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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 74)

Der entscheidende Schritt zu diesem 
Stil von Weltgeltung vollzog sich für 
diese Erneuerungsbewegung aber erst 
mit der Gründung der ..Wiener Werk- 
stütte". Hoffmanns Ideen - in der 
Stammtischrunde des Kaffeehauses ge- 
äußert - von einer Werkstätten- 
gemeinschatt zwischen Künstlern und 
Handwerkern. die nur jene .,Qualitüts- 
arbeit" erzeugen sollten, zu welcher 
die Massenproduktion der Industrie 
nicht mehr in der Lage war, veranlaß- 
ten Fritz Wörndorfer, der mehr be- 
geisterter Kunstfreund als versierter 
Geschäftsmann war. das Projekt zu 
finanzieren. Und so wurde 1903 - 
nach englischem Vorbild - die Wiener 
Werkstätte als ein Unternehmen ge- 
gründet, „das alle künstlerischen und 
qualitativen Bestrebungen auf den Ge- 
bieten des modernen Kunsthandwerks 
durch umfassende Tätigkeit fördert und 
pflegt". In den ersten Jahren nur ver- 
lacht. konnte es sich dennoch behaupten. 
Und als Fritz Würndorfer 1914 nach 
Amerika ging. fanden sich mit Otto und 
Möda Primavesi jene Geldgeber. die 
das Unternehmen bis zu seiner Liqui- 
dation im Jahre 1937. in der großzügig- 
sten Weise finanziell immer wieder 
über Wasser hielten. 
Josef Hoffmann, der die künstlerische 
Leitung hatte, gelang es, eine Schar 
ausgezeichneterHandwerkerundschöp- 
ferischer Künstler für sein Unterneh- 
men zu gewinnen. Die alte Wiener 
Handwerkskultur und die moderne 
künstlerische Regsamkeit ergaben eine 
Synthese, die nicht nur der Wiener Mo- 
derne Weltgeltung verschaffte, sondern 
die sich von Beginn an der modischen 
Ausartungen des Secessionsstiles und 
seiner die klare Form überwuchernden 
Schlingornamentik enthielt und die 
Wandlung zu einem Kunstgewerbestil 
vollzog. der den originellsten Beitrag 
zur Erneuerung des österreichischen 
Kunsthandwerks in unserem Jahrhun- 
dert darstellt. 
Zu den bedeutendsten Künstlerpersön- 
lichkeiten der Wiener Werkstätte ge- 
hörten neben Josef Hoffmann (1870 bis 
1956) der "vielgestaltig Vielgestaltende" 
Kolo Moser (1868-4918), der wohl am 
meisten dem Secessionsstil verhaftet 
blieb. und der jüngere Dagobert Peche 
(1887-1923), der ein genialer und 
phantasievoller Entwerter mit nahezu 
surrealistischen Tendenzen war. Er kam 
1913 in die Wiener Werkstätte und 
drückte allen Erzeugnissen, die in den 
zehn Jahren bis zu seinem frühen Tode 
im Jahre 1923 die Werkstatt verließen. 
das unverkennbare Siegel seiner künst- 
lerischen Eigenart auf. so daß man 
zu Recht von einer Peche-Periode (1913 
bis 1923) sprechen kann. 
In dem Kreis der Wiener Werkstätte 
fanden aber auch zahlreiche junge 
Künstler die Grundlagen und die 
Schulung für ihre eigene Entwicklung. 
Carl Otto Ceschka betätigte sich in 
Silber und auf dem Textilgebiet, Vally 
Wieselthier und Mathilde Flögl schufen 
Keramiken. Kitti Rix Textilentwürfe. 
Josef Wimmer-Wisgrill widmete sich 
der Mode. Maria Likarz schnitzte 
Elfenbein und malte Tapeten, Otto 
Lendecke schuf Möbel, Elfenbeine und 
Textilien. Franz Zülow malte dekora- 
tive Entwürfe. und Egon Schiele und 
Oskar Kokoschka schufen Postkarten 
und Illustrationen. 
Das Gesamtkunstwerk der Wiener 
Werkstätte jedoch. das auch zugleich 
Josef Hoffmanns künstlerischer Höhe- 
punkt gewesen ist. war die Innen- 
ausstattung des Palais Stoclet in 
Brüssel. 
Hier kulminiert die Idee von der 
„Integration der Künste" mit jenen 
geometrischen Stilelementen, die die 
Hoffmann-Epoche der Wiener Werk- 
stätte (1903-1913) auszeichnet und die 
die reinsten und beglückendsten Lösun- 
gen seit der Wiedergeburt des Öster- 
reichischen Kunsthandwerks hervor- 
gebracht hat.
	        
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