und wurde schließlich 1385 von Nicolaus Vintler von Bozen und
seinem Bruder Franz Vintler erworben. Die Herren von Vintler
stellten die Burg gründlich wieder her, erweiterten sie an der Nord-
seite durch das sogenannte Sommerhaus, schmückten sie überreich
mit Wandgemälden aus höfischem Leben, Heldensage, Dichtung,
Geschichte, Allegorie und Religion und machten sie so zu dem, was
sie uns heute kultur- und kunstgeschichtlich bedeutet. Auf Runkel-
stein lebte damals der Vetter der Besitzer, Hans Vintler, und dichtete
sein großes Lehrgedicht„Die Pluemen der tugent" (1411), und gleich-
zeitig wirkte als Schloßkaplan der Chronist Heinz Sentlinger von
München, der hier 1394 die Christherrenchronik, eine Chronik deutscher
Kaiser, verfaßte. Die Vintler blieben nicht lange im Besitze der Burg.
Nicolaus starb bereits 1413. Von den ferneren Schicksalen Runkel-
steins sei nur erwähnt, daß Kaiser Maximilian dem Schloß und seinen
Wandgemälden ein warmes Interesse entgegenbrachte und die Male-
reien zwischen 1502 und 1511 durch die Maler Jörg Kölderer, Friedrich
Pacher und Marx Reichlich restaurieren ließ. Gerettet hat das immer
mehr verfallende Schloß schließlich Kaiser Franz Joseph, indem er
es aus eigenen Mitteln vom Wiener Dombaumeister Friedrich von
Schmidt 1884 bis 1888 in stilgerechte: Weise wiederherstellen ließ
und die erneuerte Burg 1893 der Stadt Bozen zum Geschenk machte.
Der Westpalas des Schlosses birgt die frühesten, nach 1385 bis 1400
entstandenen Wandgemälde. Das irrtümlich so genannte Badezimmer
im zweiten Stockwerk ist einer der schönsten und besterhaltenen mittel-
alterlichen Burgräume. Der Gemäldezyklus rings an den Wänden gibt
nicht „Badeszenen" wieder, sondern eine Vorstellung von (Jauklern
in dünnen, trikotartigen Geweben, die zusammen mit heimischen und
exotischen Tieren vor einer höfischen Gesellschaft von Damen und
Herren, darunter auch die Vintler mit ihrem Wappen, ihre Künste
zeigen. Hundert Jahre später ist in den Sreinreliefs des Goldenen
Dachls zu Innsbruck ein ganz ähnliches Ensemble von (iauklern und
gedachten Zuschauern, unter ihnen Kaiser Maximilian l., nebenein-
ander dargestellt worden.
Dieselbe Hand wie im „Badezimmer" war auch im dritten, erst von
Nicolaus Vintler aufgesetzten Stockwerk des Westpalas tätig. Der
Turniersaal, so genannt nach der Darstellung an der Südwand, war
der große Festraum der Burg. Dargestellt sind hier Vergnügungen
der hötischen Gesellschaft, unter dem Turnierbild z. B. der berühmte
Reigentanz und das Ballspiel. Die Bordüre über den Bildern zeigt die
Wappen der sieben Kurfürstentümer und die Wappen sämtlicher
europäischer Länder, wohl das älteste noch erhaltene Dokument
gesamteuropäischen BewußtseinsDer neben dem Turniersaal befind-
liche Raum, die sogenannte Waffen- oder Rüstkammer, bringt, neben
ähnlichen Halbnguren wie im „Badezimmer", einen großen Reiter-
kampf. Es handelt sich, was bisher ebenfalls verkannt wurde, um ein
sogenanntes Kolbenturnier, welche Darstellung auch unter den etwa
gleichzeitigen, doch derberen Wandgemälden von Lichtenberg vor-
kommt. Der Meister des Westpalas läßt sich auch sonst in Bozen
nachweisen: von seiner Hand stammen wahrscheinlich die Wland-
gemäldereste der jüngeren Dorotheenlegende um 1410 aus der Pfarr-
kirche, die heute im Museum sind.
In dem weitgesteckten Ausstattungsprogramm des vielseitig gebildeten
Nicolaus Vintler durfte auch nicht die historische Kaisergalerie fehlen,
wie wir sie aus dieser Zeit, in diesem Umfang und in dieser künst-
lerischen Vollendung sonst nirgends erhalten Enden. Vintler ließ sie,
beginnend mit den römischen Kaisern, bis zum zeitgenössischen
Kaiser Sigismund an der Stirnwand der offenen Halle im Erdgeschoß
seines Sommerhauses in Terraverde-Malerei anbringen. An den Lei-
bungen der ersten beiden Arkadenbogen sind noch acht allegorische
Frauengestalten, die sieben freien Künste und die Philosophie, wieder
in Terraverde, gemalt. Sie gehören zu den künstlerisch wertvollsten
Wandgemälden der Burg und erinnern, wie auch die Brustbilder der
Kaisergalerie, an Meister Wenzlaus, der 1415 in der Friedhofskapelle
zu Riffian bei Meran gemalt hat. Die grüne Bemalung im lnnern der
Bogenhalle des Sommerhauses ist nur mehr in geringen Spuren vor-
handen. Es waren, ebenfalls in Terraverde, Szenen aus dem um 1210
von dem fränkischen Ritter Wirnt von Gravenberg verfaßten Helden-
roman „Wigalois, der Ritter mit dem Rade". Eine Inschrift über dem
westlichen Erkerfenster der Halle, bisher nie gelesen, zeigt ein Meister-
zeichen W, darunter eine Devise „Lib brinngt laid" und den Namen
W". Sprenng, der wahrscheinlich auf den Maler sämtlicher, im Stil
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s Schloß Runkelsrcin bei Bozen, West Jlas. s. Stock. „Turl-iiersaul" inn den Wandgemlldcn:
„Tilmier Hotisches Ballspiel - olischcr Reigen".
äiäsgt-n Borduren ins Wappen a" sieben Kurfirstenlümer und der europäischen Länder.
4400
o si-nluß Runkrlsrcin bei Bozen. Westpzlas, a. Stock. Ausschnitt aus dem großen Wandgemälde
im Tumiersaal "Hofischcr Reigen". isas-uoo