GERHARDT P. W'OE(IKEL
Die drei Rokokoöfeu
de: Srblosse: aeinguxlzzrburäg {u Brühl I.
L. H. Hrjrienreirb {um 60. Geburtstag
Die 1961 in Schloß Brühl gezeigte ClemensAugust-Ausstellung war
nach der ihr vorausgegangenen Europarat-Ausstellung „Europäisches
Rokoko" (München 1958) in den letzten Jahren das wichtigste Exponat
für die deutsche Kunst des 18. Jahrhunderts. Sie warf eine Reihe von
wissenschaftlichen Fragen auf, die im Rahmen eines Ausstellungs-
kataloges nur am Rande gestreift werden konnten. Zu ihnen gehört
auch der exakte Nachweis, von welchen Meistern die drei seit dem
18. Jahrhundert so benannten „bairischen", weißglasierten und ver-
goldeten Fayenceöfen in Schloß Brühl geschaffen wurden - eine
Frage, die in einem erst kürzlich erschienenen Aufsatz in ihrer nach
mehreren Seiten hin sich erstreckenden Problemstellung leider nicht
erschöpfend beantwortet wurdel). Wenn man die spärliche Literatur
über diese in Schloß Brühl aufgestellten Paradeöfen verfolgt, dann ist
man sehr erstaunt zu lesen, daß man versucht hat, sie abwechselnd nach
Poppelsdorf (bei Bonn), in die Schweiz, ja sogar jüngst nach Ober-
italien zu lokalisieren. Dabei dürfte doch die unmißverständliche
alte Bezeichnung „bairische" Öfen in der Tat genügend äußere Anhalts-
punkte geboten haben, ihren richtigen Entstehungsort 4 München -
und ihre dort ansässigen, sämtlich der Hofkunst angehörigen Meister
einwandfrei zu ermitteln.
Der großzügige Ausbau der kurfürstlichen Residenz in München für
Karl Albert, den späteren Kaiser Karl VlI., erforderte die Berufung
von Künstlern aller Gattungen. Sie stand anfangs unter der Leitung
des Oberhofbaumeisters Joseph Elfner und später unter Frangois
Cuvillies d. Die unter dem Namen „Reiche Zimmer" bekannten
Prunkräume könnte man sich ohne die entsprechenden Kachelöfen
nicht vorstellen. S0 wird in den Akten des Kreisarchivs München
über einen Vertrag berichtet, der im Jahre 1725 im Namen des Kur-
fürsten Max Emanuel mit dem Wiener Hofbildhauer Antonio Chano-
vese, einem gebürtigen Italiener, abgeschlossen wurde, der außer
seiner Tätigkeit als Bildhauer sich auch als Gestalter von Kachelöfen
betätigte und 1719 Öfen in die Wiener Hofburg lieferte. Ein charak-
teristisches von ihm in Wien angefertigtes Werk ist der einst vor
einer unverzietten Nische aufgestellte vergoldete Ofen, der sich im
äußeren Audienzzimmer der Reichen Zimmer (ehem. Raum 73 -
jetzt 72) in der Münchener Residenz befand (172581). Dieser Typus
des sogenannten „X'("iener" Ofens, zu dem es auch in Schloß Schleiß-
heim im Raum 7 (Parterre) ein vom gleichen Künstler stammendes ana-
loges Stück gibt h), war der künstlerische und formale Ausgangspunkt
für weitere noch prächtiger ausgefallene Zieröfen in der Münchener
Residenz und in Schloß Brühl, von denen noch zu sprechen sein wird.
Sie zeigen alle eine seht wichtige technische Neuerung: die Gestaltung
des sogenannten Umschlagofens 3). Diese Zieröfen wurden um ein aus
Latten und Brettern errichtetes Gerüst „umgeschlagenf das heißt aus
Ton im Ganzen modelliert. Dies steht in unverkennbarem Gegensatz
zu der früher geübten Technik, den Ofen durch Aneinanderreihung
einzelner aus Modeln geformter Kacheln zusammenzusetzen. Bei den
neuen Fayenceöfen wurde der Ton im Freien während der guten Jahres-
zeit zum Trocknen gebracht, dann in einzelne größere Flächen zer-
schnitten, gebrannt, glasiert und wieder zusammengesetzt. Es ist ver-
ständlich, daß die bis dahin mit derartigen Arbeiten betrauten, mehr
handwerklich orientierten und der Zunft angehörenden Hafner diesem
derartig komplizierten Verfahren technisch nicht mehr gewachsen waren,
so daß jetzt die zunftfreien und als Kunsthandwerker tätigen „Erdt-
poussier" oder Erdbossierer an ihre Stelle traten. Sie führten die sehr
häufig mit reichem ornamentalem Schmuck versehenen Umschlagöfen
als keramische Zieröfen für die höf-ischen Auftraggeber aus. Eine
besondere Rolle spielt dabei die plastische Verzierung dieser Öfen in
Gestalt von Figuren und Reliefs. Daß Erdbossierer und Bildhauer wie
bei dem eben erwähnten Antonio Chanovese, der in letzterer Eigen-
schaft auch für die Wiener Karlskirche in den Jahren 1717 und 1725
tätig war, personengleich sind, ist unserer Kenntnis nach als ein Aus-
nahmefall zu betrachten. Anderseits konnten diese Erdbossierer aber
ohne weiteres für die damals gerade entstehenden Porzellan- und
Fayencemanufakturen gelegentlich auch als Modelleure verwendet
werden, was für Johann Georg l-lärtl und seinen Sohn Anton Thaddäus
wie für den später für die Münchener Residenz tätigen Hofhafner
Augustin Niedermayer archivalisch bezeugt ist. Eine weitere Frage ist,
von wem der Gesamtentwurf eines solchen Ofens stammt. Auf diese
Probleme werden wir im einzelnen noch zur gegebenen Zeit zu sprechen
kommen.