lienischen Spiitrenaissan ce entstammenden „Geißelung 
Christi" unter dem Eintluß der Bogotaner Geistigkeit. 
lch besitze das wahrscheinliche, rein weltlich empfun- 
dene, manieristisch gestaltete Urbild: Ein halbdunkler 
Huf, ri us yohne Heiligenschein 7 liegend an den 
Scbandptaihl gebunden, ein Scherge, der ihn hält, 
und ein anderer, der ihn m weitausholender Geste 
schlägt und dabei in die X eichen trittä). Ich besitze 
auch die Bogotaner Bearbeitung: Der peitschende 
Scherge ist „satanisiert", hat lange Tierohren und 
ein drachen uppenartig erhöhtes Rückgrat be- 
kommen, Christus den Heiligenschein und sogar 
vergoldete Stricke; ein vom Hintergrunde her die 
Szene mit ansebender Apostel, dem im „Urbild" nur 
eine unbeteiligte Neugier zugeschrieben wird, hat 
nun eine Gel rde leidenschaftlichen llrschreckens 
und - zwei rechte Füße erhalten (da offenbar an 
einem echten Jünger Christi nichts „Linkes" vor- 
kommen darf). s- Und damit neben dieser tief- 
sin igen Mittelialterlichkeit auch das graziöse Kolo- 
nial-Rukiwkn nicht ganz fehle, erwähne ich einen 
auf eine llolztafel gemalten Heiligen in wallendem 
gold-rzit-geblümtem Gewande, eine goldene Helle- 
barrle in der Rechten und den einem spanischen 
Zierkzimm ähnlichen Heiligenschein kokett über den 
rechten Hinterkopf gestellt; die Tafel ist signiert 
und datiert: 1756. 
Dieser r: che Umblick hat uns die Vision einer 
einzigartigen Kultur geschenkt: Echtes, sakral, 
theuloglsth und mystisch bestimmtes Mittelalter; 
kultureller lndianismus trotz Kastentrennung, trotz 
anti-indianischer Gesellschaftshaltung und ökono- 
mischcr Ausbeutung der lndianerschichten; bedeu-
	        
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