Notizen aus dem Kunstleben und Kunsthandel
PAUL TROGER
und die Ausstellung in
Stift Altenburg
Anlüßlich der zweihundertsten Wieder-
kehr von Trogers Todesjahr war
bereits 1962 im Museum Ferdinandeum
in Innsbruck eine Ausstellung veran-
staltet worden, die heuer neugestaltet
im Stifte Altenburg, einer Wirkens-
stätteTrogers. zu sehenwar. PaulTroger
wurde 1698 in Zelt im Pustertol. Süd-
tirol. geboren. Seine künstlerische Aus-
bildung absolvierte er in Südtirol und
Italien. bei Mathias Durchner in
Niederndorf und Giuseppe Alberti in
Cavalese. 1716 wurde er vom Erz-
bischof von Gurk mit einem Stipendium
von 1000 Talern zur weiteren Aus-
bildung nach Italien geschickt. Dort soll
er laut dem Nekrolog von 1762 bei
Silvestro Manaigo. G. B. Piazetta,
Sebastiano Conca. Marco Benliol und
Francesco Solimeno studiert haben.
Wesentlich für die Ausbildung seiner
künstlerischen Eigenart wurde die zu
dieser Zeit gerade im Entstehen be-
griffene venezianische Malerei des
18. Jahrhunderts. Von großer Bedeu-
tung für ihn sind G. B. Piazetta. bei
dem erja gelernt hat. und dessen Schüler
G. B. Tiepolo. Deren auf expressive
Wirkungen berechnete. mit starken
Hell-Dunkel-Effekten arbeitende Male-
rei hat Troger sehr beeinflußt. Seine
glatten. wie aus Blech gehämmerten
Figuren lassen mit Sicherheit auf eine
Kenntnis des Frühwerks von Tiepolo
schließen. Auch die branstige Farbigkeit
seiner Altarbilder ist venezianisch. Zeit
seines Lebens stehen sie unter dem Ein-
druck der venezianischen Schulung. Ein
charakteristisches Werk der Frühzeit.
ein Ölbergbild. befindet sich im Barock-
museum in Wien. Auf dessen starke
Zusammenhänge mit dem jungen
Tiepolo bin ich in einem Aufsatz über
Troger') näher eingegangen. Die
Zeichnung dazu aus dem Besitz der
Albertina in Wien befand sich auf der
Ausstellung in Altenburg (Kat. Nr. 150).
Diese expressiven Tendenzen, die auf
Einflüsse der venezianischen Schule
zurückzuführen sind, lassen sich bis in
das Spätwerk Trogers verfolgen. Die
Pieta von Bozen (Kat. Nr. 17). das
Bozetto zu den Bildern im Pfarrhof zu
Welsberg in Siidtirol und im Historischen
Museum in Wien dürften in die vierziger
Jahre zu datieren sein. Der Ausstellungs-
kalalog (Wanda Aschenbrenner) da-
tiert dieses Bild 1732-1735. Gerade das
Bozetto zeigt eine Übersteigerung der
expressiven Tendenzen der Frühzeit bis
zur Auflösung. Hierin ist Troger für
Maulbertsch. den bedeutendsten öster-
reichischen Maler dieser Zeit. von
Wichtigkeit. Grünliche und rötliche
Schatten formen das vogelkopfartige
Protil der Madonna. Verstreutes Licht
zerfetzt willkürlich die Körper. rasch
wechseln hell beleuchtete und dunkle
Stellen im Bild. Diesen Tendenzen
entspricht auch das Bild ,.Beweinung
Christi" (Kot. Nr. 9), im Ausstellungs-
katalog ebenfalls viel zu früh datiert.
Von Bedeutung gerade für den expres-
siven Stil des späten Troger. wo er
jedes Streben nach einer körperlichen
Plastik aufgibt. sind die italienischen
Maler Nicola Grassi und Fedrigo
Bencovich. Beide gehören zum vene-
zianischen Kunslbereich. Bencovichs
Bedeutung für die Wiener Malerei. auf
die schon Polluchini") und Benescha)
hingewiesen haben und die aber
trotzdem zu wenig beachtet wird. darf
nicht übersehen werden. Er hat sich
im Dienste des Hauses Schönborn viele
Jahre in Wien aufgehalten und war
eine der bedeutendsten Persönlichkeiten
der venezianischen Malerei. wo er sich
aber wegen vielfacher Intrigen nie
richtig durchsetzen konnte.
lm Fresko. wo ja Troger seine größte
Bedeutung erreicht hat, steht er weit
weniger unter dem Eindruck der
venezianischen Malerei. Das lößt sich
zum Teil daraus erklären. daß es zur
Zeit seines Aufenthaltes in Venedig fast
keine venezianische Deckenmalerei
gegeben hat. Als Tiepalo seine ersten
Fresken schuf. hatte Troger Venedig
bereits verlassen. Sebastiano Ricci aber
hat in Venedig selbst kaum Decken-
bilder gemalt. da er mit ausländischen
Aufträgen zu sehr beschäftigt war.
Piazettas Deckenbild für eine Kapelle
von S. Zanipolo in Venedig, ein Meister-
werk der Dekorationsmolerei des
18. Jahrhunderts, hat Troger in seiner
mit starken Verkürzungen rechnenden
Raumillusion wenig beeindruckt. Aus
der Zeit. bevor sich Troger in Wien
ansiedelt. stammen die Kuppelfresken
der Kajetanerkirche in Salzburg und
der Kirche der Englischen Fräulein in
St. Pölten'). Kompositionell sind sie
sicherlich abhängig von den zahlreichen
Kuppelfresken der römischen Malerei
des 17. Jahrhunderts. Die Figuren sind
in einem zum Kuppelmittelpunkt kon-
zentrischen Kreis angeordnet. Dadurch
ergibt sich ein geschlossener und
gefestigter Eindruck. Die Raumillusion
wird nicht durch das berühmte sotto in
su erreicht. sondern durch das Ent-
gegenkommen der Architektur. Durch
die Berührung mit der Wiener Deko-
rationsmolerei werden diese Tendenzen
noch gefestigt. Daniel Gran ist von
Eintluß auf Troger gewesen. Troger
aber verzichtet nie auf die Erfahrungen
seiner venezianischen Schulung. dle
Leichtigkeit in der Verteilung der
Figuren sowie deren lockere Ge-
staltung. Gerade Stift Altenburg. wo
die Ausstellung stattfand. bietet eine
reiche Fülle von Beispielen seiner
Freskokunst. Wie auch im Altarbild
geht Troger in den Fresken seit den
vierziger Jahren zu einer expressiven
Übersteigerung und Auflösung über.
Die Gestalten werden zu körperlosen
Schemen. Ein einheitlicher Silberton
verbindet Figuren und atmosphärischen
Raum zu einem gemeinsamen Ganzen.
Jetzt nähert er sich auch im Fresko
dem venezianischen lllusianismus eines
Piazetta oder Tiepolo. In diesem Zu-
sammenhang wäre vor allem auf die
Fresken der Bibliothek von Seitenstetten
in Niederösterreich. sowie auf die
Fresken der Jesuitenkirche in Raab.
Ungarn. und der Kirche von Dreieichen
bei Altenburg hinzuweisen. Auch bay-
rische Einflüsse wirken auf Troger. vor
TALMI IN ISCHL. lschl hat die Koiser-Villa. lschl hat die Lehar-Villa. lschl hat auch ein Familien-Museum. In einer Zeit,
in der Kunstpflege immer mehr ein ausschließlich staatliches Monopol wird. wäre es sehr begrüßenswert. eine private Kunst-
sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und vielleicht dadurch den Besuchern zum Bewußlsein zu bringen. daß
es außer Auto und Fernsehschrank auch andere Dinge gibt. die nicht nur erstrebenswert. sondern auch erreichbar sind. Das
Familien-Museum Haenel-Pancera könnte noch eine zweite Aufgabe erfüllen: zu zeigen. wie gut situierte Gesellschaftskreise
um die Jahrhundertwende lebten und in welchem Geschmack sie ihre Wohnungen gestalteten. Das Haus Haenel-Pancera
ist ein ganz typisches Beispiel dieser Epoche. mit seinen in verschiedenen historischen Stilrichtungen kunstvoll nachgemachten
Möbeln, seinen Marmor- und Bronzeflguren nach Vorbildern der Antike, seinen Bilderkopien nach berühmten Meistern und
sogar seinem verstaubten Kitsch. der nicht ohne Charme ist. Es wäre reizvoll, interessant und aufschlußreich. zu wissen. so
war es zur Zeit unserer Großväter. Jedoch von diesem Gesichtspunkt kann der naive Beschauer das Haus der verstorbenen
Konzertpianistin Haenel-Pancera nicht betrachten.
Bei der Führung durch die Räume bekommt der Besucher nämlich zu hören. er gehe bei originalen Barockmöbeln vorüber.
er stehe vor einem echten Rokoko-Damenschreibtisch und vor Louis-XVL-Schränken und das Renaissancezimmer sei
..200" Jahre alt. einmalig auf der Welt und stamme zum Teil aus dem Dogenpalast. ln Wirklichkeit sind alle diese Stücke gute
Handwerksarbeiten der franzisko-josephinischen Zeit. Die als museal gepriesenen Marmor- und Bronzeflguren sind die
beliebten Dekorationsplastiken. die der Schreck aller Kunsthändler sind. Bei der Führung werden die Namen der größten
Maler genannt. uncl der Besucher erschaudert ehrfurchtsvoll, wenn er erfährt. daß in einer Zimmerecke ganz oben ein
Originalgemälde von Rembrandt hängt. Eine tatsächlich echte Wiesinger-Florian wird zur beruhigenden Wohltat. Das
orientalische Zimmer erweckt trotz originaler Wasserpfeife. chinesischem Kulihut und anderen nah- und fernöstlichen
Reiseandenken nur den Eindruck eines Nachtlokales am späten Vormittag. Zum Abschluß und Abschied steht man vor dem
Theaterharnisch eines Ritters, hört auf einem einmontierten Tonband sein Sprücherl mit der Bitte um milde Gaben 4 Ein-
trittsgeld wurde schon kassiert - und fühlt sich plötzlich in den Wiener Proter versetzt.
Sehr schade. der an und für sich so gute Gedanke eines Privatmuseums wurde durch die irreführende Präsentation der
Objekte ganz verfälscht und die kulturgeschichtlich interessante Wohnung zu einem Kopiendepot degradiert.
Der wissende Besucher verlüßt verärgert. der unwissende getäuscht das lschler Haus, welches er nichtsahnend genau so respekt-
voll durchwanderte wie die Erinnerungsstätten an Kaiser Franz Joseph und Franz Lehar.
Liest man dann zu Hause den erhaltenen Prospekt über das "Familien-Museum". kann man sich nachträglich nochmals
wundern: Der Verfasser ist der Leiter eines prominenten österreichischen Museums!
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Kurt Stümpfl
allem C. D. Asam. dessen Fresken in
Regensburg und Braunau er sicher
gekannt haben dürfte. Das Fresko der
Mittelkuppel der Bibliothek von Stift
Altenburg. das genau zu studieren die
Ausstellung die Möglichkeit bot, zeigt
ein deutliches Streben nach dem
Genrehaften. der Ausschmückung mit
liebevollen Details.
Besonders hinzuweisen aber ist auf die
Zeichnungen Trogers. die zu dem
Besten gehören. was Österreich in
dieser Zeit aufzuweisen hat und von
denen sich ein Großteil im Besitz der
Albertina in Wien beündet. Eine große
Fülle hat sich aus seiner italienischen
Studienzeit erholten. Bereits hier zeigt
er eine Meisterschaft. die er im Altarbild
und im Fresko erst später erreicht. Die
große Überraschung beider Ausstel-
lungen war das graphische Oeuvre des
Künstlers. wo ein wahrhaft poetischer
Gehalt verbunden ist mit einem sicheren.
lockeren Strich. Jede einzelne Zeich-
nung kann für sich bestehen. auch wenn
sie eine Vorzeichnung für ein Bild oder
ein Fresko sein soll. Troger arbeitet
fast nur mit Tusche. so daß seine Zeich-
nungen schon dadurch an künst-
lerischer Eigenständigkeit gewinnen. lch
verweise auf Kat. Nr. 135. eine Ölberg-
zeichnung. wo Troger in lockeren
Strichen. andeutungsweise hingesetzt.
eine ganze Slimmungswelt auf das
Papier zu bannen vermag. Er verzichtet
auf stärkere Binnenschrafflerung. Licht
und Schotten. und doch ist dieser
Zeichnung nichts hinzuzufügen. Groß-
artig sind auch die Zeichnungen. die
aus der Zeit seines römischen Aufent-
haltes erhalten sind. wo er auf der
Via Appia zeichnerische Studien be-
triebi") (Kat. Nr. 206. 210). Sie stellen
eine Übersetzung des klassischen Ideals
des 17. Jahrhunderts in die groleskere
Welt des 18. Jahrhunderts dar. Tiepolo
scheint von großer Bedeutung für den
Graphiker Troger gewesen zu sein.
Sein zahlreiches graphisches Oeuvre
zeigt eine künstlerische Auffassung. die
der Trogers verwandt ist. vor allem in
der Lockerheit des Strichs und der
Übersetzung des klassischen Landschafts-
ideclls des 17. Jahrhunderts in die
groteske Manieriertheit des 18. Jahr-
hunderts. Brigitte Heinzl
A
ANMERKUNGEN:
') Brigitte Heinzl. Die Freskomnlerei Paul
Trogers. Wiener Jghl-hllrh für Kunst-
geschichle 1962.
I) Rodolfo Palluchlnl, Profllo d. r. Bencovich.
Crltica {ARTE l.. 1936.
') Otto Benesch. Maulbertsch.
buch 1924.
I) ln diesem Zusammenhang möchte ich
darauf hinweisen. ddn die Zuschreibung
dieses Freskos an Troger von mir bereits
1959 (Dissertation Wien) vorgenommen
wurde. Diese Tatsache verschweigt wdndd
Aschenbrenner lft beiden Ausstellungs-
katalogen. obwohl ich in meinem Aufiüll
(s. o.) darauf hingewiesen hdhg und lhf
außerdem meine Dissertation bekannt wclr.
n Nekrolog von 1152.
Slädellahr-
Bildtexte: p
1 Rayrnond Ducharnp-Villon.
Porträt Professor Gosset.
Bronze. 1917. H. 29 cm
1 Max Ernst.
Die Nymphe Echo
Ölblld.1936.Z4 x 34 cm.
Coll. Edouard Loeb. Paris
3 Pablo Picasso.
Die Rettung.
Ölbild. 1933. 73 X 92 cm
4 Arnulf Rainer.
Die Schwiegermutter. 1962
5 Roberta Matla.
La Banale dl Venezia.
Paris. 1956. 205 X 305 cm
6 Roberta Malta.
Dem Licht eine Welt geben.
Boissv. 1960