Die Plastik Urteils bezieht sich ausnahmslos auf die Figur
des Menschen; nicht als ob er von der Meinung ausgegangen
wäre, die manche Feinde zeitgenössischer Kunst geschickt
kolportierten, als bestünde das Humanum der Kunst in der
Darstellung und Interpretation des menschlichen Antlitzes
und der menschlichen Figur und sei jede Abweichung von
diesem Thema bereits als Verlust oder Gefährdung der
Humanitas zu werten (wenn dem so wäre, hätte sich
diese Katastrophe schon mit jedem Blumen- oder Früchte-
stilleben der Vergangenheit ereignet); er verformt die
menschliche Gestalt so heftig und entfremdet sie der
empirischen Erscheinung. daß die Hypothese möglich ist.
sie diente ihm als bloßer Ausgangspunkt und Material seiner
absoluten künstlerischen Formgebung und -sprache; oft,
besonders in Zeichnungen (und diese gehören wesentlich
zum Lebenswerk dieses Frühvollendeten), bleiben nur Be-
wegungsimputse, nur Gestikulationsformeln, nur aufs äußerste
verformte Fragmente der Menschenfigur, so daß der Eindruck
entsteht. daß Materie und Thema Mensch nur Anloß und
Anregung türsein Gestalten. sein Bilden wären. Dennoch dürfte
diese Interpretation nicht seiner Gesinnung und den Fakten
seiner Schöpfungen entsprechen. In der Um- und Ausformung
des Menschen, wie sie Urteil vollzog. lag ein deulender,
verweisender Zug, und das Gesamte seiner Arbeit an diesem
Thema bedeutet eine Interpretation großen Stils über das
Phänomen Mensch. eine Antwort auf die nie ausdrücklich
gestellte Psalmfrage: „Was ist der Mensch?" Urteil liegt jeder
Klassizismus fern; er gibt keine abstrakte Definition vom
sein sollenden Wesen und der normativen Bedeutung des-
selben; er schafft kein Ideal, dem sich die Fakten zu beugen
hätten, an dem alles, was Mensch ist. zu messen wäre. Er
hebt nicht weise und belehrend den Finger (wie alle Klassi-
zisten tun, die es nicht erwarten können, akademisch zu
werden). will keinen absoluten Kanon errichten, Urteil
nimmt den Menschen als Erfahrung. eben in seiner geschicht-
lichen Existenz; er erreicht Typisches. aber er intendiert es
nicht. Sein Menschenbild ist fast ausnahmslos dynamisch. er
sieht den Menschen nicht als Statue, nicht in kultischer Starr-
heil, als Idol, er siehtihn nicht als zeitlos gültiges Wesen,
das sich selbst treu bleibt und in allen seinen Zuständen
eben diese zustündlich überdauert. Er sieht den Menschen
nicht nur im Gestus. sondern in Fortbewegung belebt; so
erhält das menschliche Dasein Tendenz. Gerichtetheit, Ge-
zieltheit (im Thema "Bogenschütze" ist es nicht nur der
imaginäre Pfeil. der auf ein unsichtbares Ziel hin will, son-
dern ist es der Schütze selbst, der auf dieses Ziel hin bewegt
ist). Das Schreiten. Springen, Laufen. Forttliegen ist ein
Element dieser Figuren, so sehr sie in der Erde wurzeln
und sich niemals über sie erheben. Die Substanz der Kör-
perlichkeit verschwindet oft unter der Bewegung: aufs
äußerste artikulierte Elemente gruppieren sich um einen
gedachten Kern. haben ihre Angelpunkte. Drehpunkte in
einem skelettierten Volumen, so daß nur Glieder in Erschei-
nung treten und der Leib sich unter ihrer Aktion verflüchtigt.
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