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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 71)

1 Franz Anton Busxelli, 
Lalagä, Komödjentigur. 
Berlin-Charlottenburg. Kunstgcwcrbcmlßeum, 
größere Schildrnarkc der Ncudecker 
bzw. Nymphenburger Manufaktur, H, 21,1 cm 
2 Franz Anton Bustelli. 
Pierrot. Kumödienügur. 
München, Bayerisches Natiunalmusemn, 
größer: Schildmurkc der Neudecker 
bzw. Nymphcnburger Manufaktur. H. 20,5 cm 
3 Franz Anton Busrelli. 
Bclcndes Chinescnkind. 
München, Privazbesinz. 
größere Schildmarkc der Neudecker 
bzw. Nymphcnburger Manufaktur. H. 9.2 an 
 
Lirßi 
Wäre es nicht möglich, die F.in- 
heit des Rnkoko von seiner Auf? 
fassung des Lichtes her zu be- 
stimmen? Denn jeder echte Stil, 
so scheint es, hat ein spezifisches 
Verhältnis zum Licht. 
Das Licht des Rokoko meint ein 
verklärtes, aber durchaus irdi- 
sches, sublirnesinnliches Licht. Die 
drei wesentlichsten Mittel, es in 
den Räumen zu erzeugen, sind 
die neue FrFmdung (oder doch 
Verwendung) der Fenstertüren 
(„french Windows"), das Weiß 
und die Spiegel. Dazu die (ilanz 
verleihende Behandlung stumpfer 
Werkstoflie. 
Die hohen Fenstertürcn schaden 
gegenüber normalen Fenstern 
nicht nur eine gesteigerte Licht- 
fülle; mitunter nähern sie sich 
gotischen Proportionen. Wesent- 
licher ist, daß sie viel natürliches 
Licht von der „Sohle" her in 
den Raum bringen. Dagegen 
kommt Licht von hoch oben so 
gut wie nicht vor, und wo es 
vorkommt, wirkt es als barockes 
Rudimeiit. Das Kuppellicht ver- 
schwindet. Das entlang dem lirde 
boden hoch und hell hcreindießenv 
lI"'r[{' 
Zu dieser erwünschten Qualität 
des Lichtes gehört die Umstellung 
der Innenräume auf das Domi- 
nieren der weißen Farbe in den 
Wänden, in den sie verkleidenden 
Boiserien. Sie zeigt sich schon 
um 1700. Auch wo das Weiß 
nicht ausschließlich herrscht, 
bleibt es doch die Basis, auf 
welche der lichtfarlmige Dekor 
typischer Rokokorüume begrün- 
det oder bezogen ist. 
Dieses Weiß ist sozusagen ma- 
terialisiertes, zur Farbe geronnenes 
Licht. Das warme Weiß der 
Regence und das kühlere Weiß 
des Rokoko sind beide nicht 
farblos wie das VUeiß des foh 
genden Klassizismus, welches sich 
de Licht ist aber ein betont irdi- 
sches l.icht, das durch den Spiegel- 
glanz der polierten Parkettboden, 
durch die Spiegel der Wände, 
durch glänzend polierte Möbel 
und schimmernde Stoffe verklärt 
wird. 
Das neue intensive Verhältnis 
zum Licht tritt in den Forderungen 
der Theoretiker mit großer Be- 
stimmtheit hervor. Man soll, fur- 
dcrn sie, in den Zimmern jeden 
dunklen Schatten ängstlich ver- 
meiden; dunkle F.cken gelten als 
der (iipfelptinkt der Geschmack- 
losigkeit. Angestrebtes Ziel ist es, 
durch entsprechende Beleuchtung 
alle tiefen Schatten zu eliminieren, 
die so beleuchteten Dinge zu ver- 
schönen, die Menschen zu ver- 
jüngen und zu beleben. Der 
Architekt Architekturtheo- 
retikcr lltiflirantl, dem man mit 
die berühmtesten Räume des 
Rokaikr; verdankt Ä die ovalen 
Salons des Hotel de Soubisc A, 
fordert, daß die Luster in sechs 
Fuß Hohe, also fast in Kopfhöhe 
angebracht werden: „pour ne pas 
rendrc les hattus et en- 
foncös". 
und 
yeux 
dem (irau verbindet. lhr Weiß 
ist nicht hiangel an Farbe, sondern 
die Möglichkeit zu allen Farben, 
die es potentiell 4 und oft auch 
faktisch, durch farbige lfntere 
malung w in sich enthält. 
Das Weiß ist das Maß aller 
farbigen Wirkungen. Das kann 
auch in (iemäldcn so sein: es gibt 
zauberhafte Supraportcn, z. B. 
von Oudry, ganz Weiß in Weiß. 
Dieses Weiß moduliert sich 4A 
ob es nun an dem zarten rahmen- 
den Stabwerk der Fanncaus auf- 
tritt oder in dem Mikrorelief des 
geschnitzten und bemalten Or- 
namcnts oder an den Skulpturen, 
großen oder kleinen - in den 
feinsten Abstufungen. Und mit 
ihm moduliert sich das Licht, 
verteilt sich in feinsten Bahnen 
und Funken: eine Kunst der 
Nuancen. Es verlangt eine vete 
feinerte Sinnlichkeit des Auf- 
fassens, ein Sehen von Viertel- 
tönen und Schwebungen. 
Das Weiß stimmt die farbige Welt 
der Dinge auf einen Grundton, 
von dem aus schon ein Hauch von 
Farbe mit voller Intensität wirken 
kann und eine starke Farbe als nie 
gesehener Eindruck wirkt. 
Mit dem Weiß verbindet sich im 
Dekor der Wände, auch der 
Möbel, in der Fassung großer 
und kleiner Skulpturen das feinst 
Verteilte Silber und Gold. 
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