Buchbesprechungen
Ullstein-Kunstgeschiclite. Herausgegeben
von Hans-Günther Sperlich. Bd. 1:
Joseph Wiesner. Die Kunst des Alten
Orients. 8 Farbtafeln. 61 Abbildungen,
160 Seiten. Bd, 6: Willy Zschietzsch-
mann. Kunst der Etrusker m Römische
Kunst. 8 Farbtafeln. 54 Abb.. 160 Seiten.
Paperback.
Nunmehr hegen die ersten Bünde einer
Taschenbuch-Kunstgeschichte vor. die ins-
gesamt 20 Bande umfassen soll. Es handelt
sich um eine Lizenzausgabe der itn Stauf-
facher-Verlclg. Zürich. in fünf Halbleinen-
bünden erschienenen Illustrierten Welt-
Kunstgeschichte, die insgesamt 2600 Seiten
mit entspreetiendem Abbildungsmaterial um-
faßt. Die von Ullstein gewählte Form_ hat
nicht riur den Vorteil äußerster Billigkelt
S 27.- pro Band bei technisch bester Aus-
stattung e, sie wird auch dem Geist der
einzelnen Beiträge überaus gerecht. die
gewissermaßen eine Rangerhöhung von Aut-
Sützen zu selbständigen. in sich geschlossenen
Publikationen erfahren haben. Bedenkt man.
daß der Textteil mit zahlreichen Planskizzen.
Herauszeichnungen und Grundrissen ver-
sehen ist. ergibt sich rein vom gebotenen
Material her ein Maximum an kompakter
Präsentation. Der hohe Ruf der Autoren
(Zschietzschmonn hat schon 1939 einen ent-
sprechenden Band im Rahmen des Hand-
buchs der Kunslwissenschafl vorgelegt) bürgt
für die Qualität des textlichen Inhalts.
Küller
Welt du Glaubens in der Kunst. Bildbänd-
chenreihe zur christlichen lkologie.
Verlag Friedrich Pustet. Regensburg
(1961). Ln.
Bd. 1: Wilhelm Messerer. Kinder cthne
Alter. Putten in der Kunst der Barock-
zeit,131 Seiten. 46 Bildtafeln.
Bd. 1: Herbert Schade. Dämonen und
Monstren. Gestaltungen des Bösen in
der Kunst des frühen Mittelalters.
152 Seiten, 46 Bildtafeln.
Bd. 3: Anton Mayer. Das Bild der
Kirche. Hauptmotive der Ekklesia im
Wandel der abendländischen Kunst.
134 Seiten. 46 Bildtafeln.
Diese vorzüglich ausgestatteten Böndchen
gehören in die Hand des Fachrnannes ebenso
wie des Laien: Dem Kunslhisloriker ver-
mitteln sie neuestes Wissen, dokumentiert an
Hand eines ausführlichen wissenschaftlichen
Anmerkungsapparates: sie sind aber auch
so leicht faßllch geschrieben. daß jeder. der
sich für bildende Kunst interessiert. Gewinn
aus ihrer Lektüre ziehen kann. ln einer
Zeit. in der Werke gerade der christlichen
Kunst immer wieder zu Dekorationszwecken
im bürgerlichen Heim herabgewürdigt wer-
den. ist Besinnung auf ihre eigentliche Be-
deutung, auf ihren Sinn und ihre Werte
doppelt notwendig.
Das gilt besonders für das erste Bändchen.
"Kinder ohne Alter". das sich mit dem
Phänomen der Barockengelskinder auseinan-
dersetzt. ohne die eine "bessere" Wohnung
heute nicht mehr gedacht werden kann. Was
sie nicht alles sein und bedeuten können.
diese 'ßen" Geschöpfe - sie sind "Schuld-
spieler' in den großen. dramatischen Szenen
des Lebens Christi. "nnen als "Göttlicher
Amor" eine allegarische Brücke zwischen
Antike und Christentum schlagen, sie be-
tätigen sich als Attributtrager, himmlische
Musikanten, aber auch als Erzengel Michael.
begleiten die Attribultiere der Evangelisten.
weisen. mahnen. zeigen Schriften. symboli-
sieren das Atmosphärische. aber auch Schmerz
und Jubel, rauben. wenn sie antike Gott-
heilen "spielen". dem großen Pathos Ernst
und Schwere und wachsen am Ende der
Entwicklung (gegen 1800) ins Esoterische.
nDämonen und Monstren" aus romanischen
Kirchen sind seit Jahrzehnten Tummelplatz
(iir allerlei Theoretisieren: Neben den
Astheten. die (auch Dehio gehörte dazu)
die Fabelwell romanischer Kapitale als
"Spielerei" abtaten. stehen die Psychologen
mit ihrem Hang zum Unterschwelligen.
Archetypischen. aber auch die Gesellschafts-
wissenschaften die in der Dämonenwelt
des frühen und hohen Mittelalters ein Mittel
zur Massenbeetntlussung sehen . . . Aber was
ist "dämonisch" und "magisch"? In diesem
Sinne bemüht sich der Autor mit Erfolg.
zunachst die heute möglichen Standpunkte
dem Phänomen gegenüber aufzuzeigen.
später dringt er zu einer Erklärung der
Begriffe vor. Das Endergebnis ist eine Zu-
ruckführung zu den Quellen selbst. vor allem
zu Rabanus Maurus und seinen iiVier Töch-
tern der Weisheit" 7 der historischen. alle-
gorischen. tropologischen und anagogischen
Erkenntnis der Wirklichkeit. Das hohe Mil-
telalter ist ein geistiger Raum der Quer-
verbindungen, des totalen Aufeinanderbe-
zogenseins. der wechselweisen Spiegelungen
und letzten Endes der ldentiläten! In diesem
Sinne sind auch die Dämonen und Monstren
Elemente des göttlichen Heilsolanes.
"Das Bild der Kirche" ist letztlich stets das
gleiche geblieben. es wandelte sich nur ..in
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sich". In der Spütantike und im frühen
Mittelalter ist die Ekktesio das Mysterium
schlechthin. im hohen Mittelalter. zur staii.
ferzeit. erhebt sie sich zur lmpcratrix. im
späten Mittelalter wird sie VOm Juridisch-
Administrativ-Realistischen her interpretiert.
Die Renaissance bringt eine tiefe Krise des
Ekklesia-Bildes: wird es riient gänzlich ver-
wischt, wandelt es sich zu dem einer ..Ecclesla
militans". Erst in der Bcirockzeit ist wieder
ein neues, ganzes Kirchenbild da. das der
.,Ecclesia triumphons". Das 19. Jahrhundert
bringt ein lenriidti-mareiisierendes. zwangs-
tdiing auch historisierertdes Ktrchenblltli und
erst in neuester zeit kommt es zu einem
neuen. ganz verlnnerlichten Mystlzlsrnus.
Aiitdren und Verlag seien ehrlich bedankt
fur die hier vollbrochten schönen und grpßen
Leistungen. Köller
Dora t-ieinz, Liiizer Paramente, Verlag
Anton Schroll, Wien 1961
Das Buch ist nicht bloß eine Bestandaufnahme
eines größeren Parameritensehatzes, der vom
17. bis zum 19. Jahrhundert reicht. Obschon
eine solche allein schon verdienstllch genug
wäre. da sie vielleicht hoffen läflt. daß an-
dere Bestände diesem Beispiel folgen, Soll
man so verwegen sein, zu erwarten. doll
man dem cprpus der Glasmalereien eines
der Stickerei und Seidenweberei zur Seite
stellt? Zuviel ist schon in Verlust geraten.
Gerade jetzt. da die Geistlichkeit die alten
Mellgewönder als zu schwer und altmodisch
ablehnt und viele Neuanschaffungen getatigl
werden, ist der alte Bestand wieder in Ge-
iatir geraten.
Aber die Verfasserin. die im Österreichischen
Museum für angewandte Kunst eine der größ-
ten Textilsammlungen leitet. hat sich nicht
mit der Katalagisierung des Bestandes be-
gnügt. sondern einen wesentlichen Beitrag
zur Geschichte der europäischen Seidenwe-
berei des 18. Jahrhunderts geliefert. Slomonn
hat mit seinem Buch ..Bizarre designs in
silk".1953. eine gewisse Verwirrung gestif-
tet. der wohl schon in manchen Buchbespre-
ehungen entgegengetreten wurde. Aber in
den ..Lirtzer Pararnenten" ist diese Ange-
legenheit meines Wissens auch das erste Mal
durch eine gründliche Analyse des europä-
ischen Seidenstiles und seiner Komponenten
zurechtgerückt worden. Der Bestand einer
einzigen Fidrrkirerie gibt Anlaß genug. sich
mit dem unerhörten Reichtum an Mustern
ausetncinderzusetzen. der besonders in der
1. Hälfte des 18. Jahrhunderts die europä-
ische Seidenweberei auszeichnet. Noch muß
man verzichten. den Anteil der wichtigen
Seidenländer gegeneinander abzugrenzen -
der Wetteifer um das Neueste war um diese
Zeit wohl allzu groß -.hot sich doch sogar
England (Musterzeichnungen haben SlClt er-
halten).wenn auch auf etwas nüchterne Art,
an den Bizarrerieri beteiligt.
Der Verlag hat das Buch mit 12 farbigen
und 48 Schwarz-Weiß-Tafeln ausgestattet.
Schlosser
Erich Egg, Van Augsburg iiiieti vereiid. ein
Kunstführer auf den Alpenstraßen. Mit
167 Fotos von Anton Dernanega und
12 Kartenskizzen. Tyralia Verlag.
Innsbruckr WienmMünchen (1961)
Mit diesem Führer, der für den Autoreisen-
den geschrieben ist. der die Kaiserstraße.
die uralte Verbindung zwischen Italien und
Deutschland. für seine Fahrt in den Süden
wühlt. ist Erich Egg iind dem veriag ein
originelles Werk gelungen. Die Jahrtausende.
in denen dieser Weg vorn Norden nach dem
Süden und umgekehrt benützt wurde. haben
im Lande Tirol zahlreiche Kunstwerke ent-
stehen lassen. die noch viel zuwenlg bekannt
und gewürdigt sind. Die Geschichte der
Kalserstraße über Reschen- und Brennerpaß
ist daher auch die Geschichte Tirols und
die Kunstwerke sind in diesem Zusammen-
hang die Zeugen für die Bedeutung von
Straße und Land. das eine ..Clausen, schilt
und porten der Teutschen gegen welscher
natian" gewesen isi.
Der Führer gliedert sich in drei Teile. die
die Straße von Augsburg über den Beschen-
paß nach Neumarkt. die Straße von Augs-
bura über Scharnltz noch Innsbruck und die
Straße von Kufstein über den Brenner nach
Verona behandeln. Diese jeweils in Etappen
aufqegliederten l-lauptwege und die damit
in Verbindung stehenden historischen und
kunstgeschichtllchen Daten werden so be-
schrieben. daß der Führer als ein echtes
Handbuch benützt werden kann. Die reiche
Bebilderung und die Skizzen zu den ein-
zelnen Etappen unterstützen diese Absicht.
Mrazek
Maria Csernyansky. Ungarische Spitzenkuiist.
Corvina Verlag. Budapest 1962 b
Eln knappes Vorwort macht den Leser mit
Technik und Geschichte der Spitze im all-
gemeinen bekannt.
Für Ungarn - der Begriff Ungarn deckt
sich in dem Büchlein mit den Grenzen der
ungarischen Reiciistialite vor dem ersten
welikrieg und so fallt der Hauptanteil der
ungarischen Spitze den slowakischen Ge-
bieten Nordungarns und den slebenbürgi-
schen Gebieten zu -. für Ungarn ist nur die
Klöpoelarbeit von Bedeutung gewesen. Für
die Gald- und Silberspitzen ist dies selbst-
verständlich. aber auch bei der Spitze aus
Lelnenfüden hat man sich auf das Klöppeln
beschränkt. Zur Musterbtldung bediente man
sich jener schmalen Leinenserilagstreiieri. wie
es in Mailand und Flandern üblich war.
anfangs mit Stegen. sp' er mit einem mehr
gder weniger regelmäßigen Netzgrund.
Uber das iippige Rankenwerk des 17. Jahr-
hunderts reicht die ungarische spitze bis
zu den krausen musierlpsen Verschlingungen
der frühen Brüsseler Spitze. Die Entwicklung
der tiiederldndisrtien Klöppelspitze des
1B. Jahrhunderts hat Ungarn nicht mehr
mitgemacht.
Um 1900 Ä wie last überall in Europa 7
versucht man auch in Ungarn der spitze
neues Leben zu geben: Arpod Dekani ent-
wirft im Jugendstil Nähspitzen aus farbiger
Seide (Hal spitze). und in den dreißiger
Jahren wird mit der Hunnia-Spitze das
Klöppeln wieder belebt. 46 Abbildungen
geben eine gute Vorstellung von den ver-
schledenen Arten der ungdrisrtien Spitze.
Schlosser
Der Bergmanrisctimuck Johann Georgs ll.
von saetisen. Herausgegeben und ein-
geleitet von H. Winkelrvlann: Ver-
einigung der Freunde von Kunst und
Kultur im Bergbau E. V. Bochum (1961).
60 Seiten, 53 z. T. farbige Abb.. Ln.
"Der Bergmannsschmuck Johann Georgs !l.
gehort zu dem Prüchligsten und Kaslbarsten,
was der traditionsreiche Bergrnannstand
aus der Blütezeit bergmännischer Kunst be-
sitzt." Mit diesen Worten beginnt die vom
Direktor des Bergbau-Museums Bochum ver-
faflte Schrift, die ein Objekt behandelt. das
aus 23 silbervergoldeten Einzelteilen besteht.
die Huber und über mit Amethysten, Berg-
kristallen. Granaten. Rauch- und Milch-
quarzen besetzt" sind. 20 Woooenschilder.
17 emaillierte Blldmedaillons sowie 1B In-
schriftenplatlen und Spruchbänder zieren
Barte und Säbel. Tscherpentasche. Messer.
Agraffe. Geleucht. Schnallen und Anhän-
ger . . .
Johann Georg ll. (reg. 1656-4680) trug
diesen "einzigartigen Schmuck bergmänni-
scher Repräsentanz" nur ein einziges Mal.
nämlich anlälllich der "durchlauchtigsten
Zusammenkunft der Wettinischen Brüder"
am Tage des im Rahmen dieses zwei Monate
andauernden Ereignisses stattgefundenen. im
Zeichen Merkurs stehenden Festes vorn
11. Februar 1678. Das Bergmannshabil
wurde später nur nach ein weiteres Mal
van einem lebenden Menschen getragen:
der so Hervorgehobene war der oberberg-
werksdirektor Freiherr von Löwendal. An-
laß war das Saturnsfest von 1719. Seither
ist das Habit eines der Hauplstücke des an
Schützen so überreichen Grünen Gewölbes
in Dresden. Der künstlerische Gestalter der
Bergwerksgarnitur war der Goldschmied
Samuel Klemm: er vollendete sein Haupt-
werk als seeiisundseehzigidiiriger im Jahre
1677.
Winkelmann befoßl sich in seiner Studie
eingehend mit den äußeren Ereignissen.
wirtschaftlichen und historischen Voraus-
setzungen sowie dem Vorstellungskrels. aus
dem heraus jenes Berghabit. ein echt barockes
Dokument. geschaffen wurde. Er behandelt
in einem eigenen Abschnitt die Mineralogie
der verwerteten Edelsteine. befaßi sich mit
der berg- und hüttenmännischen Tracht auf
Klemms Emaillebildern. interpretiert Berg-
monnskostüm und -schmuck als Repräsenta-
tionsmittel des Bergmünnischen und widmet
ein Schlußkaoitel dem künstlerischen Ge-
stalter des Bergmcinnsschmuckes. eben ienern
bereits erwahnten Frelberger Goldschmied
Samuel Klemm.
Das Buch als solches ist eine der nicht häufigen
synthetischen Leistungen verschiedener wis-
senschaftlicher Disziplinen. und man muß
dem Verfasser das kpmpliment machen. daß
er sich sowohl als Historiker und Kunst-
historiker wie auch als Mineraloge und
Montanist vollauf zu bewähren wullte. Der
bestens ausgestaltete Band ist leicht lesbar
geschrieben und setzt Wort und Bild in
schöne Wechselwirkung. Köller
Milko Bitschew. Die Architektur in Bulgarien
von der ältesten Zeit bis zur nationalen
Befreiung ian. Fremdsarachenverlag.
Mit 45 Abbildungen im Text und 105
Tafeln, Ln.
Dieses isurti gibt einen ebenso knappen wie
lückenlosen Uberblick über die Architektur
in Bulgarien vom Nealithikurn bis an die
Schwelle der unmittelbaren Gegenwart. Von
besonderem Interesse sind die Ausgrabungen
der allerletzten Jahre. die auf dem __zeit-
sektor des Griechischen bis Komischen Uber-
rclschendes zutage gefordert haben (Seutho-
polis), aber auch hinsichtlich des bulgarischen
Mittelalters nicht ohne entscheidende Erfolge
blieben.
Die Darstellungsweise ist die einer reinen
Berichterstattung. sie hält sich an die Obiekte
selbst und an die Ergebnisse ihrer materiellen
Erforschung. So ist das Werk nicht eigentlich
als kunstgeschichtliche Leistung im vollen
sinne des Wortes, sondern eher als "Erst-
Information" in übersichtlicher Form vor
allem für Studierende zu betrachten.
Dem wissenschaftlichen Standard iind der
vorzüglichen Ubersetzung des Buches ent-
Spricht leider nicht seine Ausstattung: hier
hat man in Bulgarien zweifellos noch sehr
viel aufzuholen. Koller