werdende Angebot an hochrangigen Möbeln des 18. Jahrhunderts hat dazu geführt, daß man
sich mit den Erzeugnissen der späteren Epoche zu befassen begann, um die stets wachsende
Nachfrage nach alten Möbeln befriedigen zu können. Die Feststellung ließ nicht lange auf sich
warten, daß hier etwas vernachlässigt worden war, das längst eine bessere Beachtung und Erfor-
schung verdient hätte.
Dieser Sachverhalt läßt es für richtig und notwendig erscheinen, auf ein beachtliches Werk
von Jeanselme hinzuweisen, das, überraschend genug, in (österreichischem Privatbesitz fest-
gestellt werden konnte. Es handelt sich um eine vielteilige Salongarnitur, die heute zahlenmäßig
freilich nur mehr einen Torso darstellt. Von den ursprünglich achtzehn Stühlen (Abb. 5) sind
nur mehr drei, von den sechs Armstühlen (Abb. 6) bloß einer vorhanden, dazu zwei Kanapees
(Abb. 2), ein Spieltisch, zwei Hocker und ein Spucknapf (Abb. 4). Trotz der so empfindlichen
Verringerung ist die repräsentative Wirkung des erhaltenen Bestandes doch sehr beachtlich.
Der dunkle Ton des Palisanderholzes, der Goldglanz der eingelegten Ornamente, die Ausge-
wogenheit von Umriß und Flächengliederung 7 das sind Eigenschaften, die einen Raum
entscheidend akzentuieren. Wie stark muß das freilich früher der Fall gewesen sein, als die
Garnitur noch komplett war und sich mit ihrem Volumen auch den Dimensionen eines großen
Raumes gegenüber zu behaupten vermochte. Auf den ersten Blick wird der höfische Charakter
der Möbel evident und wird auch durch die Provenienz der Garnitur bestätigt. Der Weg, den
die Möbel bis zu ihrem heutigen Standort genommen haben, läßt sich bis Villa Vicentina,
einem Landgut nicht weit von Aquileja, zurückverfolgen. Diesen Besitz hatte Elisa Bacciocchi 3),
die älteste Schwester Napoleons, im Jahre 1818 von (lonte Giovanni Gorgn aus Vicenza4)
erworben. Aber schon nach zwei Jahren, 1820, starb sie, die erst im Alter von 43 Jahren stand,
in Villa Vicentina. 7 Das Todesdatum ist entscheidend für die Feststellung, 0b die Möbel
noch zu Lebzeiten Elisas von Jeanselme geliefert worden sein können. Die Frage ist strikt zu
verneinen. Das Material, die Ornamente und die Formgebung lassen die lNlöbel eindeutig als
Erzeugnisse des fortgeschrittenen uStyle Charles Xv erkennen. Die Angaben von Denise Ledoux-
Lebard helfen uns nur wenig Weiter, da ihnen nicht zu entnehmen ist, wann die Firma gegründet
wurde und mit ihren ersten Arbeiten hervortrat. Sie gibt nur implicite an, daß die Wlerkstatt
schon vor 1829 bestanden hat. Der in dem Werk abgebildete Firmenstempel stimmt mit dem
auf dem Mobiliar aus Villa Vicentina völlig überein (Abb. Wir müssen also von den lwlöbeln
selbst ausgehen, um in der Frage nach ihrer Entstehungszeit ans Ziel zu kommen. Und tatsäch-
, _ lich erhalten wir so eine Anzahl beachtlicher Hinweise, aus denen sich eine ungefähre Datierung
1 Umnßzeichnung des Armsruhls
2 Fagapee. adie Räder untcr (Ein ableiten läßt. Da ist zunächst das Material zu nennen. ln allen einschlägigen Werken zur Möbel-
' ' war - . _ . . . .
ggnzeiitigsln um i} m: r kunst des iiStyle Restauratiomv, genauer, der Epoche Charles X., wird einheitlich festgestellt,
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