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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 74)

aus dem Anfang des Jahrhunderts. Denn 
obwohl das Werk um 1637 entstand, zeigt 
es keine Spur eines Einflusses der mittler- 
weile aus ltalien zurückgekehrten Utrechter 
CaravaggioeNachfolger. Fher scheint Bloc- 
maert bolognesische Meister studiert zu haben; 
sicher aber ist seine Schulung an Werken des 
flämischen Hochbarock zu erkennen, wobei 
am ehesten an de Crayer als Vorbild zu denken 
wäre. 
Um die Mitte des jahrhunderts aber hatten 
es die holländischen Maler nicht mehr not- 
wendig, ihre ausgeprägt nationale Eigenart zu 
verleugnen. Ganz anderen Geist atmet daher 
die Kunst derjenigen, die nun die kaiserliche 
Metropole besuchten, als Bloemaerts pathetisch 
groß empfundene barocke Figurenkomposi- 
tionen. So beginnt also die eigentliche Ause 
breitung holländischer Kunstweise erst in den 
letzten jahren der Regierungszeit Kaiser 
Ferdinands lll. und erreicht ihren Höhepunkt 
in den erstenjahren der langen Ära Leopoldsl. 1. 
Der ausgeprägte Sinn für die Wiedergabe der 
Reize der Oberfläche der Dinge, für die 
Ilerausarbeittmg des (ireifbaren, ist ganz alle 
gemein der Pflege der Malerei am XlOiener 
Hof zu dieser Zeit eigen. Der dynamische 
llochbarock erlebte eine Krise, die sowohl 
die Flämische wie die italienische Hofkunst 
betraf; die statische, aber doch nichts weniger 
als klassische Malerei des Guido Cagnacci mag 
selbst für die noch immer herrschende italie- 
nische Oberschicht ein beredtes Zeugnis dieses 
Stilwandels nach der jahrhundertmitte geben. 
ln seinen großformatigen Kompositionen er? 
reicht dieser Künstler eine Verschmelzung 
einer strengen, am klassischen Barock ge- 
schulten Auffassung der Bildstruktur mit einem 
bis an die (jrenzen des Peniblen gehenden 
Sensualismus in der Wiedergabe der greif- 
baren Dinge. lis ist vielleicht nicht von der 
Hand zu weisen, daß die Kunst holländischer 
Kleinmeister, etwa Maler der Richtung van 
Poelenburghs, eine Wirkung auf sein Schaffen 
ausgeübt hat, was ein Zeichen für die steigende 
Bedeutung holländischer Kunst wäre. Nur 
natürlich ist es, daß in Wien neben Cagnacci 
eine Anzahl holländischer Maler arbeiteten, 
die sich gerade um die malerische Erfassung 
der sichtbaren und greifbaren Dinge bemüh- 
ten, nicht aber um ein großes geistiges Rune 
ZCPI. 
Diese verhältnismäßig reiche Beteiligung der 
holländischen Maler am KunstschaHen in 
Wien ist nicht auf eine einzige Richtung 
beschränkt: Feinmaler wie Toorenvliet, Italia- 
nisten wie Ossenbeeck und auch Abkömmlinge 
der Schule Rembrandts, wie vor allem Paudiss, 
bestimmen hier nachhaltig das Bild der 
Malerei der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. 
Auch rlämische Meister, die in Wien in dieser 
Zeit ansässig waren, haben von ihnen be- 
trächtlichen Einfluß erfahren, wie Jan Thomas 
und Sebastiaen van Driiweghen Z. 
Samuel van Hoogstraeten war der erste, der 
mit seinem außerordentlich entwickelten Wirk- 
lichkeitssinn bedeutenden Erfolg in Wien 
hatte, wo er sich 1651 und 1653154 aufhielt. 
Seine topographisch getreue Vedute der Hof- 
burg wurde vom Kaiser erworben; noch 
größer aber dürfte der Eindruck seiner auf 
Sinnestäuschuitg abzielenden Stilleben und 
Bildnisse gewesen sein. Gerade diese Werke, 
wie der „Mann am Fenster" (Wien, Kunsthist. 
Museum, Abb. 2) oder der „oogenbedriegef 
(Wien, Akademie der bildenden Künste), 
mußten als „Kunstkammerstücke" glänzend 
in eine alte Tradition des kaiserlichen Kunst- 
sammelns passen. Dieses nicht rein dem Kunste 
werk als solchem geltende Interesse hat 
zweifellos auch früher den Werken eines bee 
deutenden holländischen Malers, de Gheyn, 
gegolten, als Kaiser Rudolf ll. in der so 
bezeichnenden Verschmelzung von naturwis- 
senschaftlicher Wißbegier und künstlerischem 
Verständnis eine Reihe seiner vorzüglichen 
Blumenbilder erwarb. 
Der historische Augenblick in der Entwick- 
lung der Barockmzilerei in den litblanden war 
nun aber der Kunst der Holländer selbst 
günstig, so daß jetzt gerade ein Maler der 
Richtung Laers, der 1637 so schlecht abe 
geschnitten hatte, nämlich jan van Ossenbeeck, 
zu gutem Erfolg kommen konnte. Ossenbeeck 
war ebenso wie Laer ein Meister des kleinen 
Formates, aber auch ebenso wie dieser ein 
eifriger Beobachter der Werke Caravaggios 
und seiner italienischen Nachfolger. Einerseits 
erstaunlich, anderseits bezeichnend für diese 
seine Ausbildung erscheint daher das Bild 
„Erminia bei den Landleutcn" (Wien, Galerie 
Harrach, Abb. 4), eine Komposition mit fast 
lebensgroßen Figuren. Die Anregung durch 
Caravaggios Kunst ist ulfensichtlich, ebenso 
deutlich auch die Art, wie die holländischen 
ltalianisten dessen Malerei auffaßten und ume 
wandelten. So ist aus den Knmpositionsideen, 
die der lombardiscbe Meister in seinem grane 
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