EIN HHARTES" MUSEUM
Das Linzer Schloß zeigt sich dem Beschauer vom Norden (also vom Urfahrer
Donauufer) her noch ziemlich unverändert in den Farmen der Erbauungszeit
(Anfang 17, Jahrhundert). Der Stil dieser gewaltigen Moles hat etwas Kubisch-
Knappes, Kristallinisches an sich: nur wenige Zierelemente beleben die Fassade.
die ihre starke Wirkung gerade aus der Reinheit der Grundformen und der Klarheit
der Proportionen bezieht.
Diesen „harten" Stil hat man sich auch bei der Neugestaltung der Innenräume im
Zuge des Ausbaues zu musealen Zwecken zu eigen gemacht, Man sieht sich ver-
sucht, von einer ,.Romantik der Präzision" zu sprechen. Weiß ist die dominierende
Farbe der Fassade, schlichtes Weiß beherrscht auch die Innenräume. Die Reno-
vierung und Umgestaltung hat. wo immer es möglich war, die alten Gewatlbe mit
ihren zum Teil hochinteressanten Stichkappenlösungen, Pfeilern und Säulen erhalten.
aber alle Unregelmäßigkeiten der altert Bemörtelung beseitigt. so daß auch hier
die I-lärte. geometrische Präzision und messerscharfe Klarheit der Kanten bestens
zur Geltung kommen, Die Vitrinen. Gestelle, Konsolen, Kolen und Sitzmäbel
schließen sich eng an skandinavische moderne Vorbilder an, womit auch von
dieser Seite her angewandter Kubismus seinen Einzug in das Bauwerk gehalten
hat, Schnörkel, t-leimatstil-Floskeln. pseudobarocke Reminiszenzen sind somit aus
diesem Bauwerk des Lichtes und der Sauberkeit verbannt: Repräsentation und
Präzision wurden in diesem Museum zu Synonymen. Es ist kein größerer Gegensatz
denkbar als der zwischen dem zum Museum umgestalteten rudolfinischen Schlaf}
und der 1895 errichteten Protzkiste. in der sämtliche provinziellen Minderwertig-
keitskomplexe, die Linz noch vor wenigen Jahrzehnten den Ruf der Lächerlichkeit
eintragen. ihren enthemmten Niederschlag fanden.
Die Gestaltung des Schloßmuseums ist nicht retrospektiv, in ihr offenbart sich der
nüchterne, sachliche Geist einer Industriestadt, deren einziger Stolz ihre Leistung
ist . . .
Rühmenswert ist die große Sorgfalt. mit der man die Details ausfütirte. Das gilt
vom Fußbodenbelag 7 sorgfältig gefugte Klinkerziegel 7 ebenso wie von den
schlichten Steinkonsolen. auf denen die Skulpturen stehen. den Lichtstrahlern und
all den übrigen hunderterlei Accessoires, die nun einmal der musealen Präsentation
dienen. Besonders gelungen sind die Deckenlösungen in den westlich des Stiegen-
aufgangs gelegenen, innerhalb der alten Umfassungsmauern vollkommen neu
errichteten Sälen; einer tragenden Eisenbetonkonstruktion sind in lamellenartiger
Reihung balkenartige Elemente untergezogen, in deren Zwischenräumen sich
die Beleuchtungskörper befinden.
Bei allem Geist der Sachlichkeit ist das neue Schloßmuseum keinesfalls nüchtern
oder stimmungslos. Die elementare Kraft der Raumproportionen - meterdicke
Wände mit tiefen Fensternischen. tief herabreichende Gewälbeansätze usw.
setzen natürliche Akzente. die die Aufslellungsorte der Exponate bestimmten. So
hat ledes Stück seinen ihm gemäßen Lebensraum. es gibt weder drängende Fülle
noch gähnende Leere. Die Lichtverhältnisse sind, da der Hauptflügel nach Norden
orientiert ist, praktisch das Beste. das erzielt werden konnte.
Ein Problem nur harrt der Lösung, das der Beschriftung nämlich. Die in kleinen
Plastikgestellen steckenden Schriftkartons sind in den Vitrinen im allgemeinen zu
plump und zu aufdringlich. An den Wänden angebracht und daher mit der Lese-
seite schräg in der Luft hängend, haben sie etwas ungut Provisorisch-I.abiles an
sich. Sind sie (bei frei im Raum stehenden Obiekten) unten auf den Sockel gestellt,
erfüllen sie die Erfordernisse der Lesbarkeit nur unzulänglich. Beim derzeitigen
Stand der Dinge "ist die Beschriftung als solche längst noch nicht komplett.
Eine Anregung: Im VictoriaäiAlbert Museum (London) befindet sich teweils in
der Nähe der Eingänge zu den Sälen eine unter Glas an die Wand montierte
Tafel, die Hinweise auf den Inhalt des Saales und auf den Sinn der Schaustellung
gibt. ln den Vitrinen selbst sind zumeist nur winzig kleine Nummerntäfelchen, die
Beschreibungen befinden sich wiederum an geeigneter Stelle außerhalb der Schau-
kästen. Auch bei frei- oder an der Wand stehenden Exponaten wird das System
einer gemeinsamen Beschriftung für mehrere Oblekte überall dort angewandt.
wo es möglich ist, Das Beispiel ,.Schrifttafeln" zeigt, so belanglos es an sich sein
mag, daß auch kleinere Probleme der gleichen sorgfältigen Behandlung bedürfen
wie die größten Fragen.
Alles in allem ist die Linzer Lösung für Österreich von geradezu revolutionärer
Bedeutung; Museumsleitung und Architekt können aus ganzem Herzen beglück-
wünscht werden. Kölier
JOHANN BAPTIST REITER - (1813-1890)
Zur Ausstellung
im O6. Landesmuseum, Linz
In dieser wohl umfassendsten Ausstellung
von Werken des bedeutendsten ober-
ästerreichischen Malers des 19. Jahr-
hunderts hat Frau Dr. Alice Strobl (AI.
bertinal die Früchte einer viellährigen
Arbeit an einem Oeuvrekatalog prak-
tisch präsentiert. Zu den Leihgaben der
Museen des ln- und Auslandes traten
viele Arbeiten aus Privatbesilz; Zeich-
nungen, Aquarelle und Dokumente er-
gänzten das Bild. Technisch war der
Ausstellung insoferne kein absoluter
Erfolg beschieden, als bei vielen Ge-
mälden der schlechte Erhaltungszusland
(Überrnalungen. tslachdunkelungen.
mechanische Schädenl Störend wirkte.
Auch im Gesamteindruck kam der
Künstler als solcher nicht durchwegs
positiv davon.
Er ist als typisches Kind seiner Zeit
Genre- und Porträtmaler. der zum
Teil in den Spuren Waldmüllers
wandelt (Bildnis der Familie Schegar).
Seine mehrfigurlgen Kompositionen wir-
ken gelegentlich gestellt. gekünstelt,
trocken. Seine Zeichnung zeigt nicht
selten Unsicherheiten, seine Interpre-
tation des Menschenbildes bleibt stets
an der Oberfläche der Erscheinung
hängen; in den positiven Fällen er-
halten seine Porträts etwas Stilleben-
haftes, im negativen Sinn malt Reiter
Puppen iind Larven. Von besonderer
Siifllichkeit sind seine bewußt auf
.,herzig" gemachten Kinderbildnisse.
Gegen die Mitte seines Lebens wird eine
erotistische Tendenz in Reiters Werk
immer stärker. Am Anfang steht hier
die ..Schlummernde Frau" (1849, Österr.
Galerie), eine in die biedermeierliche
Betlatmosphäre übersetzte Version nach
Michelangelo (I). Später entstehen dann
neckische Schlafzimmerbilder, wie etwa
der ,.Morgengruß", dessen malerische
Qualitäten schon erheblich niedriger
sind als die des vorgenannten Werkes.
Die Bilder der spätesten Zeit zeigen
ein geradezu tragisches Schwinden des
Konnens.
Reiter ist am besten dort, wo er ganz
Maler sein kann. also in seinen Skizzen.
die in ihrem Temperament und ihrer
Gelostheit an französische und eng-
lische zeitgenössische Beispiele denken
lassen (.,Knabenbildnis mit Vogel",
,.Junge Frau. aus dem Bett steigend".
.,Der PensionatsausfIug"). Hier ist er
frisch, spontan, frei vor sich selbst; der
Routinebetrieb mit all seiner Massen-
produktion hat ihn in späteren Jahren
künstlerisch ruiniert. Köller
5 Jaiiann Baptist Reilei,
Bildnis einat- alii-n Dame
(U! mit Leinwand. 47 x 38.5 cm,
Sigh. und dat. 123i,
Div Begabung des KIIHSIICVS
lur die gewissenhafte Ertasiuiiii
drr rcincn von Gatiiiiicn und
Empiindurini-n nirlit betroffenen
Ziisianaiiclikeii
gerade alter Menschen
erweist sich an diesem schonen Porirai
s Johann ßßpllil RQHEF,
HQYYQHDOVIVOL ÖlskizIe.1B40.
lri Arbeiten dieser Art
lSl RCI1CF1VEI iiiiri unbefangen
iind kann iatn malerisches Talent
voll ausleben
GEBURTSTAGE
22.Mai: DipL-Arch. Ing. Jasef HeinI Rollig
wurde 70 Jahre all. Er führte mehrere Wahn-
hausbaulen für die Gemeinde Wien, das
Kriizendarfer Strandbad, ein Alpenhaiel am
Graßglockner und auch Baulen in der CSR.
Ungarn und Jugoslawien dus.
Das Künsflerhaus ehrie den Jubilar durch
Verleihung des ..Galdenen Larbeers".
12. Juni: Akad. Bildhauer Prof. Franz Barwig
wurde 60 Jahre all. Aus der großen Zahl
seiner Werke seien Reliefs und Pulli in der
Wiener Siuaisoper. inieressiznie Hciuszeichen.
Rekansfrukiianen romanischer Kapiiöle im
Slephansdom und eine überlebensgroße
Hachaliciriigur in der Grazer Dominikaner-
kirche, aber auch mehrere Profcinfigliren
genunnl.
29. iiinii lied-iidi Prdi. Remigius Geyling
vollendeie dds ss. Lebensjahr. Der well-
berühmie BührienbildnerJeiieie gemeinsam
mii Alfred Raller den Ubergang von den
irddiiidneilen Nleininger Praspekien zum
zeitgenössischen Bühnenbild ein. Er isf der
Erfinder der Bühnenpraiekiion, die 1922 bei
einer Burglheaferaufführung von ..Peer
Gynl" ersii-ndls recllisierf wurde. Als Mil-
begründer und Miiarbeiler der safirischen
österreichischen Zeitschrift „Muskeie" be-
wöhrle er sich durh dui dem Gebiete der
zeiikriiisehen Karikalur. Seine gesamrnelien
Entwürfe für Theaier und Fesispiei (1920 bis
1960) sind sesiiz der Theaiersammlimg der
Osierr. Nalianalbibliafhek.
15.Juli: Akad. Maler Prof. cdrlds iiieiei
wurde so Jahre du. Er zdhii zu den promi-
nenlesfen Blumenmalern der Gegenwari.
schuf aber auch Buchilluslralionen. Fresken.
Gahelinenlwürfe und Sgrciffiil. Riefel lsl
Träger des 1. Preises der Gemeinde Wien
beim Blumen-Gabelin-Weilbewerb und der
Goldenen Medaille des Künsllerhauses.
amiiw Akademieprafessar rrdnz Elsner
wurde es Jahre all, Seil 1921 wür Elsner
Miiglied des Sünderbundes Ösierreichische
Kunslschau, dem GUCh Schiele. Kubin,
Kalig, KOkOSthka und Josef i-idriindnn dn.
gehörlen. Derzeii leilel der Jubilar eine
Meisierklasse iur Malerei dn der Akademie
der bildenden Kunsie in wien.
MünchenzAm 21.Juni feierte Emil Preer
iarlus, Prüsideni der Bayrischen Akademie
der Künsie, seinen so. Geburlslag. Als Buch-
illuslralor. Lehrer an der Münchner
Akademie, ferner als Bühnenbildner und
Sammler aslaslalischer Kunsl und Schrill-
sleller erwarb sieh der geburilge Mainzer
(ein gelernier Jurlsf) berechliglen weliruhrn.
OBITUARIUM
Am 14, Mdi verslarb in wien Prof. Wolfgang
Schönihcil, ein angesehener Maler und Gra-
phiker. irn 5a. Lebensjahr. Er wdr Träger
des siddispreises für Graphik. der Goldenen
Medaille und des Würdlgungspreises des
Kiinsiieriiduses.
Am 9.iuni verslarb in seinem Aielier in
einem Pdriser Varorl der Maler und erd-
phlker Jacques viiidn irn es. Lebensjahr.
Er begann seine künsllerische Lduihdnn UlS
Zeichner von Karlkalureri. 1911 slleß er zu
den Kublsien, 1919 fing er dn, abslraki zu
arbellen, blieb aber dui wellen Slrecken
seines Oeuvres dem Flguraliven ireu, Sein
lemer bedeuiender affenllicher Auflrag war
eine Serie von Glasfensfern iiir die Kalhedrale
VON Meiz. 1956 wurde er mii dern ordnen
Preis der Bienncile von Venedig ausgezeichnet
in seinem Alclier konsllluierle SICh die
„Seizllan d'Or", eine Künsllergruppe. der
Leger. aieizes und Meizinger angehörlen.
Die Geschwisler Villons, der Maler Marccl
Ducharnp. der bereils 1913 verslarberic
Bildhauer Rüyrviond Duchamp-Villan und
die cenrerndiei-in Svzanne Durlidinp, haben
wie ihr berühmierer Bruder ebenfalls Be-
deuiendes zur Kunst Frankreichs heigeirdgen.
Am 17. Juni verstarb in Wien der Bildhauer
Andreas Urleil nach langem, schwerem
Leiden irn 31. Lebensjahr. Der Künsiler halle
durch seine originellen. eigenwilligen Ldsun.
gen. die heiniihi waren. neue Wege und
Avsdrucksmdglichkeiien aufzuzeigen, be-
rechligies lnieresse erregl. Mil ihm nimm!
die Künsllerschafl Ösierreichs van einer
ihrer slürkslen Hoffnungen Abschied.
Am 12. iiiiii slarb in Brixlegg Reg.-Ral
Haupimcinn a. D. Dr. Heinrich Leparini,
weiland Direklar der Alberliria. Seine
Fublikcilionen über das Sammeln von Hand-
zeichnungen und Druckgraphik im Rahmen
der Bibliolhek für Kunsfsammler sowie der
van ihm zusammengesiellie reprüsenloiive
Band ,.Die Slileniwicklurig der Handzeich-
nung" rnachlen seinen Namen auch in
breliererl Kreisen der Kiirisiiriieressierieri
bekclnnl.
Am 30. Juni sicirb in Wien der Maler lkke
Ozlberger im 73. Lebensjahr. Sein Schaffen
wdr seinerzeii rnlf einem Kunslpreis der
Sididi Wien, Einem Siddiispreis und der Gol-
denen Medaille des Künsilerhauses geehrl
worden.
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