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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 74)

 
CLAUS PACK Schmuck von Linda Hödl 
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Die Arbeiten Linda Hödls erscheinen in mehr als einer Hinsicht äußerst faszinierend 
und bemerkenswert. Ihre Schmuckstücke, die Ringe, Armreifen, Broschen, Hals- 
ketten. Kolliers und Ohrgehänge fallen nicht nur durch ihre edle und strenge 
Farm auf, sondern auch durch die lebhafte Imagination, mit der hier aus scheinbar 
einfachen Elementen ein Höchstmaß an Grazie und noch Bedeutenderes gewonnen 
wird. 
Diese Grazie ist besonderer Art. Sie ist nicht von der etwas sterilen Strenge, 
die den skandinavischen und finnischen Schmuck kennzeichnet. dessen kühle 
Perfektion so erstaunlich wenig Leben atmet. aber auch nicht von der Verspieltheit 
des modernen Modeschmuckes aus dem sogenannten Kunstgewerbe. dessen 
Ästhetik - auf dem Geschmack am Einfachen oder Barbarischen beruhend -, 
so seltsam sinnentleert berührt. Sie wird vielmehr durch einen gewissen Ernst 
gekennzeichnet. den diese Schmuckstücke ausstrahlen. ein Ernst. der sich ihrer 
Schönheit zugesellt und einen wesentlichen Teil ihrer Faszination ausmacht. 
Zum Teil liegt er darin. daß die Funktion des Schmuckstückes oder seiner Teile 
in ihrem Wesen erkannt und zum Ausdruck gebracht wird, ja. daß die Funktion 
selbst zum Träger des Ausdruckes wird und so eine Steigerung über das ge- 
wöhnliche Maß hinaus erfährt. Schon auf diese Weise sagt selbst die einfachste 
Arbeit von Linda Hödl etwas aus. Und hier ist auch die erste Ursache zu suchen, 
woher ihr Schmuck sein eigenartiges Leben bezieht. Denn es ist auch sein 
Lebendiges das bestrickt. es sind wirkliche Schöpfungen, Kreationen. die ihre 
Werkstätte verlassen. Das ist das Eigenartige, daß jede ihr Eigenleben zu haben 
scheint, in sich abgeschlossen und lebendig wirkt. 
Aber noch mehr als das. Der Schmuck von Linda Hödl besitzt einen ganz eigenen 
und unverwechselbaren Charakter. Er liegt in einem eigenartigen Fluidum. das 
sich fast der Aussage entzieht; in etwas. das darüber hinausgeht. daß die Funktion 
zum Sprechen gebracht wird. daß Lebendiges entstand - es kann nur mit dem so 
oft mißbrauchten Wort "magisch" bezeichnet werden. 
Ja, es ist wirklich so. Was uns so eigenartig anrührt, wenn wir diese Schmuck- 
stücke betrachten. die Silberreifen und -ringe. die Gehünge mit Lapislazuli. 
Amazonit. Heliotrop. Achat und Topas. ist zuerst das Gefühl. daß wir es hier 
mit mehr als mit bloßem Schmuck zu tun haben, daß wir von uralten Empfin- 
dungen erfaßt werden. daß wir Zauberzeichen vor uns haben, deren Sinn 
sich vorerst entzieht. bis wir erkennen. daß hier jemand im 20. Jahrhundert 
plötzlich wieder das Wesen des Schmuckes so begriffen hat. wie es in den allen 
Kulturen 7 zu Anfang. ganz früh und lange - begriffen wurde, als er nicht 
bloß ein Mittel war, den Körper oder das Gewand des Besitzers zu bereichern 
und zu steigern, zu "schmücken", sondern auch eines. um sich mit geheimnisvollen 
Mächten zu verbünden. sie zu bannen oder zu beschwören. 
Nicht umsonst sprach man lange Zeit gewissen Metallen und Steinen besondere 
Kräfte und eigenes Leben zu. Sie waren es. die ihren eigentlichen Wert 
ausmachten. Sie setzten den Menschen. der sie zu benutzen und nutzen wußte, mit 
den feindlichen oder freundlichen Mächten des Kosmos in Verbindung. Ein letzter 
Rest dieses Glaubens oder - wie wir heute sagen - Aberglaubens ist 
noch in den mit der Astrologie verbundenen „glückbringenderW Monalssleinen 
zu finden. Nicht. daß Linda Hödl derartige "Amulette" schaffen würde. Aber die 
eigentliche und wesentliche Aussage ihres Schmuckes liegt darin. daß sie mit 
ihren Materialien magische Zeichen bildet. daß zu dem dsthetisch vollkommenen 
Schmuckcharakter ihrer Arbeit jene Magie tritt. die einst der Bewältigung 
der Welt diente. Ihre eigenartige und ebenso seltsame wie seltene Berufung 
führt sie dazu, das zeitgemäße Schmuckstück mit seiner uralten Bestimmung zu 
verbinden und so in mehr als einem Sinn wahrhaft Zeitloses zu gestalten. 
 
 

	        
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