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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 68)

EDUARD LEISCHING 
Über Kzmxlfiilsrhlzngen Z. 
Wie dort im Osten bot auch in 
Österreich-Ungarn das Vorhanden- 
sein ausgezeichneter handgeschickter 
Älenschen, die für reellen Verdienst 
nicht Gelegenheit fanden, und ihre 
Verbindung mit Gelehrten einerseits 
und dem warenhungrigcn inter- 
nationalen Kunstmarkte anderseits 
den Anreiz, Altcrtümer eben zu 
schaffen, wenn sie in Originalen nicht 
in entsprechender Zahl vorhanden wa- 
ren. Denn der gesteigerte Museums- 
betrieb der ganzen Welt und das 
immer stärker werdende Einsetzen 
privaten Sammeleifers, der aus Freude 
an der Kunst, vielfach aus Snobismus 
und ganz besonders auch aus kapita- 
listischen Erwägungen seit den sech- 
ziger Jahren eingesetzt hatte, forderte 
weit mehr Kunstobjektc, als auch 
mit dem größten Spüreifcr heraus- 
geholt werden konnten. Augenblick- 
lich steht die Konjunktur für die 
Verwertung alten Kunstgutes aller- 
dings so schlecht, daß es sich nicht 
lohnt, die Mühen und Gefahren der 
Fälschertätigkeit mit Hilfe der vielen 
hiezu geeigneten Kräfte auf sich zu 
nehmen. Die Antiquitätengcschäfte 
sind mit Waren aller Art und aller 
Grade überfüllt. Große, hochwertige 
Privatsammlungen wurden und wer- 
den ausgeboten. Die Not der Zeit 
hat selbst allzeit für unverkäuflich 
gehaltenes fürstliches und klöster- 
liches Kunstgut auf den Markt 
gedrängt, dieser aber ist mehr als Hau, 
nicht nur in Europa, sondern auch in 
Amerika, das im verflossenen llalb- 
jahrhundert so viel des Allerbesten 
aus Europa an sich gezogen hatte. 
Die Stillegung der Figdor-Auktionen 
und die lange Unanbringlichkeit des 
einzigartigen „Wclfcnschatzes" (die- 
ser ist jüngst vom Deutschen Staat 
eingezogen worden), waren über- 
zeugende Beweise nicht für das plötz- 
liche Schwinden des Kunstinteresscs, 
sondern für das völlige Versicgcn 
aller Geldquellen zu seiner Betäti- 
gung. Denn naturgemäß ist ja auch 
die ölfentliche Hand heute überall 
leer und die Museumsleute müssen 
zu ihrem Schmerze auf die schönsten 
und weit unter dem Wert angebote- 
nen Dinge verzichten, die sie drin- 
gend benötigen würden; mit einigen 
hunderttausend Schilling könnten 
sie heute Außerordcntliches leisten, 
wissend, daß in absehbarer Zeit die 
Preise abermals ins Phantastische 
steigen werden. 
Unter diesen Umständen herrschen 
heute schlechte Zeiten für Kleister- 
fälscher, die wir noch vor wenigen 
Jahrzehnten zwar nicht an ihrer 
geheimnisvollen Arbeit gesehen, aber 
diese oft - allzuoft w zu fürchten 
und zu - bewundern Gelegenheit 
hatten. 
Aus der Fülle des mir in langer 
Muscumstätigkeit vor Augen gc- 
tretenen einschlägigcn hlaterials will 
ich nur zwei Hauptstückc hervor- 
heben, deren Beschreibung und Ge- 
schichte erweist, mit welch raffinier- 
ten Fälscherkünsten Sammler und 
Museumsleute zu rechnen und zu 
kämpfen hatten und mit welchem 
Maße von Verantwortung sie belastet 
waren und immer wieder sein werden. 
Diese zwei l-lauptstücke sind die 
bereits erwähnte „Tiara des Saita- 
phernes", welche sich (heute an ver- 
borgener Stelle) im Louvre in Paris, 
und der „Prunkschrank des Prinzen 
Engen", der sich im VUiener Kunst- 
historischcn Museum befindet. Bei 
der Aufdeckung des einen Betruges 
war ich, mit der des zweiten bin ich 
allein befaßt gewesen. 
Die „Tiara" kam im jahre- 1896 nach 
Wien und wurde dem damaligen 
Unterrichtsminister Gautsch um den 
Preis von 100 O00 Gulden (ev. 75 O00) 
zum Ankauf für den Staat angeboten; 
die Überbringer waren zwei Russen 
und ein Wiener Elfenbeinschnitzer, 
der sich - wie ich wußte - schon 
öfters auch als Kunsthändler betätigt 
hatte. Das wundervolle Stück hatten 
auch Fürst Johannes Liechtenstein 
und Dr. Albert Figdor gesehen, die 
den Ankauf aber ablehnten, nicht, 
weil sie die „Tiara" für eine Fälschung 
hielten, sondern weil dies nicht in den 
Rahmen ihres Sammlungskrcises ein- 
zufügen und ihnen auch zu teuer 
gewesen ist. Sehr begeistert für die 
staunenerregende Arbeit hatte sich 
Professor der Archäologie Benndorf 
ausgesprochen, wie mit Ausnahme 
des Vorstandes der Antikensammlung 
des Hofmuseums, Prof. v. Schneider, 
auch einige andere Wiener Archäo- 
logen, während Furtwänglcr (Mün- 
chen) sich späterhin unserem Votum 
anschloß und mit Benndorf hierüber 
in heftigen Streit geriet. Da für die 
Erwerbung des Objektes zu jener 
Zeit nur das Österreichische Museum 
als einziges Staatsinstitut in Betracht 
kam, wies Minister Gautsch die 
Händler an uns und erklärte sich 
geneigt, die erforderlichen Mittel 
bereitzustellen, wenn ihm ein zu- 
stimmendes Gutachten erstattet wür- 
de. Direktor unseres Museums war 
damals Hofrat Bruno Bücher, ein 
wissensreicher, als Kunstkcnner her- 
vorragender Mann, dabei äußerst 
vorsichtig und durch Händlertricks 
nicht zu verblüifen. In dieser Hinsicht 
habe ich viel von ihm gelernt, da ich 
mich schon vom Anfang meiner 
Museumstätigkeit an sehr lebhaft für 
alles Technische im Kunsthandwerk 
interessierte und im steten Verkehr 
mit Künstlern und Händlern mehr 
und mehr meinen Instinkt zur Auf- 
deckung von Fälschungen entwickelt 
hatte. 
Bucher setzte eine Kommission ein, 
welcher außer mir und Kustos Ritter, 
seinen nächsten Mitarbeitern, die Ku- 
stoden Folnesics und Masner, die 
Professoren der Kunstgewerbeschule 
Linke und Macht, der Goldschmied 
und Galvanoplastiker Ilaas und der 
hervorragende Sammler und aus- 
gezeichnete Kcnner des antiken 
Kunstgewerbes Franz Trau ange- 
hörten. Unserer großen Verantwor- 
tung bewußt, forderten wir trotz des 
Drängens der Händler eine ange- 
messene Frist zu gründliehster Unter- 
suchung der „Tiara" auf Technik und 
Darstellung (die wunderbaren Bänder 
des Goldhelms zeigten Szenen aus 
der lliade) und insbesondere auch 
auf den Erhaltungszustand des pracht- 
vollen Werkes. Die Russen und der 
Wiener Mittelsmann machten keinen 
günstigen Eindruck, von letzterem 
hatte ich in aller Eile in Erfahrung 
gebracht, daß er schon mehrmals in 
dunkle Geschäfte verwickelt gewesen 
sei. Wir waren daher zu äußerster 
Vorsicht gemahnt, doch beeinflußte 
diese Einstellung unsere sachliche 
Prüfung des Kunstwerkes in keiner 
Weise. Die Leute waren natürlich bei 
unseren Untersuchungen anwesend 
und nahmen die Arbeiten nach jeder 
Sitzung mit sich, um sie anderntags 
wieder zu bringen. 
Auffallend mußte uns die völlige 
Unversehrtheit des, wie behauptet 
wurde, am Schwarzen Meer im Ge- 
biete der ehemals milesischen, später 
skythischen Stadt Borysthcnes (Olbia) 
in einem Grabe, eben dem des 
mythischen Fürsten Saitaphernes, auf- 
gefundenen Goldhelms sein, dessen 
Form an die altorientalische (per- 
sische) königliche Kopfbedeckung 
gemahnte. Verdächtig war ferner 
(darauf hatte schon Professor Schnei- 
der aufmerksam gemacht), daß die 
Schrift der Widmung dcs Helms 
durch die Stadt Olbia an Saitaphcrnes 
mit dem Stilcharakter und schein- 
baren Alter der Goldschmiedearbeit 
nicht in Übereinstimmung zu bringen 
war. Weiter kam bei unseren Er- 
wägungen in Betracht, daß die 
l-igürliche Ausstattung des Werkes in 
allen Einzelheiten nicht naiv, sondern 
mit größter literarischer Gescheitheit 
ausgeführt war, welche das Gefühl 
erweckte, als ob ein gelehrter Archäo- 
loge hiebei Einiiuß genommen habe. 
Auch war es Bücher, Trau und mir 
nicht unbekannt, daß raffinierte gute 
„antike" Schmuckstücke, die sich 
späterhin als Fälschungen erwiesen, 
stets als aus dem Gebiet der Krim 
(des taurischcn oder skythischen 
Chersoncsos) stammend bezeichnet 
und, wie seitens der Händler zu- 
gegeben wurde, von Odessa aus in 
den Handel gebracht worden waren. 
Franz Trau hatte uns einen in Odessa 
lebenden hochkultivierten Kaufmann 
und Sammler, Herrn Lemme, ge- 
nannt, an den wir uns telcgraphisch 
mit dem Ersuchen um Auskunft über 
die dortigen Kunstwerkstätten wand- 
ten; umgehend erhielten wir eine 
generelle Mahnung zur größten Vor- 
sicht gegenüber allem, was von da 
komme, denn seit den achtziger 
]ahren würden dort mit großem 
technischem Geschicke vor allem 
Schmucksachen gefälscht, zu denen 
antikes Gold und häulig alte Pasten 
sowie irisierendc Glasstücke ver- 
Wendet würden. (wird jimgesetzr) 
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