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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 71)

 
Xpiegel und Lurler 
Weiß ist die lichthafteste Farbe, 
Gold die dem Licht verwandteste 
Materie, der Spiegel ist lichter 
Glanz und Schein zugleich. Er 
vervielfacht nicht nur das Licht, 
nimmt den Dingen im Raum 
durch sein Gegenlicht die Schwere, 
der Raumgrenze jeden Rest vom 
Stumpfen, sondern er verklärt das 
Licht. Er macht es, ohne ihm 
den Charakter des irdischen Lich- 
tes zu nehmen, unfaßbar, phan- 
tastisch. 
In den großen Spiegeln, die oft 
ganze Wandfelder füllen, vermischt 
sich der lnnenraum mit dem 
Außenraum, potenziert sich das 
irdische Licht zu höchstem und 
feinstem Lichtglanz. 
Ein anderer Exponent dieses Lu- 
minismus sind die Lichtträger 
des Rokoko, die venezianischen 
Luster und Appliken mit ihren 
geschliffenen und beweglichen 
Glasprismen, die das ohnehin 
schon bewegliche Licht der Ker- 
zen bei der leisesten Erschütterung 
verändern und in Lichtfunken 
versprühen lassen. Sie sind: aLe 
plus gai, le plus intelligent, le 
plus feerique des moyens em- 
ployes pour multiplier les eclats et 
crecr des irrisations er ce scintille- 
ment, qui accompagne en ces 
salons tous les ieux et les fcux 
tl'esprit et ravive le regartl des 
f e mmcs s) { I Innßrrnrvzr). 
Glanz 
Das Glänzende ist aus der XWelt 
des Rokoko nicht wegzudenken. 
An dem Lichtglanz der Spiegel 
nimmt eine Fülle anderer Ma- 
terien durch eine betont lichthafte 
Behandlung ihrer OberHächen in 
allen Graduierungen und Schat- 
tierungen teil. Man denke an den 
Hochglanz der lichten Parketten, 
an die Politur der Möbelfurniere 
und vmarketterien, an die Bevor- 
zugung der glänzenden und chan- 
gierenden Seiden, der sanft schima 
mernden Samte, an Perlmutter 
und Lack, an den mondigen 
Schimmer bleierner Skulpturen. 
Die Kulmination des Phänomens 
ist dort gegeben, wo sich das 
Weiß mit dem Glanz verbindet: 
in einem weißen Atlaskleid oder 
eben in der glasierten Oberiiäche 
des Hartporzellans. Diese Materie 
fügt dem System des Rokoko 
etwas Neues und höchst Er- 
wünschtes an Glanz- und Licht- 
wirkung hinzu, zumal da diese 
so weich erscheinende glatte Obere 
lläche den Glanz auf dem Weiß 
sozusagen gleiten läßt. 
Mit dem heraufkommenden Klas- 
sizismus wird dieser Hiissige Glanz 
mehr und mehr verschwinden. 
Man beschränkte sich in dem 
Hguralcn Porzellan bald auf das 
sogenannt: Biscuit, das, auf Glasur 
vcrzichtend, als (r plus noble, d'un 
gnüt plus göneraln galt. 
Abxebeu 1'011 Dunkel nur! Xrlur 
4 Fnmz Anton Husum. 
Pulte als Pnndnrn. 
München, Slg. Dr. Bäuml. 
gxößcxc Schildmirke der Neudecker 
bzw. Nymphcnburger Manufaktur, H. 10 an 
5 Franz Anton Busrelli. 
Der stürmische Galan. 
München, Bayerischcs Nzrionalmuseum, 
größere Schildmzrke dcr Neudecker 
bzw. Nymphcnburger Manufaktur, H. 14,8 cm 
18 
 
Dieses Verhältnis zum Licht, das 
Absehen vom Dunkel, ist ein 
Grundsatz des Rokoko nicht nur 
auf der ästhetischen, sondern auch 
auf der moralischen Ebene. Und 
hier bestimmt es wesentlich mit 
die Bilderxvelt des Rokoko, bis 
hinab in ihre einzelnen Themen 
und Lieblingsgegenstände. 
Das Ideal des Rokoko ist ein 
irdisches Paradies ewiger jugend, 
Heiterkeit, anmutiger Schönheit 
und verklärter Sinnlichkeit, das 
Sünde, Tod, Alter und Gebrech- 
lichkeit verneint. 
Mit dem Dunkel soll auch alle 
Schwere verbannt sein. „Das Le_ 
ben gilt hier als etwas Leichtes 
und Heiteres, dessen Harmonie 
darauf beruht, daß alle Schwer- 
fälligkeit aufgehoben, alles Pathos, 
alles Dunkel ausgeschlossen wird", 
sagt Jean Rnuuier. Und er fahrt 
fort: „Das gilt ebenso von den 
Manieren, wie von der Sprache, 
wie von der Kunst in allen ihren 
Äußerungen. Dieses Ethos ver-
	        
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