Welche Persönlichkeit des frühen 16. jahrhundcrrs ließ zur Hochzeit
ein derart prunkvolles Gefäß anfertigen? Darüber gibt uns eine aus-
führliche Gravüre am Mundrand des oberen Pokalcs Auskunft:
„CHRISTOFORUS SCHEURL IURIS DOCTOR UXORI KA'I'HE-
RINE FUTRERIN DONAVIT 29 AUGUSTI 1519".
Dieser Dr. juris Christoph Scheurl, der am 29. August die Katherina
Fütterer in Nürnberg ehelichte, war eine bedeutende Persönlichkeit
der Reformationszeit. Die Allgemeine Deutsche Biographie 3) widmet
ihm einen zehnseitigen Aufsatz. Der 1481 Geborene studiert in Bo-
logna, ist bereits 1504 als Gesandter Kaiser Maximilians tätig und
wird von da ab immer wieder zu bedeutenden diplomatischen Auf-
gaben 4 als Gesandter des Herzogs von Sachsen und später der freien
Reichsstadt Nürnberg bei Karl V. in Vnlladolid und Barcelona und
bei Ferdinand I. in Wien - herangezogen. Zwischen 1507 und 1512
ist er als Professor und Rektor in Wittenberg tätig und kommt in
den gewaltigen Bannkreis Luthers und Melanchthons. Er befreundet
sich mit dem Rechtsgelehrten der Reformatoren, dem Leipziger
„Disputat0r" Dr. Johannes Eck, ohne jedoch entschieden auf die
Seite der Reformatoren zu treten. Damals malt ihn Lukas Cranach d.
Das heute noch im Freihetrlich ScheurPschen Familienarchiv erhaltene
Bild4) zeigt uns einen schönen, bartlosen, eleganten Mann, der von
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Cranachs Bildnissen der Reformatoren auffallend absticht. Als der
elegant lavierende Diplomat und Schönling, als der er uns auf Cranachs
Porträt entgegentritt, zeigt er sich dann auch in seiner weiteren Lauf-
bahn. Schon 1512 geht er trotz glänzender Aussichten am sächsischen
Hofe, um sich nicht entscheiden zu müssen, nach Nürnberg zurück.
Hier betätigt er sich erfolgreich in der Verwaltung und als Wortführer
der Nürnberger Gesandtschaften in Spanien und Deutschland.
Amüsant ist das Urteil Willibald Pirkheimers über Scheurl. Er nennt
ihn einen „Dolor beider Rechte", abgeschmackt, hoffartig und eitel.
Die Hochzeit Anno 1519, für welche der Dnppelpolsal angefertigt
wurde, kennen wir aus den autobiographischen Schriften Scheurls 5),
die im ScheurPschen Archiv erhalten sind. Sie verlief besonders prächtig.
Als großer Ehrengast war auch Dr. johannes Eck aus Wittenberg
erschienen, wobei der gelehrte Reformator eifrig das Tanzbein schwang.
Es wird jedoch dann berichtet, daß Luther und Melanchthon den
heimgekehrten Eck sehr tadeltcn, weil er bei diesem Kaiserlichen und
Verräter Scheurl getanzt habe.
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S0 steht nun dieses herrliche Gefäß vor uns als kunstgeschichtliches
Dokument aus einer Zeit, die wie keine zweite in der deutschen Ge-
schichte erregt und aufgewühlt war, aus der Zeit der Reformation,
der Religionskriege, der letzten Gotila und der neuen Renaissance, in
der vieles zusammenstürzte und alles möglich schien. Der Bürger der
freien Reichsstadt, Christoph Scheurl, entfaltete den Prunk eines Fürsten
auf seiner Hochzeit, auf der die Reformatoren tanzten, während sich
das Brautpaar aus den beiden Hälften des Gefäßes auf ein treues und
langes gemeinsames Leben zutrank.