Der entscheidende Schritt zu diesem
Stil von Weltgeltung vollzog sich für
diese Erneuerungsbewegung aber erst
mit der Gründung der ..Wiener Werk-
stütte". Hoffmanns Ideen - in der
Stammtischrunde des Kaffeehauses ge-
äußert - von einer Werkstätten-
gemeinschatt zwischen Künstlern und
Handwerkern. die nur jene .,Qualitüts-
arbeit" erzeugen sollten, zu welcher
die Massenproduktion der Industrie
nicht mehr in der Lage war, veranlaß-
ten Fritz Wörndorfer, der mehr be-
geisterter Kunstfreund als versierter
Geschäftsmann war. das Projekt zu
finanzieren. Und so wurde 1903 -
nach englischem Vorbild - die Wiener
Werkstätte als ein Unternehmen ge-
gründet, „das alle künstlerischen und
qualitativen Bestrebungen auf den Ge-
bieten des modernen Kunsthandwerks
durch umfassende Tätigkeit fördert und
pflegt". In den ersten Jahren nur ver-
lacht. konnte es sich dennoch behaupten.
Und als Fritz Würndorfer 1914 nach
Amerika ging. fanden sich mit Otto und
Möda Primavesi jene Geldgeber. die
das Unternehmen bis zu seiner Liqui-
dation im Jahre 1937. in der großzügig-
sten Weise finanziell immer wieder
über Wasser hielten.
Josef Hoffmann, der die künstlerische
Leitung hatte, gelang es, eine Schar
ausgezeichneterHandwerkerundschöp-
ferischer Künstler für sein Unterneh-
men zu gewinnen. Die alte Wiener
Handwerkskultur und die moderne
künstlerische Regsamkeit ergaben eine
Synthese, die nicht nur der Wiener Mo-
derne Weltgeltung verschaffte, sondern
die sich von Beginn an der modischen
Ausartungen des Secessionsstiles und
seiner die klare Form überwuchernden
Schlingornamentik enthielt und die
Wandlung zu einem Kunstgewerbestil
vollzog. der den originellsten Beitrag
zur Erneuerung des österreichischen
Kunsthandwerks in unserem Jahrhun-
dert darstellt.
Zu den bedeutendsten Künstlerpersön-
lichkeiten der Wiener Werkstätte ge-
hörten neben Josef Hoffmann (1870 bis
1956) der "vielgestaltig Vielgestaltende"
Kolo Moser (1868-4918), der wohl am
meisten dem Secessionsstil verhaftet
blieb. und der jüngere Dagobert Peche
(1887-1923), der ein genialer und
phantasievoller Entwerter mit nahezu
surrealistischen Tendenzen war. Er kam
1913 in die Wiener Werkstätte und
drückte allen Erzeugnissen, die in den
zehn Jahren bis zu seinem frühen Tode
im Jahre 1923 die Werkstatt verließen.
das unverkennbare Siegel seiner künst-
lerischen Eigenart auf. so daß man
zu Recht von einer Peche-Periode (1913
bis 1923) sprechen kann.
In dem Kreis der Wiener Werkstätte
fanden aber auch zahlreiche junge
Künstler die Grundlagen und die
Schulung für ihre eigene Entwicklung.
Carl Otto Ceschka betätigte sich in
Silber und auf dem Textilgebiet, Vally
Wieselthier und Mathilde Flögl schufen
Keramiken. Kitti Rix Textilentwürfe.
Josef Wimmer-Wisgrill widmete sich
der Mode. Maria Likarz schnitzte
Elfenbein und malte Tapeten, Otto
Lendecke schuf Möbel, Elfenbeine und
Textilien. Franz Zülow malte dekora-
tive Entwürfe. und Egon Schiele und
Oskar Kokoschka schufen Postkarten
und Illustrationen.
Das Gesamtkunstwerk der Wiener
Werkstätte jedoch. das auch zugleich
Josef Hoffmanns künstlerischer Höhe-
punkt gewesen ist. war die Innen-
ausstattung des Palais Stoclet in
Brüssel.
Hier kulminiert die Idee von der
„Integration der Künste" mit jenen
geometrischen Stilelementen, die die
Hoffmann-Epoche der Wiener Werk-
stätte (1903-1913) auszeichnet und die
die reinsten und beglückendsten Lösun-
gen seit der Wiedergeburt des Öster-
reichischen Kunsthandwerks hervor-
gebracht hat.