nen Realismus auf dem Gebiet der Malerei, schrieb im Jahre 1862
in der Zeitung Narodni listy, daß uns für die Entwicklung der bildenden
Kunst „die hauptsächlichsten und wichtigsten Bedingungen, nämlich
die Lehrmittel, fehlen. Dresden rühmt sich seiner weltbekannten
Gemäldegalerie. München seiner Pinakothek, wir haben nichts...
das war allerdings nicht immer so. Fahren Sie nach Dresden und in
der dortigen Gemäldegalerie finden Sie ungefähr ZOO Bilder der her-
vorragendsten italienischen, niederländischen und anderer Künstler,
die aus Prag nach Dresden gebracht wurden. Fahren Sie nach Wien,
und Sie werden im Belvedere genügend Bilder finden, die ursprünglich
auch die Prager Galerien zierten, ja auch in Stockholm stoßen Sie auf
Kunstwerke aus den Prager Galerien. Diese hat ein siegreicher Räuber
verschleppt, jene wurden von weiß Gott wem und wofür ins Ausland
verkauft und der Rest übersiedelte nun auf höheren Befehl nach Wien -
die Zentralisierung bezieht sich doch auch auf die Kunst."
Die Bemühung, sich mit dem Verlust der Burggalerie auseinander-
zusetzen, äußerte sich später in einer Neueinschätzung der rudoliinischen
Kunst und Sammlungen auf der Ausstellung „Kunst und Künstler
am Hofe Rudolfs 11.", die im Jahre 1912 stattfand, und auch in den
Publikationen, die dieses Unternehmen begleiteten. Deshalb wurde
nach der Entstehung des selbständigen Staates ein - natürlich ver-
geblicher i Versuch gemacht, Bilder aus der ehemaligen Galerie der
Prager Burg zurückzuerhalten.
Das Bedürfnis, sich mit den schmerzlichen Verlusten abzuiinden,
blieb auch später lebendig. Es gab die Anregung zur Ausstellung,
die im Jahre 1937 vom Museum der Hauptstadt Prag und dem Archiv
der Prager Burg zum Thema „Die Sammlungen Rudolfs ll. - ein
Versuch ihrer ldentiHzierung" veranstaltet wurde. In Photographien
von Bildern, die sich in verschiedenen Galerien der Welt behnden,
wurde andeutungsweise der ehemalige künstlerische Reichtum der
Prager Burg in Erinnerung gerufen.
Die Annahme, die auch diese Ausstellung begleitete, nämlich daß
alles einst in der Burg Verwahrte entfernt, verkauft und geplündert
worden war, wurde zu einem unsichtbaren Wall, an dem alle Ver-
suche, das auf der Burg noch Übriggebliebene gründlich zu durch-
forschen, scheiterten oder wenigstens hinausgeschoben wurden. ln
der Vereinigung bildender Künstler „Manes" fnßte zwar kurz vor der
Okkupation der Gedanke Fuß, eine Ausstellung aus den Bildern der
Prager Burg zu veranstalten und bei dieser Gelegenheit eine neuerliche
Wertung dessen durchzuführen, was erhalten geblieben war. Dieser
Gedanke wurde jedoch weder realisiert noch fachgemäß vorbereitet.
Die Tatsache, daß diese Bilder weder der breiten noch der fachlichen
Öffentlichkeit zugänglich, daß sie in den verschiedensten Räumen
verstreut waren, erschwerte natürlich jedwede Sichtung erheblich.
Nach dem Jahre 1918 widmete man auf der Burg das gesamte Sammler-
interesse der tschechischen Malerei des 19. Jahrhunderts - ein Beweis
dafür ist der verdienstvolle Artikel und später das Buch V. V. Stechs
aus dem Jahre 1950 -, während die alten Bilder damals nur als Doku-
ment der Habsburgerzeit betrachtet Wurden. Erst die gegenwärtige
großangelegte Aktion, die Prager Burg und ihre Dcnkwürdigkeit
voll und ganz dem Volk zugänglich zu machen, regte weitere Arbeiten
an und ermöglichte, daß die bisherigen kunsthistorischen Forschungs-
arbeiten, die das Institut der Tschechoslowakischen Akademie der
Wissenschaften für Theorie und Geschichte der Kunst schon einige
Jahre lang vor allem auf dem Gebiet der Architektur durchführt, auch
auf die Reste der alten Bildergalerie auf der Burg ausgedehnt wurden.
Die Resultate der Untersuchungen, die heute, im Anfangsstadium der
Arbeit, vorgelegt werden können, sind überraschend. Die Prager
Burg hat sich bis zum heutigen Tag eine bedeutende Anzahl von
Werken der bedeutendsten Meister im Weltmaßstab erhalten, die noch
immer für den Charakter, die Richtung und das Niveau ihrer ehe-
maligen ausgezeichneten Sammlungen spricht, vor allem der seit der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstandenen großen Galerie.
Die neu entdeckte Kollektion bereichert in bedeutendster Weise unse-
ren nationalen Kulturbesitz durch Werke großer Persönlichkeiten
und Malerschulen, die in unseren Bildergalerien bisher fehlten oder
ungenügend waren. Dies gilt insbesonders für die ausgezeichneten
Exemplare der italienischen Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts,
die den wichtigsten Bestandteil der Burggalerie bilden. Das bezieht
sich jedoch in geringerem Maße auch auf andere europäische Schulen,
insbesondere auf die llämische Malerei.
Die Entdeckung ist nicht zufällig; sie wurde durch systematisches
Studium der europäischen und einheimischen Malerei in unseren und
ausländischen Sammlungen vorbereitet. Den Weg zu ihr wiesen einige