DAS WIEDERBELEBTE MUSEUM
Seit dem Aufkommen des Museal-
wesens überhaupt sind die Bemühungen
nicht abgerissen. die Museen von Sam-
melstätten heimatlos gewordener Kunst-
werke oder von Forschungsplätzen
für eine sehr kleine Anzahl von Fach-
gelehrten zu wirklich lebendigen Insti-
tuten umzuformen. in denen nicht
museale Stille. sondern fluktuierendes
Leben herrscht; die man besucht. nicht
weil es zum guten Ton gehört, son-
dern weil man sie braucht. Ein Museum
ist ein Ort der Konservierung -
kein Wunder. daß seine Admini-
stratoren und Gestalter eher dem kon-
servativen als dem revolutionären
Menschentyp zuzurechnen sind. So
kam und kommt es. daß ein Großteil
der Museen der jeweiligen Gegenwart
ein wenig nachhinkt und daß das
Vergangene am Kunstwerk stärker
betont wird als das unveränderlich
Gegenwärtige der Strahlungskräfte der
in ihm gehüteten Qualitäten.
An einer Reihe sehr verschiedenartiger
Institute in sehr disparaten Teilen der
Kulturwelt konnten wir in letzter Zeit
beobachten, wie vielfältig die Bemü-
hungen und Möglichkeiten sind. das
Museale am Museum zu überwinden.
- So sahen wir z. B. in der Dresdner
Gemäldegalerie eine eigene Doku-
mentationsabteilung. in der nicht nur
die Bergung der Musealbestände wäh-
rend des Krieges. ihre Überführung
in die Sowjetunion. ihre Restaurie-
rung und Rückstellung genau belegt
wird. sondern in der man an Hand
vorzüglich gewählter Beispiele auch
die Alltagsarbeit des Museumsmannes
zu veranschaulichen trachtete. So zeigt
man in Dresden dokumentarische und
photographische Unterlagen. die sich
auf ein Gemälde von Francesco Francia
beziehen. das in der ersten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts. da schwer
beschädigt. vollständig übermalt wurde
und um dessen Rettung und Wieder-
erstehung nunmehr schon einige Ge-
nerationen von Restauratoren und
Kunsthistorikern zäh und unermüdlich
kämpfen.
Im Gebäude des Albertinums in Dres-
den. das als provisorisches Heim
der Antikensammlung. der Waffen-
sammlung. des Numismatischen Kabi-
nettes. eines Teiles der Porzellan-
sammlung und vor allem der wesent-
lichsten Schätze des "Grünen Ge-
wölbes" dient. hat man in den Schau-
sälen Tafeln mit kurzen. leicht ver-
stündlichen didaktischen Texten auf-
gestellt. die über die allgemeinen
kulturellen und wirtschaftlichen Zu-
stände zum Zeitpunkt der Entstehung.
aber auch des Gesammeltwerdens
der Objekte berichten. Man erfährt
so von dem erstaunlichen Tausch.
den August der Starke mit dem Preu-
ßenkönig einging. indem er ihm gegen
einen Satz von etwa 30 Kanghsi-
Vasen sechshundert Dragoner aus-
GEBURTSTAGE
Am 19. 11. 1962 wurde Dr. Viktar Grieß-
rnater. der Direktor des Österreichischen
Museums für angewandte Kunst. 60 Jahre att.
Grießmater. ein Fachmann auf dem Gebiet
der ostasiatischen Kunst. hat zahlreiche
wissenschaftliche Beitrage zur Kunst Chinas
und Japans veröffentlicht. Uber Einladung
des japanischen Außenministeriums trai er
vor kurzem eine vierwöchige lntarrnaiians-
reise nach Japan an.
Am 10. 2. tseging Unim-Prof. Dr. Fritz No-
votrty. Direktor der Österreichischen Galerie.
seinen 60. Geburtstag. Novotny hat sich
lieferte und wir lernen. daß das
Prunkkaffeeservice dieses barockesten
aller Fürsten, ein Hauptwerk von
J. M. Dinglinger, annähernd so viel
kostete als die Unterbringung. Er-
nährung und Ausbildung der Garnison
von Känigstein (mehrere hundert Sol-
daten plus Nebenpersonal!) für ein
ganzes Jahr. Solche Angaben regen
die Vorstellungskraft der Besucher
an. entziehen die Objekte dem geistigen
Spiritus. in den sie gehängt erscheinen.
und rücken sie wieder in die ursprüng-
lichen. lebendigen Zusammenhänge.
Machen wir aus dem volksdemokra-
tischen Osten einen Sprung in das so
ganz anders geartete London.
Den sympathischesten. liebenswürdig-
sten Versuch der Verlebendigung des
Museums konnten wir erst in einem
an sich scheußlichen Arbeiterviertel
erleben. dem Stadtteil Shoreditch näm-
lich. der das Hauptzentrum der eng-
Iischen Möbelindustrie ist. Dort be-
gründete zu Anfang des 18. Jahrhun-
derts Sir Robert Geffrye. mehrfacher
Bürgermeister von London und Vor-
steher der Zunft der Eisenhändler.
ein Altersheim. dessen Gebäude heute
noch bestehen. Das Heim selbst wurde
zu Anfang dieses Jahrhunderts aus
London wegverlegt. in die Gebäude
aber zog ein kleines. von der Gemeinde
Groß-London (London County Council)
begründetes Möbelmuseum ein. das
versucht. den spezifischen lokalen Be-
dürfnissen gerecht zu werden. Hier
gibt es Periodenräume. die allerdings
nicht mit Mobiliar. respektive Kunst-
und Gebrauchsgegenstönden der
Spitzenklasse eingerichtet sind. son-
dern zeigen. wie der .,kleine" und
"mittlere" Mann im Verlaufder Zeiten
lebte. Was das kleine Museum aber
so faszinierend macht. ist die Koppe-
lung mit dem Kindergarten- und
Schulbetrieb: Hunderte von Kindern
treiben sich dort einzeln oder in
wohlbehüteten Gruppen herum. be-
kommen Vorlagen mit Umrißzeich-
nungen van Exponaten. die sie färbig
vollkritzeln können. erhalten Taschen-
und Notizbücher zum Geschenk.
in denen sie ihre Wahrnehmungen
festhalten 4 vor allem aber stehen
ihnen Bastelwerkstätten zur Verfü-
gung. in denen sie die Grundlagen
des Schreinerns. Töpferns oder Webens
spielend erlernen können. So manche
geplagte Mutter. die ihre Kinder der
Obhut dieses ..Kindergartenmuseums"
anvertraut. ist sich gar nicht der Tat-
sache bewußt. welch wichtigen Bei-
trag zur allgemeinen kulturellen Er-
ziehung sie damit leistet.
Man sollte annehmen. daß die Anre-
gung. die das Geffrye-Museum ver-
mittelt, gerade in Wien mit seiner um
die Valksbildung so ehrlich bemühten
Gemeindeverwaltung auf fruchtbaren
Boden fallen könnte. Und unseren
großen. weltberühmten Museen sollte
es auf ein paarSchrifttafeln mehreigent-
lich auch nicht ankommen.
vor allem durch seine Forschungen über
die europäische Malerei des 19. Jahrhunderts
einen internationalen Namen gemacht. Er
gilt ais einer der besten Kenner des Werkes
von Cezanne. rur die Pelican Hislory dt
Art steuerte er den Band ..Painting and
Sculpture in Europe. 1790-1280" bei.
Am 2a. 2. wurde der Bildhauer GuStlftuS
Ambrosi 70 Jahre alt. Ambrosi gehürt zu
den profiliertesten und umstrittensten Künstler-
personlichkeiten Osterreichs. sein Werk
wird ebenso _unter- wie überschätzt. Leiden-
schaftlicher Uberschwang. melodramatisches
Pathos. extremes handwerkliches Können
und völliger Mangel an Selbstkritik und
-zuchl kennzeichnen sein ebenso überwälti-
gendes wie erschreckend fruchtbares Schaf-
en.
KLEINE NACHRICHTEN
Salzburg: internationale Sammerakodemie
für bildende Kunst. Sammarkurse 1963,
17. Juli bis 17. August.
Oskar Kokaschko und Friedrich Welz begrün-
deten 1953 auf der Feste Hohensalzburg die
"Schule des Sehens": was vor einem Jahrzehnt
ein wahrhaft mutiges Experiment mitdurchaus
problematischen Uberlebenschancen war. hat
sich in der Zwischenzeit zu einem blühenden
Institut entwickelt. das sich eines immer
größeren Zulaufes erfreut. Die künstlerische
Gesamtleitung liegt in den Händen von
Oskar Kokoschka. die Malklasse wird von
den Malern Rudolf Kortakraks. Michael
Pelikan, William Thomson. K. H. Wich und
Santuzza Colt geleitet. Zu Lehrern der Bild-
hauerklosse wurden der Wiener Alfred
Hrdlicko und der in Mailand und London
lebende Giacomo Baragli berufen. (Wir
gratulieren Hrdlicka zu diesem wohlver-
dienten moralischen Erfolgt) Andreas Rathe.
Florenz. leitet die Klasse für Maltechnik.
Slavi Soucek (Assistent: Werner Otte) steht
wie schon in den Vorjahren der Lithographie-
klasse vor. Friedrich Welz ist es gelungen.
nunmehr auch Roland Rainer für die Aka-
demie zu gewinnen. Seine Architekturklasse
wird sich mit dem Thema: Studien für eine
Universität in der Satzburger Landschaft
auseinandersetzen. Für billige Unterkunft.
Verpflegung. ärztliche Betreuung usw. ist
gesorgt. Zuschriften von Interessenten sind
an das Postfach 56. Salzburg l. lu richten.
lm Sommer im Museum des XXJahrttunderts:
"Idole und Dämonen". Das Museum des
XX. Jahrhunderts wird während der Sommer-
manate eine Ausstellung unter dem Titel
nldole und Dämonen" zeigen.
Diese Schau versucht. einen bestimmten
Aspekt der modernen Kunst ans Licht zu
rücken: die Wiedererweckung mythischer
Vorstellung. die Suche nach magischen Aus-
drucksformen und die Dämonisierung von
Mensch und Welt.
Die Meister des Expressionismus. der Phan-
tastik und des Surrealismus werden im
Zentrum dieser Schau stehen. Es ist an
Werkgruopen von Nolde. Beckmann. Max
Ernst und Miro gedacht.
Auch Klee und Picasso sollen umfangreich
gezeigt werden.
Uffizien erhielten Gemälde zurück. In Num-
mer 67 unserer Zeitschrift konnten wir
kurz über die Auffindung und Rückstellung
von Gemälden berichten. die im Zuge der
Kriegshandlungen aus dem Bestande der
Ufüzien in Florenz verschwunden und in
Pasadena. Kalifornien. wieder aufgetaucht
waren. wo sie ein ungarischer Gemälde-
restaurator wiedererkannt hatte: ein ehe-
maliger Angehöriger der deutschen Wehr-
macht. der 1950 in die USA ausgewandert
war. hatte die Gemälde einer bei einem
Verlagerungstransporl vom LKW gestürzten
Kiste entnommen und wollte sie nunmehr
in seiner neuen Heimat an den Mann bringen.
Auf Grund der Angaben dieses Mannes 7
sein Name ist Josef Meindl w war es möglich.
in Deutschland selbst auf weitere Bilder aus
dieser ominösen Kiste zu stoßen. Sie waren
in einem Kleiderschrank aufbewahrt und
ihr Besitzer hatte keine Ahnung von ihrem
Wert. Es handelte sich u. a. um ein Selbst-
bildnis von Lorenzo Credi. eine Kreuz-
obnahme van Bronzino und ein "Gleichnis
vom Weinberg" von Domenico Fetti. Arn
13. Februar dieses Jahres traten die Bilder
die Rückreise in ihre Heimat an. Ihrem
"Verwahrer" erstanden keinerlei Schwie-
rigkeiten mil den Behörden. da seine Tat
bereits verjährt war.
Ein Kokaxchko für Bremen. Die Tabak-
warenfirrrta Brinkmann feierte das Jubiläum
ihres hundertfünfzigjährtgen Bestehens auf
besonders noble Weise; sie stiftete zwei
Millionen DM (l) für ihre Belegschaft und ver-
schiedene karitative und kulturelle Zwecke.
Aus diesem Fonds wurde u. a. ein Gemälde
des nunmehr siebenundstebzigidhrigen Mei-
sters Oskar Kokoschka. darstellend den
Marktplatz der Hansestadt Bremen. bestellt
und der Bremer Kunsthalle zum Geschenk
gemacht. Das Bild wird als "freizügig.
phantasievoll komponiert und van lebhafter
Farbigkeit" beschrieben.
Noch Paris kehrte Mitte März die Mdna Lisa
nach elfwöchigem Aufenthalt in den Ver-
einigten Staaten heim. Leonardos welt-
berühmtes Gemälde war in der National
Gallerv. Washington. und dem Metropolitan
Museum. New York. ausgestellt und wurde
von über anderthalb Millionen Amerikanern
besichtigt.
Arn 2. a. konnte der Bildhauer Edmund
Moiret in Wien den so. Geburtstag begehen.
Moiret Stammt aus Budapest und trat auch
als Lyriker und Textdichter von Oratorien
tiervdr.
Am 1. a. vollendete der akademische Bild-
hauer Prof. Erwin Grienauer das so. Lebens-
jahr. Der Künstler ISt sowohl ats Großplastiker
wie als Medatlleur tatig. Zu seinen Werken
zatiit das Verkündigungsrelief am Taber-
nakel des Wiener Neustädter oamss. auch
zahlreiche Münzbilder unseres Silbergeldes
wurden van ihm geschaffen.
Am 24. a. feierte der Bildhauer Maria
Petrucci. Etn gebürtiger Ferrarese. seinen
70. Geburtstag. Petrucci lebt seit seiner
Kindheit in Wien und schuf zahlreiche
Denkmäler.
51